Kurzfristig und vorübergehend ein Elektroauto – und das noch im Winter. Geht das gut? Unverhoffte Customer Experience mit einem BMW i3 von Starcar
„Ach ist das alles kompliziert“? Aber wir verstehen in Deutschland doch selbst Abseits-Regeln und kennen 15 Sorten Katzenfutter, da wird man wohl auch den Stecker ins Auto bekommen. Los geht’s!
Ein aus Frust über die mangelnde Dynamik im Automarkt und eigenem, etwas voreilig positioniertem Elektro-Interesse gemieteter BMW i3 sollte nur zwei Tage eine Mobilitätslücke schließen. Aufladen war angesichts kurzer Strecken eher nicht geplant, aber mit dem – vermeintlich serienmäßigen – Schuko-Kabel des i3 wollte ich zumindest mal die Rasenmäher-Steckdose testen (extra vorher nochmal über deren Verkabelung nachgedacht). Aus den 2 mussten 9 Tage werden mit 1400 km unter widrigen Bedingungen – jetzt kenne ich mich grob aus 🙂
Erster Tipp für Elektro-Anfänger: Nehmt jemanden auf den ersten Runden mit, der schon mal geladen hat usw., das ist dann am schnellsten erklärt und ausprobiert. Und auch geselliger sowieso.
Wer es verpasst hat, ein Beitrag zu meiner „Radikalisierung“:
Ladevoraussetzungen
Der BMW i3 konnte entweder über ein Typ-2-Kabel geladen werden oder die Erweiterung namens CCS. Das blaue Typ-2-Kabel mit dem runden Stecker lag bei, damit kommt man an die allermeisten „richtigen“ Ladepunkte. Im Gegensatz zur Haushaltssteckdose liefern die richtig Wumms, aber: Auch wenn an der Säule „22 kW“ steht, kann der i3 davon nur bis 11 kW entgegennehmen. Also nicht (wie ich) wundern. Und: Das ist bei jedem Pkw anders, eine fette Schnellladefähigkeit des Pkw sehe ich heute als zwingend nötig an, wenn man auch andere Distanzen bewältigen will als nur Kurzstrecken. Also Augen auf beim Neukauf!
Öffnet man beide Ladekappen unter dem Tankdeckel des i3, passt auch ein CCS-Stecker rein. Durch weitere Kontakte kann er statt Wechselstrom (AC) auch Gleichstrom (DC) einspeisen. Da dieser dann nicht mehr im Auto gewandelt werden muss, funktioniert das mit noch mehr Rumms: beim i3 bis 50 kW. Diese Leistung bieten meist die Ladesäulen an den Autobahnen. Von denen es mehr gibt, als man denkt, weil derzeit an den Ausfahrten ja eher die Kaffeemarke und der Burger-Typ ausgeschildert als die Lademöglichkeit.
Einen Adapter auf Schuko lieferte Starcar derzeit nicht standardmäßig mit, das finde ich nicht gut. Durch den tröpfeln zwar eher ein, zwei kW pro Stunde (nicht genau recherchiert), aber einen Schuko hat man überall. Und so langsames Laden ist viel besser für die Akkulebensdauer nebenbei.
Rückmeldung von Starcar: Man denkt drüber nach!
Wo kann ich laden?
Das Netz an Ladesäulen wächst derzeit ständig; an den Autobahnstrecken sowieso, und dort mit Schnellladern mit 50 kW und mehr. Strom gibt es in Europa davon abgesehen überall. Genial ist natürlich, wenn man beim Supermarkt oder Bäcker (http://www.ladepark-kreuz-hilden.de) gratis oder zumindest besonders ökologisch lädt.
Diverse Apps zeigen die Ladepunkte in der Umgebung, lassen aber manchmal die kostenlosen Säulen weg. Eine sehr gute, auch Community-gepflegte Stromtankstellen-Übersicht: https://www.goingelectric.de/stromtankstellen/
Kundenparkplatz RCF/dBTechnologies … und auch willkommen bei Adam Hall
Ladegeschwindigkeit
Wenn man von 17 kW Verbrauch pro 100 km ausgeht, kann man überschlagen, was man in 10 Minuten je nach Ladeanschluss an Strecke lädt. Dank der E‑Mobilitäts-Facebookgruppe in Wuppertal und der Firma Malte Reiter Fotografie konnte ich später auch mehrere Tage das Laden mit einem „Notladekabel“ an der Rasenmäherbuchse testen. Ergebnis:
- das Gartenhaus brennt nicht ab
- die Ladung läuft sauber die Nacht durch und kann in der Smartphone-App des i3 überwacht werden – überhaupt scheint Software künftig das A und O zu sein
- ich kann in einer Nacht nebenbei das nachladen, was ich am Vortag für die Heimfahrt Köln-Wuppertal (ca. 75 km) verbraucht habe
- der Hinweg zur Arbeit ließ sich am Büro wieder über eine Schuko aufbessern
- richtig cool: den Wagen auf dem Parkplatz per App und rein elektrisch ohne Abgase vorheizen
Ladevorgang
Meine erste nächtliche Ladeerfahrung in Sprockhövel, noch nie so ein Kabel in der Hand gehalten: Schwupp steht ein Ehepaar neben mir, „können Sie uns mal zeigen, wie das geht?“ Äh … selber keine Ahnung! Learning by doing:
Bezahlung: Über RFID können sich die Karten oder Chips (oder Apps) an den Säulen anmelden, die Stecker entriegeln und den Ladevorgang starten/stoppen. Das Durcheinander der Vergangenheit lichtet sich, und an vielen Säulen kann man per EC-/Kreditkarte zahlen. Ich habe mir stattdessen drei Ladekarten besorgt: Von Shell (etwas unklare Preisgestaltung), ENBW (super) und den Stadtwerken Bochum. 2020 empfehlenswert ist auch die von Maingau. Die Karten (oder Apps) bieten je nach Vertrag ein Roaming zu anderen Anbietern, aber eben mit manchmal seltsamen Preismodellen. Wenn, dann habe ich meist die ENBW-Karte benutzt. (ENBW hat auch z.B. an der A1 Rastplatz Ehrenberg/Richtung Süden die coolsten Säulen.) Eine Ladepreis-Übersicht gibt es hier: https://emobly.com/de/laden/der-emobly-ladekarten-kompass-marz-2020/
Regionale Karten laufen nicht an jedem Lader, können vor Ort aber Sinn machen Die ENBW-Karte lief überall – am eigenen Hyper-Super-Duper-Charger sowieso
Kostenlos laden: Angenehme Besonderheit bei Starcar: 2020 sollen die Elektrofahrzeuge mit einem Lade-Chip vermietet werden, der ein kostenloses Laden mit dessen RFID-Funktion ermöglicht. Das ist natürlich maximale Convenience: Nicht nachdenken oder rechnen – einfach Ladevorgang starten. Ähnlich einfach und kostenlos funktioniert dies sowieso an vielen anderen Ladesäulen wie bei Ikea, Aldi, Lidl (2020 Ausbau von 100 auf 400 Ladepunkte) – Dauerlösung ist das natürlich nicht. Bei der Fertighausausstellung Wuppertal allerdings braucht man offenbar eine der Ladekarte zum Starten des kostenlosen Ladevorgangs.
Also kein „das ist mir zu kompliziert“ – und wir sind alle erwachsen, jetzt nicht krampfhaft Ausreden konstruieren 🙂 Beim Sprit blicke ich auch nicht mehr durch, welcher Rüssel nun welche Geschmacksrichtung führt.
Verriegelung: Die Stecker verriegeln sowohl an der Säule, als auch am Pkw. Entriegeln z.B. über die Fernbedienung des Pkw (Tür auf/zu) oder Beenden des Ladevorgangs am Display der Ladesäule. Man kann nicht versehentlich losfahren trotz Kabelverbindung! Auch lässt sich ein festes Ladekabel an der Säule manchmal erst entnehmen, wenn die Säule selbst freigeschaltet wurde.
Ladevorgang starten: Wenn es mehr als einen Anschluss an der Säule gibt, am Display den Anschluss auswählen. Bei vielen kostenlosen Ladesäulen (Aldi, Ikea …) kann das Ladekabel dann eingesteckt werden. Auto und Säule kommunizieren kurz (wird am Pkw angezeigt) und der Ladevorgang startet. Klappt das nicht, evtl. wiederholen. Es gibt auch den Fall, dass einer der Anschlüsse gestört ist, dann auf den nächsten Anschluss ausweichen. Bei einem defekten Aldi-Anschluss habe ich mir auch den Spaß gemacht, die aufgedruckte Hotline anzurufen, die dann vor meinen Augen die Säule gebootet hat. In dem Fall konnte ich aber statt des defekten CCS-Steckers den Typ-2-Anschluss nutzen.
* Bei fast vollem Akku (91%) natürlich nicht so sinnvoll, ihn jetzt anzuschließen, um 63 Minuten auf die letzten paar Prozent zu warten – aber der Hypercharger sah so cool aus und ich musste ihn mal ausprobieren 🙂
Reichweite des i3
Man muss sich von der Panik befreien, ohne 1000 km Reichweite mit dem BMW i3 dauern liegen zu bleiben. Dieses Liegenbleiben habe ich bisher eher in mutwilligen Tests auf Null (und darunter) dokumentiert gesehen. In allen meinen ersten Pkw lag (mit mulmigem Gefühl …) auch hinten ein 5‑Liter-Kanister drin. Das wird im E‑Auto durch einen vorgeschriebenen Kriechgang nachgebildet — und den Schukolader, den man als Backup hätte. Meine 2 x 75 km täglich waren kein Problem, realistisch sind mit einer Ladung im Winter über 200 km mit dem i3. Längere Strecken portioniert man in Abschnitte mit Schnelladesäulen. 2 x täglich 400 km sind für den i3 sicher nicht die Anwendung, dafür gibt es andere E‑Autos.
i3 Fahreigenschaften
Kurzgefasst: Sensationell. Extrem fein dosierbar, super spurtstark, total leise. Servolenkung etwas schwergängiger. Leichte Umgewöhnung, dass der Wagen extrem „am Gaspedal hängt“, er wird sofort schneller oder langsamer. Die Bremse braucht man eigentlich nie (vernichtet ja eh nur Energie). Auch hier gilt „wer bremst, verliert“, nämlich Reichweite. Einfach Gaspedal zurücknehmen, dann verlangsamter er ebenfalls sehr kräftig durch Rekuperation / Aufladen des Akkus. Selbst bei viel Regen konnte man eine Steigung hochspurten, ohne dass irgendwas rutscht. Auch ohne s‑Version ist der i3 superdynamisch unterwegs. Bei einer unfreiwilligen Vollbremsung stand der Wagen auch sofort, von wegen man braucht unbedingt breite Reifen …
An zwei Tagen hatte ich dann noch richtig viel Schnee, wegen verstopfter Innenstadt und Termindruck ging es etwas nervös bergauf und bergab durch engere verschneite Nebenstrecken, auch hier absolute Wintertauglichkeit. Durch das weiche Mitbremsen der Rekuperation waren auch verschneite Gefälle easy zu befahren
i3 Bedienung voll im 90er-Style
Auf absolutem Kriegsfuß stehe ich mit den ganze Schaltern und Knöpfen des i3. Im Prinzip finde ich es super, wenn Funktionen auf eigenen Tastern liegen. Aber bis man die hier mal alle gefunden hat, verteilt im ganzen Auto. Und dann noch die endlos vielen Darstellungen im Display. Gab es die ganzen Schalter und Knöpfe im Angebot, waren die irgendwo über? Die Idee des Tesla Model 3 mit einem zentralen Screen fand ich früher … komisch. Mittlerweile stellt sich ja wohl heraus, dass er weniger eine Sparmaßnahme ist, als eher Ausdruck eines Konzeptes, das streng auf einem zentralen Steuergerät basiert. Dagegen kommt mir das hier vor wie Rudis Resterampe an Zulieferer-Klimbim. Auch nach 1400 km hatte ich nicht die Funktion gefunden, eine Navigation abzubrechen (hab sogar den Wagen ausgeschaltet) und ein Radiosenderwechsel gelang auch nie auf Anhieb. Also BMWler, guckt Euch mal ein Smartphone an.
Ob die Navigation auch Infos an das Energiemanagement weitergibt (der E‑Golf passt es wohl z. B. kartenbasiert vorausschauend an Steigungen und Kurven an), habe ich nicht herausgefunden. Etwas irritierend ist auch, dass ich nicht gefunden habe, wie der BMW die zu erwartende Restkapazität am Ziel anzeigt. Dafür blendet er Diesel-Tankstellen in die Karte ein …
Fazit: Echt der Knaller
Zurück in einem Toyota Hybrid komme ich mir plötzlich vor wie im Oldtimer. Auto mit Verbrennungsmotor fühlt sich so irrational an – wo ist da der Sinn? Doppelt gemoppelt mit Verbrennungsmotor plus nochmal Elektromotor macht es auch nicht wirklich besser auf lange Sicht: Ein Auto rein mit E‑Antrieb ist nicht nur ein Erlebnis. Sondern auch vernünftig, und ab 2020 eigentlich ohne Alternative.
Ausprobieren!
Provisorisch, aber läuft schon: Bäcker Schürens 2. Ladepark … … mit Kaffee, Kuchen und elektrischem
VW T2 am Hildener Kreuz
Disclaimer: Auto normal gemietet, Strom und Bäcker selbst bezahlt, keine Tiere zu Schaden gekommen