Elektroauto laden – mein Learning

Lesedauer 8 Minuten

Kurzfristig und vorüberge­hend ein Elek­troau­to – und das noch im Win­ter. Geht das gut? Unver­hoffte Cus­tomer Expe­ri­ence mit einem BMW i3 von Starcar

„Ach ist das alles kom­pliziert“? Aber wir ver­ste­hen in Deutsch­land doch selb­st Abseits-Regeln und ken­nen 15 Sorten Katzen­fut­ter, da wird man wohl auch den Steck­er ins Auto bekom­men. Los geht’s!

Ein aus Frust über die man­gel­nde Dynamik im Automarkt und eigen­em, etwas vor­eilig posi­tion­iertem Elek­tro-Inter­esse gemieteter BMW i3 sollte nur zwei Tage eine Mobil­ität­slücke schließen. Aufladen war angesichts kurz­er Streck­en eher nicht geplant, aber mit dem – ver­meintlich serien­mäßi­gen – Schuko-Kabel des i3 wollte ich zumin­d­est mal die Rasen­mäher-Steck­dose testen (extra vorher nochmal über deren Verk­a­belung nachgedacht). Aus den 2 mussten 9 Tage wer­den mit 1400 km unter widri­gen Bedin­gun­gen – jet­zt kenne ich mich grob aus 🙂

Detlef Hoepfn­er Im geheizten Elek­troau­to durch Win­ter-Stau: geht

Erster Tipp für Elek­tro-Anfänger: Nehmt jeman­den auf den ersten Run­den mit, der schon mal geladen hat usw., das ist dann am schnell­sten erk­lärt und aus­pro­biert. Und auch gesel­liger sowieso.

Wer es ver­passt hat, ein Beitrag zu mein­er „Radikalisierung“:

Ladevoraussetzungen

Der BMW i3 kon­nte entwed­er über ein Typ-2-Kabel geladen wer­den oder die Erweiterung namens CCS. Das blaue Typ-2-Kabel mit dem run­den Steck­er lag bei, damit kommt man an die aller­meis­ten „richti­gen“ Ladepunk­te. Im Gegen­satz zur Haushaltssteck­dose liefern die richtig Wumms, aber: Auch wenn an der Säule „22 kW“ ste­ht, kann der i3 davon nur bis 11 kW ent­ge­gen­nehmen. Also nicht (wie ich) wun­dern. Und: Das ist bei jedem Pkw anders, eine fette Schnel­l­lade­fähigkeit des Pkw sehe ich heute als zwin­gend nötig an, wenn man auch andere Dis­tanzen bewälti­gen will als nur Kurzstreck­en. Also Augen auf beim Neukauf!

Öffnet man bei­de Ladekap­pen unter dem Tankdeck­el des i3, passt auch ein CCS-Steck­er rein. Durch weit­ere Kon­tak­te kann er statt Wech­sel­strom (AC) auch Gle­ich­strom (DC) ein­speisen. Da dieser dann nicht mehr im Auto gewan­delt wer­den muss, funk­tion­iert das mit noch mehr Rumms: beim i3 bis 50 kW. Diese Leis­tung bieten meist die Ladesäulen an den Auto­bah­nen. Von denen es mehr gibt, als man denkt, weil derzeit an den Aus­fahrten ja eher die Kaf­feemarke und der Burg­er-Typ aus­geschildert als die Lademöglichkeit. 

Einen Adapter auf Schuko lieferte Star­car derzeit nicht stan­dard­mäßig mit, das finde ich nicht gut. Durch den tröpfeln zwar eher ein, zwei kW pro Stunde (nicht genau recher­chiert), aber einen Schuko hat man über­all. Und so langsames Laden ist viel bess­er für die Akkulebens­dauer neben­bei.
Rück­mel­dung von Star­car: Man denkt drüber nach!

Wo kann ich laden?

Das Netz an Ladesäulen wächst derzeit ständig; an den Auto­bahn­streck­en sowieso, und dort mit Schnel­l­ladern mit 50 kW und mehr. Strom gibt es in Europa davon abge­se­hen über­all. Genial ist natür­lich, wenn man beim Super­markt oder Bäck­er (http://www.ladepark-kreuz-hilden.de) gratis oder zumin­d­est beson­ders ökol­o­gisch lädt.

Diverse Apps zeigen die Ladepunk­te in der Umge­bung, lassen aber manch­mal die kosten­losen Säulen weg. Eine sehr gute, auch Com­mu­ni­ty-gepflegte Strom­tankstellen-Über­sicht: https://www.goingelectric.de/stromtankstellen/

Ladegeschwindigkeit

Wenn man von 17 kW Ver­brauch pro 100 km aus­ge­ht, kann man über­schla­gen, was man in 10 Minuten je nach Ladean­schluss an Strecke lädt. Dank der E‑Mo­bil­itäts-Face­book­gruppe in Wup­per­tal und der Fir­ma Malte Reit­er Fotografie  kon­nte ich später auch mehrere Tage das Laden mit einem „Not­ladek­a­bel“ an der Rasen­mäher­buchse testen. Ergebnis:

  • das Garten­haus bren­nt nicht ab
  • die Ladung läuft sauber die Nacht durch und kann in der Smart­phone-App des i3 überwacht wer­den – über­haupt scheint Soft­ware kün­ftig das A und O zu sein
  • ich kann in ein­er Nacht neben­bei das nach­laden, was ich am Vortag für die Heim­fahrt Köln-Wup­per­tal (ca. 75 km) ver­braucht habe
  • der Hin­weg zur Arbeit ließ sich am Büro wieder über eine Schuko aufbessern
  • richtig cool: den Wagen auf dem Park­platz per App und rein elek­trisch ohne Abgase vorheizen
ENBW-App
Detlef Hoepfn­er Ladesäulen-Suche in der ENBW-App

Ladevorgang

Meine erste nächtliche Ladeer­fahrung in Sprock­höv­el, noch nie so ein Kabel in der Hand gehal­ten: Schwupp ste­ht ein Ehep­aar neben mir, „kön­nen Sie uns mal zeigen, wie das geht?“ Äh … sel­ber keine Ahnung! Learn­ing by doing:

Bezahlung: Über RFID kön­nen sich die Karten oder Chips (oder Apps) an den Säulen anmelden, die Steck­er entriegeln und den Lade­vor­gang starten/stoppen. Das Durcheinan­der der Ver­gan­gen­heit lichtet sich, und an vie­len Säulen kann man per EC-/Kred­itkarte zahlen. Ich habe mir stattdessen drei Ladekarten besorgt: Von Shell (etwas unklare Preis­gestal­tung), ENBW (super) und den Stadtwerken Bochum. 2020 empfehlenswert ist auch die von Main­gau. Die Karten (oder Apps) bieten je nach Ver­trag ein Roam­ing zu anderen Anbi­etern, aber eben mit manch­mal selt­samen Preis­mod­ellen. Wenn, dann habe ich meist die ENBW-Karte benutzt. (ENBW hat auch z.B. an der A1 Rast­platz Ehrenberg/Richtung Süden die cool­sten Säulen.) Eine Lade­preis-Über­sicht gibt es hier: https://emobly.com/de/laden/der-emobly-ladekarten-kompass-marz-2020/

Kosten­los laden: Angenehme Beson­der­heit bei Star­car: 2020 sollen die Elek­tro­fahrzeuge mit einem Lade-Chip ver­mi­etet wer­den, der ein kosten­los­es Laden mit dessen RFID-Funk­tion ermöglicht. Das ist natür­lich max­i­male Con­ve­nience: Nicht nach­denken oder rech­nen – ein­fach Lade­vor­gang starten. Ähn­lich ein­fach und kosten­los funk­tion­iert dies sowieso an vie­len anderen Ladesäulen wie bei Ikea, Aldi, Lidl (2020 Aus­bau von 100 auf 400 Ladepunk­te) – Dauer­lö­sung ist das natür­lich nicht. Bei der Fer­tighausausstel­lung Wup­per­tal allerd­ings braucht man offen­bar eine der Ladekarte zum Starten des kosten­losen Ladevorgangs.

Also kein „das ist mir zu kom­pliziert“ – und wir sind alle erwach­sen, jet­zt nicht krampfhaft Ausre­den kon­stru­ieren 🙂 Beim Sprit blicke ich auch nicht mehr durch, welch­er Rüs­sel nun welche Geschmack­srich­tung führt. 

Ver­riegelung: Die Steck­er ver­riegeln sowohl an der Säule, als auch am Pkw. Entriegeln z.B. über die Fernbe­di­enung des Pkw (Tür auf/zu) oder Been­den des Lade­vor­gangs am Dis­play der Ladesäule. Man kann nicht verse­hentlich los­fahren trotz Kabelverbindung! Auch lässt sich ein festes Ladek­a­bel an der Säule manch­mal erst ent­nehmen, wenn die Säule selb­st freigeschal­tet wurde. 

Ladesäule und Auto quatschen erst kurz miteinan­der vor der Ladung (blau)

Lade­vor­gang starten: Wenn es mehr als einen Anschluss an der Säule gibt, am Dis­play den Anschluss auswählen. Bei vie­len kosten­losen Ladesäulen (Aldi, Ikea …) kann das Ladek­a­bel dann eingesteckt wer­den. Auto und Säule kom­mu­nizieren kurz (wird am Pkw angezeigt) und der Lade­vor­gang startet. Klappt das nicht, evtl. wieder­holen. Es gibt auch den Fall, dass ein­er der Anschlüsse gestört ist, dann auf den näch­sten Anschluss auswe­ichen. Bei einem defek­ten Aldi-Anschluss habe ich mir auch den Spaß gemacht, die aufge­druck­te Hot­line anzu­rufen, die dann vor meinen Augen die Säule gebootet hat. In dem Fall kon­nte ich aber statt des defek­ten CCS-Steck­ers den Typ-2-Anschluss nutzen.

300 kw High Pow­er Charg­er der EnBW (* finde den Fehler)

* Bei fast vollem Akku (91%) natür­lich nicht so sin­nvoll, ihn jet­zt anzuschließen, um 63 Minuten auf die let­zten paar Prozent zu warten – aber der Hyper­charg­er sah so cool aus und ich musste ihn mal ausprobieren 🙂

Reichweite des i3

Man muss sich von der Panik befreien, ohne 1000 km Reich­weite mit dem BMW i3 dauern liegen zu bleiben. Dieses Liegen­bleiben habe ich bish­er eher in mutwilli­gen Tests auf Null (und darunter) doku­men­tiert gese­hen. In allen meinen ersten Pkw lag (mit mul­migem Gefühl …) auch hin­ten ein 5‑Liter-Kanis­ter drin. Das wird im E‑Auto durch einen vorgeschriebe­nen Kriech­gang nachge­bildet — und den Schuko­lad­er, den man als Back­up hätte. Meine 2 x 75 km täglich waren kein Prob­lem, real­is­tisch sind mit ein­er Ladung im Win­ter über 200 km mit dem i3. Län­gere Streck­en por­tion­iert man in Abschnitte mit Schnel­ladesäulen. 2 x täglich 400 km sind für den i3 sich­er nicht die Anwen­dung, dafür gibt es andere E‑Autos.

Detlef Hoepfn­er Ankun­ft in Köln nach win­ter­lichen 75 km, incl. Heizung/Sitzheizung. Elek­trisch und per App zu Hause vorgewärmt würde noch mehr Akku sparen

i3 Fahreigenschaften

Kurzge­fasst: Sen­sa­tionell. Extrem fein dosier­bar, super spurt­stark, total leise. Ser­v­olenkung etwas schw­ergängiger. Leichte Umgewöh­nung, dass der Wagen extrem „am Gaspedal hängt“, er wird sofort schneller oder langsamer. Die Bremse braucht man eigentlich nie (ver­nichtet ja eh nur Energie). Auch hier gilt „wer bremst, ver­liert“, näm­lich Reich­weite. Ein­fach Gaspedal zurück­nehmen, dann ver­langsamter er eben­falls sehr kräftig durch Reku­per­a­tion / Aufladen des Akkus. Selb­st bei viel Regen kon­nte man eine Stei­gung hochspurten, ohne dass irgend­was rutscht. Auch ohne s‑Version ist der i3 super­dy­namisch unter­wegs. Bei ein­er unfrei­willi­gen Voll­brem­sung stand der Wagen auch sofort, von wegen man braucht unbe­d­ingt bre­ite Reifen …

Detlef Hoepfn­er Was für ein Fahrspaß – i3 läuft super im Schnee

An zwei Tagen hat­te ich dann noch richtig viel Schnee, wegen ver­stopfter Innen­stadt und Ter­min­druck ging es etwas nervös bergauf und bergab durch engere ver­schneite Neben­streck­en, auch hier absolute Win­ter­tauglichkeit. Durch das weiche Mit­brem­sen der Reku­per­a­tion waren auch ver­schneite Gefälle easy zu befahren

i3 Bedienung voll im 90er-Style

Auf absolutem Kriegs­fuß ste­he ich mit den ganze Schal­tern und Knöpfen des i3. Im Prinzip finde ich es super, wenn Funk­tio­nen auf eige­nen Tastern liegen. Aber bis man die hier mal alle gefun­den hat, verteilt im ganzen Auto. Und dann noch die end­los vie­len Darstel­lun­gen im Dis­play. Gab es die ganzen Schal­ter und Knöpfe im Ange­bot, waren die irgend­wo über? Die Idee des Tes­la Mod­el 3 mit einem zen­tralen Screen fand ich früher … komisch. Mit­tler­weile stellt sich ja wohl her­aus, dass er weniger eine Spar­maß­nahme ist, als eher Aus­druck eines Konzeptes, das streng auf einem zen­tralen Steuerg­erät basiert. Dage­gen kommt mir das hier vor wie Rud­is Rester­ampe an Zulief­er­er-Klim­bim. Auch nach 1400 km hat­te ich nicht die Funk­tion gefun­den, eine Nav­i­ga­tion abzubrechen (hab sog­ar den Wagen aus­geschal­tet) und ein Radiosender­wech­sel gelang auch nie auf Anhieb. Also BMWler, guckt Euch mal ein Smart­phone an.

Ob die Nav­i­ga­tion auch Infos an das Energie­m­an­age­ment weit­ergibt (der E‑Golf passt es wohl z. B. karten­basiert vorauss­chauend an Stei­gun­gen und Kur­ven an), habe ich nicht her­aus­ge­fun­den. Etwas irri­tierend ist auch, dass ich nicht gefun­den habe, wie der BMW die zu erwartende Restka­paz­ität am Ziel anzeigt. Dafür blendet er Diesel-Tankstellen in die Karte ein …

Das war vielle­icht nicht so schlau – aber ohne Carport …

Fazit: Echt der Knaller

Zurück in einem Toy­ota Hybrid komme ich mir plöt­zlich vor wie im Old­timer. Auto mit Ver­bren­nungsmo­tor fühlt sich so irra­tional an – wo ist da der Sinn? Dop­pelt gemop­pelt mit Ver­bren­nungsmo­tor plus nochmal Elek­tro­mo­tor macht es auch nicht wirk­lich bess­er auf lange Sicht: Ein Auto rein mit E‑Antrieb ist nicht nur ein Erleb­nis. Son­dern auch vernün­ftig, und ab 2020 eigentlich ohne Alternative. 

Aus­pro­bieren!


Dis­claimer: Auto nor­mal gemietet, Strom und Bäck­er selb­st bezahlt, keine Tiere zu Schaden gekommen

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