Nach zwei Jahren mit einer ausgefallenen Folkeboot-Tour und einem Törn von Testzentrum zu Zahnarztpraxis nun in 2022 endlich wieder eine ganze Woche Leben unter Segeln. Das Schleiwasser hatten wir dabei sogar hauptsächlich unterm Kiel statt in dem Boot – ein Privileg, dass andere sich erst hart erarbeiten müssen, wie wir unterwegs lernten
- Neues Team bei “Klassisch am Wind”
- Hör auf zu heulen
- Kappeln und Arnis – nicht nur ein Kompromiss
- Erdbeeren bunkern in Lindaunis
- Nicht ganz dicht – Sorgen auf der „Panik“
- Fleckeby oder Fleckeby?
- Segel-Plan B – aber richtig
- Wir Glücklichen
Trööööööt …! Bin selbst etwas erschrocken, wie laut es über die Schlei nach einem kräftigen Lungenzug in Richtung Campingplatz schallt. Aber irgendwann muss man dieses Messing-Signalhorn doch auch mal praktisch nutzen! Haaaaaa-loooooo-klaaaauuuuus?! Wir wissen nicht, ob unser Freund und Nachbar sein Folkeboot „Panik“ pünktlich hier an die Schlei bekommen hat. Am Steg, den wir auf unserem mehrstufigen Weg von Maasholm Richtung Schleswig passieren, sehen wir es nicht im Fernglas. Auch der Campingplatz scheint unbelebt. Wir haben den Platz schon halb passiert, da kommt seine Frau ans Ufer gelaufen. Jetzt haben wir spontan gar nicht gecheckt, wie flach es da vorne ist. Aber mit ein paar Rufen und Armbewegungen ist auch über Entfernung klar: Die „Panik“ wird heute in Missunde gekrant, zu Wasser gelassen und der Mast gestellt. Da kommen wir jetzt eh vorbei. Aber passt unser unvorhersehbares Timing zu den knappen Kran-Zeitslots?
Was ein Zufall! Dabei war vor ein paar Tagen noch gar nicht klar, ob wir überhaupt zu unserer jährlichen Tour würden starten können. Eine Sorgen bereitende WhatsApp „Können wir bitte telefonieren?“ ging schon vor zwei Jahren einmal zwischen uns hin und her. Damals hatten wir in gegenseitiger Abstimmung beschlossen: Wir können diesmal gar nicht los. 2022 nun eine ähnliche Situation. Aber wieder ist für uns klar: Wenn einer von uns in der Klemme ist, tragen wir nötige Entscheidungen gemeinsam, gar keine Frage. Nach längerer Krisensitzung per Videoschalte beschließen wir: Das Auto wird nicht wieder ausgepackt, wir schaffen uns stattdessen unterwegs ausreichend Ausstiegs-Optionen. Und einen Plan B braucht man beim Segeln ja sowieso immer, mindestens. Vor allem, wenn die Lärche für den Bootsrumpf der diesmal gecharterten „Mumi“ schon 1968 auf die Eichenspanten gelegt wurde.
Neues Team bei “Klassisch am Wind”
Gespannt sind wir diesmal nicht nur auf diese gut sieben Meter Folkeboot, sondern auch auf die Vercharterer Jeannine und Sven Steinbach. Ab dieser Saison führen sie die Pflege und Vermietung von Jacaranda, Maj, Admiral Jacob und eben Mumi weiter. Kontakt und Übergabe laufen super easy und sympathisch. Schnell haben wir das Gefühl: hier ist das Projekt „Klassisch am Wind“ wieder in gute Hände weitergegeben. Mit Jacaranda und Maj haben wir schon etliche Touren durch die „Dänische Südsee“ geloggt, auf Admiral Jacob immerhin einmal übernachtet und sind nun gespannt, wie „Mumi“ und wir uns miteinander anfreunden.
Herausforderung Nr. 1 ist wie immer (nachdem Armin sich endlich im Supermarkt auf die richtige Sorte Kartoffeln geeinigt hat): Wie bekommen wir mehrere Handkarren voller Klamotten und Lebensmittel, zuvor von Armin schon nach unserer Standard-Cloud-Einkaufsliste eingekauft, in dieses Boot? Auto leer, aber Vordeck und Cockpit komplett voll … Die „Maj“ hatte noch Schwalbennester über den beiden Kojen. Hier stößt man sich zwar nicht den Kopf daran, aber es fehlt auch der Stauraum für Zwiebeln, Brot, Nudeln, Kulturbeutel, Kamera, Navi-iPads, Ladegeräte … und und und. Also unter Deck erst mal Platz geschafft, Klapptisch oder Rettungsinsel haben wir eh nicht vor zu nutzen, also alles in die Ecken damit. Dann die ganzen Bodenbretter lockern und inspizieren, wo man was in der immer etwas nassen Bilge unterbringen könnte. Gut verpackte Lebensmittel nach unten, den Käse lieber nach oben. Hält sich hier etwas kühler, wegfuttern sollte man ihn dennoch schnell. Sogar eine kleine Kühlbox würde man hier vielleicht unterbekommen. Richtig am Vorluk platziert, kommt man an manche Kisten später sogar bequem vom Vordeck aus. Wenn man nicht vorher vergessen hat, im engen Bug den Schnappverschluss zu öffnen …
Hör auf zu heulen
Die erste kurze Nacht und den Einräumtag liegen wir noch in Maasholm. Um Werft und durch die vorgelagerten Yachten heult der Wind, die Flaggen zerren mächtig an ihren Leinen. Nicht der Sound, den man nach anstrengenden Arbeitswochen, Anreise und unklarer Wochenperspektive hören will. Wir checken die Wettermodelle ECMWF und ICON. Schauen von der vorgelagerten Hafenspitze zu, wie andere Boote kleine Testrunden vor Maasholm drehen und wie sich die von Kappeln kommenden Boote schlagen. In Schleimünde wären wir bei dem Wind easy. Aber da fahren am Wochenende alle hin, das sparen wir uns. Und die nächsten Ziele via Ostsee liegen danach zu entfernt, zumal bei unserer Planungs-Unsicherheit. Abends spät hält sich der Wind an die Vorhersagen, wird etwas ruhiger. Ich habe auch schon nach nur einem Tag genug vom Schnack der „Hafen-Dauercamper“ und wir müssen auch unserer Psyche zuliebe los. Kurz vor Jahresmitte ist es nun — zumal hier im Norden — eh ewig lange hell. Nächst erreichbar liegt Kappeln, da hätten wir auch bei Wetterverschlechterung etwas zu tun. Der nun zwar angenehmere Wind steht auf der Strecke jedoch genau gegenan.
Kappeln und Arnis – nicht nur ein Kompromiss
Jetzt sind wir nicht für Angst vorm Kreuzen bekannt und so bereits den kompletten Als-Sund hoch. Aber wir entscheiden uns für eine Kombi: Die Segel werden gegen 19.00 Uhr angeschlagen und los gehts. Prompt fällt uns nach dem Ablegen auf, dass wir in den Schnüren doch noch was überkreuz haben. Also ein guter Test. Das ist die Herausforderung Charter-Segeln: Mit dem eigenen Boot ist man ewig vertraut, was einem nicht gefällt, baut man um. Aber selbst diese vier fast gleichen Folkeboote haben doch hier und da ihre kleinen Unterschiede, und so ist man als Charterer besonders gefordert, sich schnell zu adaptieren.
Nach ein paar Wenden geht der Kurs nach Nordwest, die Segel beide wieder runter und wir sind total begeistert von diesem 4‑PS-Außenborder: Der Viertakter läuft ruhig und leise, springt immer verzögerungsfrei an, stinkt weniger und braucht kaum Sprit. Mehr kann man von der Problemstelle Nr. 1 eines Segelbootes nicht verlangen. Einzig der Kraftstoffschlauch klemmt gerne mal an der Motorhalterung, zum Manövrieren mag man den Außenborder ja gerne auch mal komplett um 90°quer stellen. Mit einem langsamen Seitenimpuls dreht man den Langkieler so gut. Am besten gefällt uns fast die lustige Beschilderung „Hase“ und „Schildkröte“ am Gasgriff.
Die letzte Brückenöffnung in Kappeln ist abends kurz vor zehn, das schaffen wir locker. Beim ASC finden wir einen schönen Platz mit dem Bug zur Schlei und Heck in die Abendsonne. Dabei etwas weg vom Landleben und der den Museumshafen überragenden Milchfabrik, deren Vorbesitzer bis 2019 dem Promenadenweg seinen Namen gab.
Hier gönnen wir uns einen Tag dringend nötiger Ruhe. Wir dürfen gelassener abwarten, wie sich daheim unsere Lagen entwickeln und wären schnell zurück. Die Stadt lädt zum Bummeln ein, das Hafen-Restaurant ist mega (bester Veggie-Burger vonne Welt), die Museumsschiffe locken gleich nebenan und wir liegen sicher und ruhig. Einzig auf solche schlichten Wandersegler wie uns ist man hier nicht unbedingt optimal eingestellt. Und wir lernen: Für eine Mitgliedschaft (zu ungenannten Kosten) bräuchten wir hier zwei Bürgen — das bekommen wir aber schnell hin, zählen wir uns beide an Bord kurz durch 🙂
Richtig raus aus der Schlei werden wir diese Woche nicht kommen, das wird uns beiden langsam klar. Unser Ziel Avernakø aber von unsere To-do-Liste können wir vergessen. Armin: „Durch Plan B stand fest, es gibt nur einen Weg: Schlei rauf und anschließend wieder abwärts, soweit wir wollen. Also alles entspannt.“
Sesshaft wollen wir hier in diesem Hafen nun jedoch auch nicht werden. Dagen spricht am nächsten Tag in geradezu lehrbuchmäßiges auftürmen von Gewitterwolken über der Stadt. Flankiert werden sie von dunklen Fronten am Horizont. Wir checken das Wolkenradar, schauen in den Himmel, prüfen Den Wetterbericht und ergreifen eine Gelegenheit, die uns günstig scheint. Unter Motor wenigstens schnell rüber nach Arnis, in Bewegung zu sein, und sei es nur so kurz, tut uns gut. Aber die Idee, der Front auszuweichen, haut nicht ganz hin: auf dem Weg holt sie uns langsam ein und duscht einmal das Salz Wasser von uns und dem Boot. Angekommen in Arnis begrüßt uns dafür Sonnenschein. dazu noch der beste Hafenmeister weit und breit, der seinem Namen gerecht wird. Da fehlen nur noch Annette und Hildor, die uns hier im letzten Jahr von Land aus supportet haben.
Ein Rundgang um die Halbinsel durch die Gärten und Werftgelände oder ein Flammkuchen in der Schleiperle sind allemal einen Nachmittag wert. direkt vor unseren Augen wird sogar ein komplettes Kümo gerade frisch geslippt.
Erdbeeren bunkern in Lindaunis
Next Stop Lindaunis — übrigens ausgesprochen „Lindau-Nis“ wie mich meine norddeutsche Familie überzeugt. Letztes Jahr war hier für uns Endstation. Die skurille Brücke ist allein einen Besuch wert, aber – wenn wieder mal verklemmt – für hohe Masten nicht passierbar. Wir sind mit den Infos der die beeindruckende Baustelle verantwortenden Bahn optimal versorgt (das gute und informative Bau-Infoportal findet sich hier). Wir müssen uns bei der Ansteuerung der Marina direkt vor den gigantischen Baustellen-Pontons nur noch für einen Liegeplatz entscheiden: eher Ostseite mit Blick zurück in die Schlei oder gegenüber Richtung Brücke? Armin plädiert kurzfristig für die zweite Lösung und wir machen dort fest. Kurz danach gesteht er, warum: ihn lockte ein besonders kurzer Weg zu den etwas entfernt liegenden Sanitäranlagen. Unser Video vom zugegebenermaßen idyllischen Lauf bis zum Ausgang wurde dann zum Lacher in unserem Verein: Lange Schlangenlinien lief man von hier zum in Wirklichkeit maximal weit entfernten Tor. Nur ganze zwei Boote in der gesamten Marina hatten einen noch weiteren Weg zum Klo. Aber gutes Timing ist beim Segeln ja essentiell.
Bedrohlich nur mein gefährlich zur Neige gehende Vorrat an frischen Erdbeeren. Also einmal Ziel Obsthof und zu Fuß über die alte Brücke. Das ist schon ein Abenteuer für sich. Zwischen Schienen und Gerüsten klettert man — oft mit Blick auf das Wasser unter einem — über Bleche und und Bretter mit lose rumliegenden Nägeln. wirklich eine die Fantasie anregende Konstruktion.
Abends lässt der Baulärm nach, der uns überraschend wenig stört. Vielleicht liegt es an der faszinierenden Kombination von alter und entstehender neuer Brücke, für die sich riesige Bohrköpfe in den Boden drehen. Die seltsamen Seezeichen zwischen den Maschinen geben zusätzliche Rätsel auf. Man hat sie zuletzt in der Segelschein-Prüfung gesehen.
Im schwindenden Licht des Abends lässt sich noch ein Seeadler von einer Möwe attackieren und schwingt sich majestätisch davon. Jetzt spürt man nur noch eine leichte, kalte Brise, die sich in Wellen durch das Schilf schwingt, das uns vom Ufer trennt. Dazu mischt sich das brutzeln und Knistern auf unserem Gaskocher. Deswegen sind wir unterwegs. Nachts ein Geklimper, wenn die letzen Schleiwellchen unseren geklinkerten Rumpf erreichen. Jeder Kontakt eine leicht rhythmische Melodie mit zufälligen Tonhöhen — das alles in nächster Nähe dreidimensional um den eigenen Schlafsack herum. Schöner kann man nicht liegen.
Nicht ganz dicht – Sorgen auf der „Panik“
Rostige Stahlträger gleiten am nächsten Tag beim Passieren der hochgewuchteten Lindaunis-Brücke über unseren hölzernen Mast. Die Passage ist tatsächlich so schmal, wie sie von weitem zwischen den vielen neuen Spundwänden für künftige Fundamente schon erschien. Der grobe Kurs ist durch den Fjordverlauf ja vorgegeben. Aber so richtig lockt uns noch kein Ziel. Die Enge bei Missunde ist immerhin eine lustige Kurverei, die werden wir uns heute gönnen. Und wir wissen ja nun, wo vielleicht Klaus und seine Panik aufzufinden sind. Die Kurverei aber ist nicht nur Spaß, sondern auch von Wind mit ca. 0 bis 0,1 Bft geprägt. Aus wechselnden Richtungen. Trotz Gewichtstrimm und allen unseren Binnenseglertricks geht es nur in Super-SloMo weiter. Da wissen wir noch nicht, dass dies der Wettergott für unser Timing für ein Treffen mit der „Panik“ steuert. Wir haben sogar etwas Mühe, mit der netten Crew des Folkebootes Salty die Schlei-Seiten zu wechseln, um uns dichter an die Marina zu halten. (Dank an Jörg und Jannik für Eure Fotos!) Als sich unser Bug endlich vor den Kran schiebt, taucht langsam das Heck der Panik auf. Heraus schiesst ein hektischer Wasserstrahl.
Also nun wieder tief Luft holen und … tröt! Armin lacht sich halb kaputt über meinen verunglückten Signalstoß. Aber Klaus fällt uns ja sonst vor Schreck aus dem Boot mit dem Pumpschwengel in der Hand, wenn wir ihn so erschrecken. Und wir sehen gleich: das ist da drüben doch gerade ein zu nasses Vergnügem. Freudig-angestrengt gestikuliert und ruft Klaus zu uns rüber: „Na ihr habt es gut! Euer Boot ist dicht!“ Das Wasser steht ihm zwar nicht zum Hals, aber er bekommt im Boot doch ziemlich nasse Füße. Das hat man selbst bei einem Folkeboot auf Dauer nicht so gern. Was dann später hören: Sein ehrenamtliches Flüchtlingsengagement hat alle Bootsarbeiten daheim verzögert. Der Holzrumpf stand auch viel zu lange trocken. Nun kämpft er mit einem kräftigen Wassereinbruch, über den auch noch die Pumpe kollabiert. Nach unserem kurzen Schnack und Weiterfahrt legt auch er mit Vollgas ab, bei unserem Aussenborder hätte dies wohl der Gashebelstellung „Hase mit angelegten Ohren im Tiefflug“ entsprochen. Was ist letztlich die beste Lenzpumpe? „Ein erschrockener Seemann mit einem großen Eimer.“ Auf eine kleine Sandbank vor seinem Liegeplatz gesetzt, ließ sich dann in Ruhe am verankerten Boot weiterarbeiten.
Fleckeby oder Fleckeby?
Wir haben uns zwischenzeitlich für das Ziel Fleckeby entschieden, denn Schleswig lockt uns nicht so sehr. Vorher drehen wir eine kleine Runde vor dem Schloss Louisenlund, wir scheinen dort aber nicht erwartet zu werden. Unser Ziel im Fernglas ist der Yachthafen Fleckeby, denn der östlich direkt daneben liegende WSF scheint uns etwas seltsam auf der Seekarte: die Stege sind von unzugänglichen Pontons umgeben, wir werden nicht so richtig schlau daraus.
Die Schlei mit all der Natur drumherum: Felder, Wälder, Wiesen, Knicks, Fischadler, Rehe auf Treppen – und dann all die ganzen Kuckucks 😀 …Zusammen mit dem Folkeboot durch die Natur zu reisen, es einfach so genießen zu können – super schöne Zeit!
Armin Pech
Für unsere Rollen an Bord entwickeln sich über die Jahre gewisse Vorlieben. Die versuchen wir daher immer wieder ein wenig aufzubrechen, damit wir beide in allen Aufgaben geübt bleiben. Aber jetzt hantiere ich mit Pinne und Motor zwischen den Beinen und bin dankbar, dass Armin einen Blick auf die Karte wirft: „Das Fahrwasser da vorne hast du gesehen, oder?“ Ähm ja … natürlich …
Nun korrekt eingeschwenkt entdeckt er auch gleich noch einen gut ansteuerbaren Platz hinter den Pontons, die wir ursprünglich meiden wollten. Kurz entschlossen landen wir so doch im WSF — eine der besten Entscheidungen der Woche. Schon beim Anlegen steht jemand geduldig am Steg, bis wir uns entschieden (und zwei Tonnen Langkieler sich passend platziert) haben. Unsere Heckleinen (hallo Sven 😉 ) erweisen sich wieder so eben zu kurz, es sei denn, ich wollte die ganze Nacht mit ihren Enden in den Händen auf dem Heck stehen bleiben. Also alles retour, gemeinsam wird eine passendere Box gefunden und dort hin verholt.
Um uns wuseln dabei die üblichen Graubärte. Aber auch viele Kinder und Jugendliche flitzen über die Stege, und das nicht nur fein ausstaffiert für den Yachtie-Ausflug. Was für ein angenehmer Unterschied zu manch einförmiger Hafenstruktur. Wir fühlen uns super wohl. Ein paar Einheimische drehen ihre Segelrunden in den sensationellen Sonnenuntergang. Farbig leuchtet er über der sich hier breit in Richtung Sonne ausbreitenden Schlei. Danach sind wir offenbar allein im Hafen und genießen die Stille.
Gegen die Kälte hilft unser „Bernsteinzimmer“, wie Armin mir immer wieder den Stoff gewordenen geschmacklichen Tiefpunkt aller bekannter Segelmacherkunst schmackhaft zu machen versucht. Da friere ich doch lieber, als in der Nähe so eines das Boot verunstaltenden Zeltes gesehen zu werden! Aber auch meinen Vorschlag, dann doch wenigstens die Auf- und Abbauerei zu sparen, indem wir konsequent mit gesetztem Zelt segeln, stösst im Team auf Ablehnung.
Klaus hat uns schon mit seinem magischen Feldstecher erahnt, als wir auf dem Rückweg wieder die Insel Kieholm ansteuern. Wir legen kurz bei ihm an, erfahren die neuesten Entwicklungen bei seiner Boots- und Pumpenreparatur an seinem Folkeboot und machen uns auf den Weg, die nächste Brückenöffnung in Lindaunis zu erwischen. Wir erreichen sie sogar verfrüht und nutzen die Zeit für einige Segelschläge hin und her. Wie offenbar sowieso eigentlich — ohne das nun zu sehr zu verklären — vor allem die Folkeboote auf der Schlei zu segeln scheinen. Andere nutzen sie eher als schnell zu überwindende Transitstrecke in Richtung Ostsee, auf der es vor allem die zwei Klappbrücken optimal zu timen gilt.
Segel-Plan B – aber richtig
Pött-pött-Pött — der Motor des wertvollen Oldtimer-Flugzeugs geht mehrfach an und aus, bevor es in einem Feld eine etwas suboptimale Bruchlandung hinlegt. Das Video, in dem ein erfahrener Profipilot seine Fehler analysiert, hat mich sehr beschäftigt. Nun, als Armins Arme und ein Heckpfahl unseren Bug vor Kontakt mit dem vor uns liegenden Boot bewahren, kommt mir dessen Kernaussage wieder in den Sinn: ein einmal eingeleiteter Plan oder Manöver soll auch vollendet werden. Möglichst wenig hin und her. Wir wollten hier eigentlich paar Boxen weiter anlegen im Zwischenstopp Lindaunis. Schnell umentschieden — oh, hier ist ebenfalls frei und die Aussicht schöner — habe ich die Kurve dann jedoch nicht mehr ganz geschafft. Sicher nicht vergleichbar mit einem Notfallplan der Fliegerei, wo ständiges Umentscheiden („ach, das schaffe ich schon … oder doch nicht … ach klappt schon … ohhh …) das Gehirn überfordere. Ein abgesprochenes Manöver klappt aber halt nur dann, wenn man es auch praktiziert. Also erst mal weitergleiten, anhalten, gucken, dann in Ruhe zurück. Unsere Schäden jedoch halten sich seit Jahren — bis auf einen seltsamerweise plötzlich gekürzten Flaggenstock — sehr in Grenzen. Zu Zweit zu reisen, hilft da natürlich ungemein. „Alles nicht so einfach, wenn man alleine segelt“, bedankt sich ein kurz danach eintreffender weiterer Folkebootsegler neben uns beim Annehmen seiner Leinen: seine zersplitterte Bugspitze zeugt von einem frischen Kontakt mit dänischem Beton bei zu viel Wind.
Wir Glücklichen
Eine richtig gute Entscheidung war dagegen, unsere Startideen den Umständen entsprechend bald an den Haken zu hängen. Nach drei Jahren wollten wir 2022 ja endlich wieder Dänemark erreichen. Nicht auszudenken der Stress und die Stimmung, wenn wir laufend umgeplant und überlegt hätten, ob wir in den letzten Tagen doch noch auf Biegen und Brechen irgendwie nach DK gelangen könnten. Für Segel-Spaß, eine gute Zeit zusammen auf dem Wasser oder inspirierende Begegnungen ist dann auch egal, ob man fünf, 50 oder 100 Seemeilen gesegelt ist.
Und den Beutel mit dänischen Kronen werden wir auch so noch in Eis und Hot-Dogs getauscht bekommen!
Eine sehr schöne Reise mit Euch, wenn auch mit nötigem Abstand meinerseits. Wenn das Boot eine Toilette hätte…..