Durch seine lange Geschichte — das Folkeboot feierte 2017 sein 75jähriges — bildete sich eine Menge an Know-how und Fangemeinden rund um dieses klassische Segelboot. Was aber, wenn man als Spaßsegler von anderen Bootstypen für eine (Charter-)Tour auf das Folke umsteigt? Hier habe ich die wichtigsten Tipps zusammengetragen, die in einer leicht angepassten Version auch von www.klassisch-am-wind.de übernommen wurden.
Nach den ersten zwei wunderbare Folkeboot-Touren zählten wir sicher nicht zu den ausgebufften Spezialisten dieser Boote aus Holz oder GFK mit Tradition in Kerteminde. Zumal wir erst danach entdeckten, dass hier in NRW, fast bei uns nebenan, eine der größten Folkeboot-Flotten heimisch ist. Aber mit zusammen rund 30 Jahren Erfahrung am „Segeln nur zum Spaß“ bei uns zwei Folkeboot-Einsteigern ergab das 2017 eine besondere Kombination: Wie fühlt man sich als „erfahrener Segel-Folkeanfänger“ auf einem gecharterten Folkeboot, mit dem man sich ein wenig auf der Ostsee herumtreiben will?
Bevor wir uns also zu sehr daran gewöhnten und Folkeboot-Routine entwickeln, hier rückblickend und zwischendurch aktualisiert unsere subjektiven Tipps „Folkeboot für Anfänger“! Gesammelt auf Folkebooten, gechartert bei www.klassisch-am-wind.de
Folkeboot-Routenplanung
Mit einem Segelboot einfach von A nach B bzw. einer bestimmten Insel fahren zu können – na das wäre ja zu einfach. Besonders trifft dies für kleine Boote wie das Folkeboot zu. Es ist zwar wirklich seetüchtig. Unsere allerersten Runden haben wir als Training direkt bei viel Wind und Welle gedreht. Was gut war: Platschnass wussten wir jetzt, was geht. Aber wie bei einem größeren Schiff die Maschine anschmeißen und gegen das Wetter anbolzen, das funktioniert einfach nicht. Man muss sich arrangieren, das Wetter checken, die Karte studieren. Direkt einen Plan B bereitlegen, Alternativen durchdenken, viel Reserve einrechnen. 2017 als auch im Vorjahr drohte uns über die Tage Wetterverschlechterung, die es einzukalkulieren galt. Man fährt da nicht einfach nach Hause. Und die Bedingungen scheinen ja tendenziell eher instabiler zu werden.
Die erreichbaren Strecken sind deutlich kürzer, als man das von anderen Ostsee-Touren geplant ist. Beides Mal haben wir unsere Strecken daher verkürzt – und sind damit zufrieden gefahren. Dem Stress wollen wir uns nicht aussetzen, womöglich auf Biegen und Brechen bei Bedingungen, die (uns) echt keinen Spaß mehr machen, zurückfahren zu müssen, weil die Segel-Charter-Zeit endet und der Job ruft. 2021 und 2022 erforderten die Umstände “aus Gründen” sogar, dass wir uns nur mit kurzen Törns in der Schlei umsehen. Für andere Segler ist das ja nur eine Transitautobahn zur Ostsee. Hatten wir daher weniger Genuß als auf der Ostsee? Nein.
Dass man mit dem Folkeboot also „dichter dran“ ist an Natur und Wetter, bedeutet auch, sich mehr auf die Elemente einzulassen und davon führen zu lassen. Dazu muss man nicht esoterisch veranlagt sein – alles andere tut einfach nur mehr weh, wenn’s schief geht. Und schief gehen kann schon eine Menge auf dem Wasser.
Folkeboot: Behäbig. Berauschend. Schnell.
Nicht nur in Köln ist „Jeder Jeck anders“, auch jedes Boot hat seinen Charakter. Wenn man gerade von einer Jolle kommt, staunt man schon im Hafen über die Stabilität des Folkebootes: Man läuft vom Bug seitlich zum Want – und man klatscht nicht gleich ins Wasser! Der lange und schwere Kiel braucht schon einige Anregung, bis sich das Boot zur Seite neigt. Da ist die Gefahr größer, dass der Fuß über ein Landstromkabel auf dem Seitendeck wegrollt oder die Fußspitze unter einem Festmacher hängt und man so den Abgang ins Hafenbecken macht. Aber das heißt nicht, dass man mit dem Folkeboot nur hinterher fährt! Unsere allerersten eigenen Folkeboot-Minuten führten uns damals durchs enge Schlei-Fahrwasser in Richtung Lotseninsel auf die Ostsee, umgeben von vielen gleichgesinnten Segeln (nicht zu vergessen dem grottenhässlichen Touristendampfer im Gegenverkehr). Womit mir nicht gerechnet hatten: Dass wir direkt zu einigen Überholmanövern – wo ist hier die Bremse? – mit Schweißperlen auf der Stirn „gezwungen“ wurden. So langsam, wie einige andere Boote hinauströdelten, ließ sich das Folke gar nicht segeln.
So viel Sicherheit, wie das Folkeboot einem Umsteiger aus Jollenperspektive bietet, mit so viel Jollen-ähnlichem Segelspaß überrascht es den Dickschiffsegler: Man sitzt sicher und geschützt, aber ganz, ganz dicht am Wasser und kann sich daran geradezu berauschen.
Folkeboot-Manöver und Außenbordmotor
Mit der gewissen Langkieler-Behäbigkeit sollte man sich dann auch im Hafenmanöver arrangieren. Das Boot mal eben mit back gehaltener Fock oder einem Tritt gegen einen Pfahl drehen – vergiss es. Zwei Tonnen plus vor allem der Laaaaangkiel stellen sich da stur. Andererseits: Bei kräftigem Seitenwind wird die Boxengasse nicht ganz so schnell zu schmal, weil der Kiel jetzt schön stabilisiert (und der niedrige Aufbau sich duckt). Aber hier spielt ein Außenborder seine (immerhin) Stärke aus: Gedreht bis maximal komplett quer gestellt lässt er sich als „Heck-Querstrahlruder“ nutzen. Das Geheimnis lautet hier: Motor komplett 90° drehen. Nur einkuppeln (vorwärts), ganz wenig (Stand-)Gas, und: Geduld, Geduld, Geduld. Dann bekommt man das Boot zentimetergenau gedreht. Wenn möglich, bucht doch eine kleine Trainingsrunde bei einem Skippertraining (macht ja eh immer Sinn).
Außenborder-typisch auch das Verhalten bei Rückwärtsfahrt: Ein kurzer Rückwärtslauf hat kaum Wirkung. Wer vom Dickschiff gewohnt ist, mit einem kurzen Schub rückwärts aufzustoppen, bekäme danach einen Eindruck von der Schlagkraft der Bugspitze in das gegnerische Material. Da stoppt gar nichts. Viel Gas hilft auch jetzt wieder nix. Es kommt einem nur die Schraube jaulend aus dem Wasser nach oben entgegen, um sich mal in der frischen Hafenluft umzusehen). Und bei Rückwärtsfahrt gilt ebenso: Wenn das Boot einmal in Bewegung gekommen ist, lässt es sich so schnell nicht wieder davon abbringen. Also auch hier: Manöver besser in Zeitlupe, das Hafenkino darf in Slowmotion präsentiert werden. Seitenstöße besser mit gedrehtem Motor und Vorwärtsschub statt rückwärts eingekuppelt. Ziele wenn möglich gegen den Wind ansteuern – korrigierender Vorwärtsschub, wenn man verhungert, geht. Abbremsen kaum. Die zwei Tonnen bremst Ihr auch nicht mit den Händen.
Außenbordmotor: verflixt und zugenäht
Überhaupt: der Motor! Sieht ja schon mal total sch… aus da hinten am klassisch-eleganten Heck! Nicht nur, dass man beim Manövrieren Gashebel plus Ruderpinne parallel bedienen muss – man hat die dann gerne über Kreuz. Dazu die Festmacher, und den Benzinschlauch sollte man auch nicht mit dem Knie abklemmen oder gar beim Lenken abreißen. Man kommt auch kaum an die Schaltung dran und hockt auf Heck und Aufholschlitten des Motors wie der Affe auf dem Schleifstein. Geschätzt 50% unserer blauen Flecken stammen von diesem „gemütlichen“ Platz mit wunderbarer Aussicht.
Dass man sich dort auf dem Heck bei Welle kaum halten kann, ist dagegen nicht so schlimm: Bei Welle hilft der Außenborder eh nix, so lang kann sein Schaft gar nicht sein, dass die Schraube im Wasser bleibt.
Diese Frage – Außenborder nutzen oder nicht? – ist für uns daher eine der manchmal schwierigsten Entscheidungen. „Sicherheitshalber grundsätzlich mit Motor“ funktioniert nicht! Beispiele:
- Bei Windstärken über 5 voll auf die zwölf hätte die Strecke von Schleimünde nach Maasholm unter Segeln (dennoch sicherheitshalber bereits angeschlagen) kreuzend kaum funktioniert. Also mit Motor gegenan.
- Andererseits sind wir beim Versuch, unter Motor von der Ostsee bei Wind gegen Welle in Schleimünde in die Schlei hineinzukommen, mit dem Motor gescheitert. Zurück auf die Ostsee, wieder unserer Segel besonnen und dann erfolgreicher Anlauf unter Segeln. Die Schleimünde-Touristen bestaunen derweil Euren Unterwasseranstrich in dem Wellen-/Strömungschaos. Augen zu und durch.
- Aus Norden kommend sind wir mit über 7 Knoten raumschots durch die Einfahrt in den Hafen Marstal gebrettert (verstößt bestimmt gegen die Hafenordnung). Aber wie will man da vorher die Segel weg bekommen, den Motor drückt man bei dem Speed ja nicht ins Wasser, und samt Halterung abreißen will man ihn ja auch nicht sehen.
Idealerweise plant man also so, dass die Strecke theoretisch ohne Motor funktioniert. Vorausschauend planen.
Folkeboot-Ausrüstung und Unterschiede zum „Dickschiff“
Wenn der Vercharterer bei der Einweisung schon wieder einen Satz mit „Typischerweise ist auf einem Folkeboot hier …“beginnt, weiß man: Jetzt kommt schon wieder eine Erklärung, warum irgendetwas … komisch ist. Gegenüber manchen Booten mit Camping- oder Nahkampf-Totalausstattung erscheint so ein Standard-Folkeboot spartanisch. Es leuchtet einem keine Instrumentenwand entgegen, ohne Logge, Tiefenmesser, Plotter, Windanzeige … Aber woher der Wind kommt, das hört und sieht man doch auch so, oder? Und die Wassertiefe vor dem Boot kann man eh nicht messen. Ein paar Basisdaten lieferte uns ein Garmin-GPS, das wir aber noch immer nicht richtig kapiert und selbst ergänzt haben: Ein SpeedPuck aus Ebay am Mast signalisierte deutlich unsere Geschwindigkeit, da guckt man auch ohne Regatta-Ambitionen dauernd drauf. Er trackt super detailliert und saugt nicht das Smartphone leer. Aber manchmal haben wir ihn mit – und hängen ihn gar nicht raus. Die vermehrte Smartphone-Nutzung zeigt sich auch hier (auch wenn das nicht halb so fix den Wenden folgt).
Ganz nützlich wäre ein Tiefenmesser dann vermutlich manchmal schon. Im Museumshafen Kappeln zu weit ausgeholt steckt man schnell im Schlick. So festgesaugt kommt man dem Hörensagen nach auch nur wieder raus, wenn man eine Leine zu einer Winsch auf einem der Traditionssegler rüberlegt.
Strom braucht man ansonsten für Smartphone und/oder Tablet, da haben wir einige Powerbanks plus USB-Lader dabei. Nach fünf Stunden Segelei hat so ein Tablet doch gut was weggezogen. 2022 hatten wir erstmals einen festen USB-Port dafür (12-Volt-Buchse via Bordbatterie, dort einen Adapter auf USB rein.) Das entspannt echt unterwegs. Der Anschluss war nur Nähe Großschot unter die Bodenbretter gelegt, sprich man trat immer aufs Kabel oder verhedderte Leinen darin. Da gibt es bessere Orte im Cockpit. Der Hitzeschutz gegen Elektronik-Abschaltung ist im Sommer auch ein Thema.
Papierkarten haben wir immer am Start, 2017 zwischendurch einen weiteren Satz der Kartenwerft, deren Schnitte sich prima auch aus Entfernung im Cockpit lesen ließen. Ansonsten NV Verlag.
Zusätzliche Navi-Apps bieten ein deutliches Informationsplus: Wir planten anfangs selten konkrete Wegpunkte in die Software. Aber in einem engen Fahrwasser mal eben das Smartphone aus der Jacke zu ziehen und sich zu vergewissern, wo man gerade ist und wo die nächste Tiefenlinie verläuft – das hat uns überzeugt. Nach einigen App-Wirren hat uns (Stand 2022) NV Charts am meisten überzeugt: Gute Karten, pausenlos App-Verbesserungen, Cloud-Nutzung über mehrere Geräte. Einige der Features haben wir beim Marktstart der App mit vorgeschlagen oder kritisch begleitet – das Team in Eckernförde ist super am Nutzer.
Die Positionslichter liegen in einer Kiste unter Deck und müssten aufgesteckt werden, Nachtfahrten sind für Charterer aber eh oft absprachebedürftig. Da wir zu Zeiten der hellsten Nächte unterwegs sind: wir haben sie noch nie ausprobiert.
Folkeboot-Segel
Das Großsegel ist nicht reffbar. Das Boot verträgt aber sehr viel Wind – sagt man, wir machen da meist lieber Pause. Wir hatten aber auch schon stürmische Phasen, da hätte ein Reff besser funktioniert, als die Groß zwangsweise zu weit öffnen zu müssen. Also wir jedenfalls haben da den Dreh nicht raus und wir ärgern uns, dass man in solchen Situationen nicht schlauerweise einfach die Segelfläche verkleinert kann.
„Typischerweise hat man auf einem Folkeboot“ auch keine rollbare Fock, die ja – gerade, wenn man wenig Motor nutzt – eine Menge Vorteile bietet, um die Segelfläche in Manövern schnell mal kleiner oder ganz weg zu bekommen. Richtig traditionell ist ein Vorsegel mit Druckknöpfen an den Stagreitern, und irgendwie ist das auch ein schönes Gefühl, das Segel so gemächlich anzuschlagen.
Was „fehlt“ noch – ach ja: der übliche Gartenzaun ums Boot herum. Stört aber bei so einem Boot sowieso eher als dass eine Reling nützt. Nur der Schritt vom Steg auf den Bug ohne rechte Möglichkeit, sich festzuhalten, bedarf je nach aktueller Gelenkigkeit einiger Gewöhnung. Zumal die Bugspitzen meist ganz schön vollgebaut sind mit Klampe(n), Steckdose usw. und in manchen Häfen eine enorme Höhendistanz zum Steg entstehen kann.
Toilette auf dem Folkeboot
Von Bord muss man natürlich auch für andere Geschäfte, z. B. zum Duschen. Haben die Sanitäranlagen jedenfalls noch nicht weiter an Bord gesucht. Wir können uns auch nicht richtig merken, welche Münzen man jetzt für die Duschautomaten benötigt: Waren es hier 50 Cent, dort 10 dänische Kronen, dann wieder Kreditkarte für die Hafengebühr incl. Code … Und hat man mühsam Münzen gesammelt, steht man im nächsten Hafen vor einem Wechselautomat, der einem das alles gerne abnimmt.
Ein WC haben wir bisher nie vermisst, und man muss sich dann ja auch nicht drum kümmern. Einmal wurde es tatsächlich spruchreif, weil Häfen pandemiebedingt nur für Boote mit eigenen Sanitäranlagen öffnen durften. Da hätte man sich mit einer portablen Lösung helfen müssen, wir haben da aber null Erfahrung.
Verpflegung auf dem Folkeboot
Viel Strom gibt es an Bord nicht, selbst eine Kühlbox haben wir uns gespart und ein paar Sachen stattdessen in die Bilge gelegt. Die ist nur so „kalt“ wie die Ostsee, aber man kann sich lebensmittelseitig drauf einstellen. Käse bekommt man schon ein paar Tage durch, Wurstwaren würden wir uns nicht trauen.
Wir pflegen eine ausgefuchste Rezeptliste, die von unseren Frauen etwas abschätzig als „das ist maximal ein Einkaufszettel“ abgekanzelt wird.
Was im Berufsalltag aber sonst oft schwer umzusetzen ist, klappt hier prima: wir verdrücken Berge von frischem Obst und Gemüse. Und richtig „viel zu viel“ hatten wir bisher nicht dabei, es kann ja immer passieren, dass die lokale Pølserbude (zumal außerhalb der totalen Hochsaison) nach dem Anlegen schon geschlossen hat. Gut, wenn man dann eine Gaskartusche in den Kocher schieben und die Kartoffeln in die Pfanne werfen kann.
Folkeboot aus Holz: Atmosphäre, aber trocken halten
Das ist so eine tolle Stimmung an Bord, man kann es kaum beschreiben. Viel trägt dazu der Holzbau bei, er riecht und fühlt sich einfach wunderbar an. Nachteil: es wird auch einmal feuchter werden. Lange Strecken auf einem Bug können schon dazu führen, dass ein Teil der Bordwand – sonst eher hoch und trocken gelegen – etwas mehr Wasser zieht. Wir hatten dann auch schon Wasser in der Pfanne stehen. Zumal da der Schwimmer der elektrischen Bilgenpumpe (Dauerproblem) etwas zu lange unbemerkt hakte. Schlafsack und Klamotten stopfen wir unterwegs daher immer in dichte Packsäcke. Das hilft auch der Ordnung, weil nach ein paar Wenden alles herumfliegt, was nicht in Schränken oder Taschen weggepackt ist.
Auf eine klamme Koje (auf die wir noch eine selbstaufblasende Isomatte werfen) haben wir also keine Lust. Interessanterweise bildete sich innen aber nie Schwitzwasser an den Wänden, wie es bei den „Plastikbooten“ üblich ist. Wir haben aber nachts auch immer dieses potthässliche, aber überaus nützliche Kuchenbuden-Zelt aufgebaut, das viel Feuchtigkeit von Cockpit und Aufbau fern hält. Und abends grundsätzlich den kleinen Elektrolüfter auf kleinster Stufe das Boot einmal durchpusten lassen.
Das Raumangebot ist natürlich … eingeschränkt. Ohne alles penibel zu sortieren und zu packen dreht man durch und sucht sich tot. Und auch nach einer Woche stoßen wir uns noch immer den Kopf blutig. Aber mal ehrlich: In der Hundekoje eines üblichen Fahrtenschiffes schläft man unbequemer, als zu Zweit im Folkeboot. Unter dem Bug gibt es zwar auch noch eine Liegefläche, aber da lagert bei uns das Gepäck (und der nervige Tisch, mit dem wir nicht recht etwas anzufangen wissen).
Landgang
An uns sind also wirklich keine „Fernfahrer“ verloren gegangen: Immer haben wir uns umfangreiche Strecken ausgedacht – aber überhaupt nicht umsetzen können. Wir haben dennoch wunderbare Orte entdeckt! Vielleicht liegt es auch daran, dass wir in NRW eh von März bis November auf dem Wasser sein können. Aber wir genießen auch Hafenatmosphäre (luxuriöserweise müssen wir nicht in Schulferien reisen) und Landgänge. Wer Dänemark (wie ich früher) langweilig findet, sollte die kleinen Inseln erkunden – hier gibt es so viel zu entdecken außerhalb des Radius’ von Landstromanschluss und Sanitärgebäude. Und anders kommt ihr da nicht hin!
2017 zählte zu unseren Segel-Highlights, am späten Nachmittag noch über Strynø zu wandern. Aus dem Gebüsch lugte plötzlich ein sonderbares „Boots-Klavier“ – da muss man doch direkt mal gucken. Die totale Überraschung: Es ist das berühmte Smakke-Center, über das wir schon öfters interessiert gelesen hatten. Und wie es der Zufall wollte, erbarmte sich ein Mitarbeiter unserer und bot uns eine private Sonderführung durch das Gelände und die Werkstatt, in der die berühmtenSmakkejollen gebaut werden, bevor er dann endlich in den eigenen verdienten Feierabend davonfuhr.
Folkeboot-Charter: Locals fragen
Den Mund aufzumachen und zu fragen lohnt sich immer. Stegnachbarn, die einem ihr gesammeltes Seglerwissen von ihrer schwimmenden Gartenlaube herunter ungefragt referieren, können zwar nerven. Über die gewisse Arroganz einiger Segler, die jedem Segel-Charterer erst mal dessen Unbedeutsamkeit zu verstehen geben müssen, sollte man auch hinwegsehen. Aber sich gegenseitig wahrzunehmen, mit anzufassen und auch bei Mistwetter nochmal rauszugehen, um eine Leine anzunehmen, hilft ungemein, dass auch einem selbst Gutes widerfährt.
OK, bei unseren Befragungen eines örtlichen Fischers hat das nicht ganz geklappt: Gerade in der Box festgemacht stellten wir fest, dass die Wassertiefe hier genau unserem Tiefgang entsprach. Und wir wollten ja noch was schwere essen. “Nein, bei der Windrichtung wird der Pegel nicht weiter sinken.” Die Wasserlinie am Stegpfahl belehrte uns am nächsten Morgen eines Besseren: es verschwanden über Nacht nochmal 10 cm, sodass wir nur noch so gerade eben in einer freigependelten Kiellinie im Schlamm frei blieben. Aber in den meisten Fällen ist es eben zumindest beruhigend, wenn man nach Check diverser Wetterberichte und Abwägen einiger Routen feststellt: der Stegnachbar kam zu ähnlichem Ergebnis.
Im Zweifelsfall hilft auch eine Nachricht an den Vercharterer: Wir diskutieren Plan A oder B, was denkst Du? Wie viele Besonderheiten ein Revier bieten kann, kennt man ja aus der eigenen Region, warum dann nicht die Erfahrung der Locals nutzen. Spätestens, wenn der Stegnachbar beim eigenen verbockten Manöver wie aus dem Nichts am Steg steht und einen abhält, weiß man das zu schätzen.
Folkeboot-Freundschaft
Das Wichtigste zum Schluss – Armins spontane Antwort auf die Frage „Was braucht man denn für so eine Tour?“: „Einen guten Freund!“ Man könnte hinzufügen: Und der sogar dann noch mit einem weiterfährt, obwohl man ihn gerade (erfolglos) versuchte, vom Vorschiff zu werfen, indem man bei mächtig Wind und Welle irgendwie so blöd war, eine „Patent-Wende“ hinzulegen, worauf das Boot den Großschotblock auf einmal so verd… weit weg unter einem wegkippt. Erfahrung hin, Beherrschung her: Wirklich Spaß macht sowas nur, wenn man eingespielt und kompatibel zueinander ist. Wenn einer nur Strecke machen, der andere aber Urlaub erleben möchte, der eine die Stille, der andere die Herausforderung sucht – dann führt das vielleicht nicht zwingend zu offen ausgetragenem, aber mindestens empfundenem Stress. Klar ist aber auch: bei zwei Personen an Bord fährt niemand nur so mit: Beide sind aktiv eingebunden und gleich beteiligt, müssen sich aber auch aufeinander verlassen können.
Nach einer Wanderung zufrieden zurück auf dem Boot, in der einen Hand ein Glas, mit der anderen Hand auf dem herrlich schmeichelnden Holz, kann es dann eigentlich kaum einen schöneren Platz geben.
OK, gespült werden muss auch wieder.