„Bitte höflichst, an Bord kommen zu dürfen!“ Schwupps sitzt er nach geübten Schritten längs des mittschiffs schmalen Holzdecks, wo sich unterm Fuß auch noch Schoten und Landstromkabel rollen, bei uns im noch mäßig sortierten Cockpit. Streckt den Hals und schaut sich begeistert rundum um im Folkeboot , das wir eben hier in der versteckten Mjelsvig festgemachten haben. Nun schaut er uns an: „Ward ihr das, die da den ganzen Als Sund hochgekreuzt sind? Ich hab Euch nachmittags überholt.“ „Ja, hat super Spaß gemacht!“
Er freut sich, hat er sich doch gedacht. Aber … „ich hatte zwei Frauen an Bord, denen dauert das zu lange“, sucht er nach einer Erklärung für seinen eigenen, geraden Motorkurs. Der intensive Blick auf Raps beidseits des Sundes – ist ihnen alles entgangen, denken wird. Knalliges Gelb, leuchtendes Grün, direkt vorm hölzernen Bug. Nur im sanften Zickzack-Kurs – die Augen auf der Wasserfärbung, GPS und Tiefenlinien, die Hand schon fast am Senklot – kommt man doch so nah an den liebevoll restaurierten Anwesen im Schilf vorbei. Oder dem Nachbau eines Nydambåden, der Vorstufe der Wikingerboote: Neben windschief gekippten Stegresten liegt es dort in Sottrupskov, der Enge im Alssund, die den Dänen im Preußisch-Dänischen Krieg 1864 zum Verhängnis wurde, als hier große Truppenteile überraschend übersetzten. Mit großen Folgen: in Lauenburg, Holstein und Schleswig, schon ewig gemischt bewohnt von Dänen, Deutschen und Friesen, weht seitdem nicht länger Dänemarks Dannebrog als Landesflagge.
Unser Track sieht aus, als wollten wir die beiden Ufer des Sundes mit einer Zickzack-Naht wieder verbinden, aber am nördlichen Ende geht es nach Querung des Augustenborg Fjords rechts ab tief in die Dyvig, und nochmal reingeschlängelt in die hinterste Ecke der Mjelsvig. Die Ansteuerung ist sehenswert, wenn auch nicht besonders schwierig: Wenn man sich denn an die Bojen hält, und nicht wie der Show-your-money-Segler, der mich überholend mit seinem Schwell fast vom Heck und die badenden Kühe ans Ufer wirft, kraft seines Status’ eine Abkürzung genehmigt. (Ich denke, er hat sich mittlerweile runtergearbeitet vom Schlick.)
„Und das ist also Euer Boot?,“ staunt unser Gast, und schaut den Mast hinauf, wo er nachmittags die frühe Segelnummer entdeckt hatte, die nah an seinem eigenen Klassiker einzuordnen ist. „Nein“ – wir erklären nach mittlerweile etlichen Jahren und Touren mit „Jacaranda“ routiniert, dass wir dieses 1946 gebaute, damit älteste noch segelnde dänische Folkeboot wie immer bei Mike Peuker gechartert haben.
„Ach so.“ Pause. „Na, ich kann mich ja trotzdem weiter mit Euch unterhalten!“ Und mittendrin sind wir in einer weiteren Unterhaltung über diesen urigen Bootstyp. Der Ausbaustand wird begeistert untersucht, Erfahrungen mit seinem eigenen Folke zum Besten gegeben, der Reiz des einfachen Reisens mit so einem reduzierten Boot ohne allen Schnickschnack diskutiert.
Ein spooky Start
Wir waren vor drei Tagen in Maasholm gestartet. Die Strecke zur Mjelsvig schafft man je nach Wind auch in einem Tag, und gerade frage ich mich, ob ich jetzt mal ehrlich nicht lieber mit dem nebenan liegenden Schiff unseres Besuchers weiterfahren würde: Platz, Komfort, Heizung, kräftiger Motor. Denn statt schon an Tag 1 unseres Wochentörns hier hochzuflitzen, ist bereits nach der allerersten Seemeile klar: Auf den Tourstart folgt direkt ein Zwischenstopp: Nebel zieht über die Schlei, man sieht die Hand vor Augen kaum. Wenn wir die nächste Fahrwassertonne gefunden haben, hängt da manchmal schon ein anderer Segler mit einem Stück Leine dran, um nicht vor einen größeren Bug zu geraten: Null Sicht ist jetzt irgendwie uncool. Wir sind nicht lebensmüde, müssen uns auch nichts mehr beweisen, ein Radar werden wir kurzfristig nicht nachrüsten – also direkt wieder abgebogen nach Schleimünde rein. Hier teilt sich das Seglerfeld: Die einen machen es uns gleich, der idyllische Naturhafen füllt sich zügig, in alle engen Lücken wird ein Boot nach dem anderen reingequetscht. Andere tasten sich doch weiter durch den Nebel auf die Ostsee raus. Aber selbst von der Giftbude aus ist der Leuchtturm, der dort ein paar Schritte weiter im Nebel hängt, nicht zu sehen. Von See hört man es gespenstisch tuten, wie aus dem Nichts tauchen hier und da die Riggs der Traditionssegler vor Schleimünde auf. Das sind schon beeindruckende Special Effects, aber völlig illusorisch, dass uns jemand mit unserer – sicher originalgetreuen, aber nur kläglich hupenden – Mundtröte auf dem Wasser wahrnehmen würde. Wir bleiben also über Nacht. Auch übers Frühstück und den Vormittag bleibt nebelig. Mit Windvorhersagen ist man unterwegs eh dauernd busy, aber so ein zäher Nebel als Störenfried ist uns neu. Also nutzen wir die Zeit, unsere etwas kurzen Heckleinen zu checken. Oder uns mal mit dem Taupunkt zu befassen. Wir finden sogar eine App, aus der wir ihn auslesen und für eine Abschätzung des Nebelverlaufs nutzen können; wieder etwas Wissen aufgefrischt. Mittags endlich steigt die Lufttemperaturen über diese Schwelle, es klart auf. Raus aus der Schlei und bei jetzt bestem Segelwetter auf den Weg nach Sønderborg, immerhin. Drei Jahre schon haben wir bisher wetterbedingt einen Bogen drum gemacht. Meine norddeutsche Familie whatsappt mir unterwegs Zeitungsschipsel: Notizen zu den Seglern, die am Vortag von der DGZRS wegen mangelnder Sicht von Untiefen geschleppt werden mussten. Dann doch lieber auf der Lotseninsel rumdösen und in den Nebel starren.
Das ist mal Service: Mike sucht uns auf der Ostsee und bringt Festmacher Mike bringt uns eine Leine vorbei
Entlang der Küste ist nun viel Betrieb, aber nicht jeder scheint die Ausweichregeln zu beherrschen: Ein entgegenkommendes Plasteboot macht auf Kollisionskurs komische Manöver. Wir können uns nicht recht freihalten, nun dreht es auch noch einen Kreis um uns: Überraschung, Bootseigentümer Mike hat uns aufgespürt! Wir nähern uns auf Rufweite an, schon gut Wind und einige Welle, man muss sich jetzt hier nicht die Riggs verhaken. Mit einem kräftigen Wurf landen zusätzliche Heckleinen bei uns an Bord. Wenn das mal kein Kundenservice ist! Unseren dafür überzähligen zweiten Handkompass schicken wir aber lieber nicht in Gegenrichtung zurück. Wir diskutieren noch kurz gemeinsam, wo wohl der Rest seiner Folkeboot-Flotte sei – da kommen sie schon ebenfalls vorbeigezischt und Mike sagt auch dort noch schnell hallo.
Endlich Kurs Nord
Ab jetzt bestes Segelwetter, um nördlich weiterzukommen. Im Yachthafen Sønderborg waren Armin und ich zusammen noch nie, wir orientieren uns über die verschachtelten Molen und haben ein etwas mulmiges Gefühl angesichts eines regelrechten Mastenwaldes, der vor uns liegt. Sønderborg bleibt aber unser einzig voller Hafen jetzt Mitte Mai, zudem unser teuerster Stopp. Vielleicht hätten wir mit mehr Geduld doch noch die eine Handbreit schmalere Box gefunden – berechnet wird hier ja nach Liegeplatzbreite. Aber es pfeift zu sehr im Hafen, als dass man unnötig viele Runden drehen möchte. Auch wenn Armin ganz beeindruckt ist, wie wir trotz des Windes das Boot in einer der Gassen wenden. Dass dieser Move gar nicht geplant war, gestehe ich erst später – aber so ist das beim Segeln: Auf Plan B folgt häufig noch Plan C.
Kalkgrund Steuerperspektive: Wo ist die Lücke in der Mole? Schöner Platz in Sønderborg Stadthafen mit einem so hohen Kai, dass wir kaum aus dem Boot kämen
Abends laufen wir über die erst aufwändig neu gepflasterte und dann wieder durch Überflutung zerstörte und wieder reparierte Promenade in die Stadt. Vorbei am Sønderborg Vikingeklub („Winterbadeverein mit Sauna“) und dem Schloss Sønderborg, um dem „Butt im Griff“ von Günter Grass am Altstadtkai mit dessen freundlich gestrichenen Hausfassaden einen Besuch abzustatten. Der in Bronze gegossene Fisch schaut in Richtung Nord zur „Kong Christian den X’s Bro“. Diese nach König Chrstian dem X. benannte Brücke wird sich am nächsten Tag – immer um „38“ – für uns öffnen und den Weg in den Als-Sund freigeben, nachdem man noch am Ufer beeindruckt Universität und Bibliothek passiert hat.
Schweinswal am Augustenfjord Danke, wir sind gleich weg Seekühe? Masten an Land? Einfahrt in die Dyvig
An der Nordspitze hängengeblieben
Auf halber Strecke hängen wir nun also nach dem nächsten Tag und wunderbarem Alssund-Zickzack in der Mjelsvig fest: es stürmt und pfeift. Im Hafen hat bereits ein Schweinswal spektakulär direkt an unserem Steg neugierig die kleine „Vig“ (Bucht) erkundete. Was soll nun noch kommen, wir haben langsam alles gesehen. Man bringt uns die Namen der Schwäne bei, beim Haareschneiden im Seglerhaus rekaputalieren die Senioren ihre Vergangenheit und man ahnt, dass Sitzgruppe und Küchenzeile die Geschichten nicht zum ersten Mal vernehmen. Man berichtet uns, dass die den Hafen betreibende Familie noch eine Schweinezucht bewirtschaftet, auch Pferde hält. Reiten lernen wollen wir kurzfristig aber nicht und verlegen stattdessen endlich das Boot an einen anderen Liegeplatz, wo uns der gedrehte Starkwind nicht länger die Wellen aufs Heck (und damit nachts in die Wirbelsäule) trommelt. Wir laufen los entlang des Ufers und über die Hügel durch Felder und kniehohes Gras, bis Schuhe und Hosen vor Nässe triefen. Lümmeln uns am Ufer der Dyvig auf weich geschwungene Holzbänke. Der Wind aus grauem Himmel dreht die Ankerlieger langsam und synchron in der Bucht und soll uns etwas die Nässe aus den Hosenbeinen trocknen. Der Blick reicht auf den verrauchten Kiosk gegenüber, vor dem die Dauerlieger ihre Bierbüchsen lenzen. Wir trödeln rüber und genehmigen uns noch einen blau-schwarzen Plattenbrenner-Kaffee. Nach ein paar hügeligen Schlägen kreuz und quer, in von einsamen Anwesen gestoppten Sackgassen, durch eine ausgebüxte Schafherde und entlang ansteigender Koppeln finden wir doch noch die bekannte, auch vom Wasser aus kaum sichtbare Durchfahrt in diese Buchten. Wie eng man sich zwischen den berühmtem historischen Stangen der „Steg Gaf“ in die Mjelsvig und Dyvig hineinschleicht, misst man eigentlich erst hier vom Ufer aus richtig. Fast könnte man diese Engstelle, auf deren Grund mittelalterliche Pfahlreste ruhen sollen, auch in ein paar Schritten durchwaten. In der Saison ist hier Hochbetrieb, heute baden nicht mal Kühe. Schließlich suchen wir noch den Biohof, der auf einem der typischen Aushangzettel vielversprechend an einer hölzernen, verwitterten Schuppenwand angeschlagen war. Wir finden die Straße, laufen diese auf und ab, aber der erhoffte Hof entpuppt sich als typisch dänischer, vereinsamter Verkaufsstand am Wegesrand: Aus einer Kühlbox kann man Eier greifen, wir entscheiden uns aber für ein paar Becher Honig als Mitbringsel. Die gewünschte Summe klimpern wir als Münzen mit und ohne Loch in die angeschraubte Spardose — denn mit dem ebenfalls angebotenen dänischen Smartphone-Payment kennen wir uns noch nicht aus.
Pfeift uns das aufs Heck – wir müssen für die nächste Nacht das Boot umlegen Mjelsvig (Mjels-Bucht) Kekse aus Bochum und Frankreich Mjelsvig Mjelsvig Mjelsvig Schweinswal kurvt um die Boote im Hafen Immer noch hier – Dyvig und Mjelsvig Der im Hafen groß angekündigte Hofladen
Halbzeit-Marine-Knaller
Erst nach zwei Tagen kommen wir weiter, kurven oben um Als herum. Der Wind steht günstig, aber so kräftig und leicht drehend, dass wir wegen der uns schräg schiebenden Welle trotz Bullenstander den tiefen Vorwind-Kurs scheuen. Wir schlagen stattdessen einen Haken weiter auf die Ostsee und steuern leicht höher. So laufen wir stabiler und sind zufrieden, als aus dem Nichts eine Explosion die Stille zerreißt: Es rummst und bebt, aber nicht an Bord, sondern schräg vor uns: Eine riesige, trotz ihrer Entfernung beeindruckende Wasserfontäne erhebt sich. Es dauert eine Weile, bis sich der Pilz aus Wasser und Dampf auf seiner ganzen Breite wieder abgeregnet hat. Vor Schreck vergessen wir, ein Bild zu machen, was ist das um Himmels Willen? Schnell noch mal die Karte gecheckt: Das dänische Marine-Sperrgebiet liegt in sicherer Entfernung, aber doch in Verlängerung genau vor uns. Was auch immer das für ein Böller war – wenn der neben einem hochgeht, kann man die nächsten Winterlagerarbeiten wohl getrost absagen.
Tonnen-Slalom zurück Ausfädeln aus der Dyvig Nordwestspitze der umrundeten Insel Als Mordsdetonation im Schießgebiet Frühstück unterwegs Eigentlich zu viel Wind und Welle für uns Nach dem Schleudergang Etwas viel Wasser im Boot – bis unter die Bodenbretter Boot mit der Handpumpe lenzen Kaffeepause Einmal Kojen durchtrocknen Last Stop Mommark
Wir cruisen zügig weiter, erwägen immer wieder als weiteres Zwischenziel Avernakø. Die Karten dazu haben wir längst mehrfach studiert und wollen die markante Doppelform nun auch noch einmal mit den Füßen im Inselkies statt nur dem Finger auf der Karte erkunden. Gehen aber doch auf Nummer sicher – wie gut kämen wir von dort beim erwarteten Wetter zur Flensburger Förde raus? – und nehmen Kurs nach Mommark vor uns. Nach Passieren seiner markanten, leicht windschiefen Leuchttürme erschreckt uns zum ersten Mal in unserem Leben ein so leerer Hafen, dass an Bord schlagartig eine panische Agoraphobie um sich greift: So viele leere Liegeplätze, man weiß ja gar nicht, wo man hinsteuern soll! Steg um Steg ist frei, an denen man sogar längsseits liegen kann. Der gefühlte Raum an Bord verdoppelt sich geradezu durch die Stellfläche neben dem Boot, und wir breiten uns gleich mal mit frisch gekochtem Kaffee, Tassen und viel zu viel Schokolade aus. Kleiner fotografischer Wermutstropfen: Das einzige später noch einlaufende, hässliche Motor-Angelboot macht – genau neben uns fest. Grrrr. Eine schwere Prüfung, nicht heimlich dessen Leinen zu lösen und es zurück aufs Meer zu schieben … Umso voller ist es im Restaurant des singenden Hafenmeisters. Wir haben noch Vorräte für bestimmt eine weitere Woche an Bord, waren aber nicht richtig kochwütig dieses Jahr und spendieren uns je einen der teuersten Burger unserer Segelkarriere. Dennoch sehr lecker, begleitet von einer musikalischen Playback-Showeinlage des Hafenchefs (die jedoch wiederum gegenüber seinem abendlichen Waldhornspiel, vorgetragen auf einem Gartentisch stehend als Einschlaflied für alle Segler, in Sachen Originalität etwas zurücksteht).
Rockin’ home
Als wenn wir nicht schon genug Wind gehabt hätten: Für unseren letzten Schlag zurück bis zur Schlei sind im Tagesverlauf nochmal ein paar Beaufort zuviel angesagt, aus West und im Tagesverlauf weiter zunehmend. Wir stellen den Wecker nicht zu spät und streben nach Süden. Mit Erreichen der Flensburger Förde, die wie queren müssen, verlieren wir etwas Landabdeckung, aus der Förde heraus baut sich gut Welle auf. Wir fallen etwas ab in Richtung Ostsee, was sich ein wenig „trockener“ segelt, wollen dem Seegang aber nicht zu viel Anlauf gönnen und wenden zwischendurch wieder Schläge in Richtung Küste – wo es aber wieder flacher wird. Dass die elektrische Lenzpumpe (ja, ist eigentlich eh Luxus …) unterwegs das Zeitliche gesegnet hat, kommt auch zur Unzeit. Die alte Dame Jacaranda zieht eh etwas Wasser, ihr Holzrumpf ist jetzt am Saisonbeginn noch nicht allzu lang gewässert und könnte etwas dichter sein. Bei dem holprigen Ritt von der Kante runter ins Cockpit und unter den Bodenbrettern die Handpumpe schwingen – da kann man sich, abgesehen von den eh eingepreisten blauen Flecken, gerade schönere Tätigkeiten vorstellen. Später im Hafen müssen wir beim Aufräumen der Schränke selbst die Pfanne trocknen, da in ihr das Seewasser schwappt.
Mike meldet sich auf Höhe der Förde telefonisch, wir sollen mal hin machen, es würden Böen von 8 gemessen und Besserung sei nicht in Sicht, im Gegenteil. Na ja, das touristische Rahmenprogramm mit großer Hafenrundfahrt und Blaskapelle ist hier eh schon abgesagt. Das über 70 Jahre alte Lärchenholz unter unseren Füßen muss sich gegen eine kräftige, graue Welle anstemmen, die uns im regelmäßigen Gleichtakt duscht und mit der Zeit auch die Sonnenbrillen, die das Salz etwas von den Augen halten sollen, mit einer Kruste trüben. Wir sind schon zackig unterwegs, aber jede neue Wellenfront stellt sich unserem kurzen Anlauf quer entgegen, es fühlt sich an, als wenn man wieder stehen bleibt. Der gut gedichtete und doppelt gesicherte Speedpuck am Fuß des nur noch wenig golden schimmernden Holzmastes bekommt sein verschwimmendes Display kaum höher als sechs Knoten.
Flensburger Bucht – mit zu viel Wind für uns Alles etwas nass geworden Wir brauchen zwei Boote, um alles zu trocknen Mommark – Schlei Auftuchen like a Boss
Einen kleinen Ausflugsschlenker gönnen wir uns trotzdem, denn da gibts ja noch das wunderbare Thema „Schlei-Einfahrt“. Aus diesem Trichter erwarten wir, dass und der Wind schon ab dem ersten Meter Schleieinfahrt direkt auf den Bug pfeifen wird. Zum Kreuzen ist in diesem Seegatt wenig Raum, und wir werden motoren müssen. Aber auch erst genau ab dort, denn bei der zu erwartenden Welle vor der Schlei ist der Außenborder nicht einsetzbar, er hinge im schlimmsten Fall im Wellentakt abwechselnd mit der Schraube in der Luft oder dem Motorblock unter Wasser. Also suchen wir uns auf dem iPad – das bei der Nässe, Wind und Wellen grad tatsächlich handlicher ist als die mittlerweile ebenfalls triefend abgesoffenen Papierkarten – einen Startpunkt. Von ihm denken wir – Plan A – mit hohem Amwindkurs direkt in die Schlei reinbolzen zu können. Dort direkt unterm Leuchtturm in der Einfahrt Segel runter, Motor an und Kurs West in die Schlei weiter rein. Plan B („irgendwas ist ja immer“): Reinheizen, hoffen, dass nicht das hässlichste Touristenschiff (und zwar des bekannten Universums) grad im Wege steht und dann mit dem Schwung unter Segeln gegenüber in den Hafen Schleimünde rein und erstmal an irgend einem Pfahl festmachen.
Der gewählte Wende- und Startpunkt liegt Richtung des Monsterhafens Olpenitz, und so sehen wir dessen Außenkante auch mal näher. Dann jetzt los in Richtung Leuchtturm — aber Mist: um ein paar Grad verschätzt, wir laufen einen Hauch zu tief, so verpassen wir die Einfahrt 100 Meter. Also Wende zurück, korrigieren, das gibt ja peinliche Kringel auf dem GPS-Track. Weitere Wende zurück wäre nun langsam dran, aber jetzt hakt nach dem ganzen nassen Gebocke auch noch wieder irgendwas am Motor, den Armin klarmacht und so der Pinne im Weg steht … ähm, sooo dicht wollten wir dann doch nicht zum alten Marinehafen, in dem man immerhin allen Platz der Welt für jedes erdenkliche Fragattenmanöver hätte. Nun passt alles, Kurs ist perfekt und mit Schwung in die Schleimündung. Heute bleiben wir wenigstens vom oft recht kabbeligen Wind-gegen-Strom-Wellenchaos verschont, das dem interessierten Besucher an Land gern die Unterwasseranstriche und Kiele der sich hineinkämpfenden Boote zeigt. Der Motor ist schon unten, geht auch an, die Segel kommen runter, zudem kaum Betrieb auf dem Wasser bei dem Wetter. Die letzte Seemeile bis Maasholm heißt es nur noch, gegen das eklige Wetter Kurs zu halten und sich nicht neben das graue Fahrwasser vertreiben zu lassen. Der Zweitakter kämpft tapfer vor sich hin, man möchte ihm für jeden seiner knatterigen Hübe danken. Und zum ich-weiß-nicht-wievielten Mal denke ich: Wie cool, so als Team zu zweit eingespielt zu ein. Das ganze Theater immer allein – nee, darauf hätte ich keine Lust.
Gut festgemacht nach über sechs Stunden Ritt und knapp 30 Seemeilen belegen wir im Ziel zum ersten Mal mehrere Liegeplätze: Nicht nur unsere Segelklamotten, auch die dicht an der Bordwand liegenden Polster sind durchtränkt und wir verteilen und verzurren alles auf den Decks der Folke-Nachbarboote. Während das Wasser aus den Kissen rinnt und wir hoffen, dass der Wind vor unserer letzten Nacht im Boot beim Trocknen hilft, wuchten wir das Gepäck raus und streben ausgehungert in Richtung Grieche.
Folke-Freunde
Kaum zurück, haben wir direkt wieder Besuch an Bord: Wir lernen Kathi und Jörg kennen, mit denen wir gegenseitig Wetter- und Routentipps austauschen. Am nächsten Morgen, bevor es für uns mit dem Auto zurück- und für sie mit einem Folkeboot nach Dänemark losgeht, genießen wir bei ihnen an Bord einen (und dann gleich noch einen) sehr stilechten Kaffee: von der Crew wird mit der Handkurbel die Mühle in Schwung gebracht, während gleichzeitig die nächsten Anekdoten über den geklinkerten Planken der „Maj“ Fahrt aufnehmen. Endgültig wach vom Kaffeeduft können wir noch eine letzte Erkenntnis dieser Tour beisteuern:
Eingeweht in der Mjelsvig, auf halbem Wege unserer Runde um Als, hatten wir eine windgeschützte Sitzecke gefunden, die uns nicht nur vor den sechs, sieben über den Hafen ziehenden Bft schützt, sondern auch ein paar wärmende Sonnenstrahlen bietet. Am Steg legte jetzt nur ein einziges Schiff an. Ein stählerner Segelkutter, nach ein paar Anläufen und kräftigem Zupacken am zu uns ausladenden Bugspriet kommen später drei fröhliche Opas an Land. Gleich vom ersten hören wir, dass auch sie den Als-Sund hochgekommen sind. Gespannt sind wir, welcher Wind dort herrschte? Er schaut uns an. Überlegt. Nun wollen ihm doch irgendwelche Zahlen einfallen: „… Windstärke drei bis vier?“ rät er völlig ahnungslos. Wir entlassen ihn schnell aus unserer Befragung, denn da kommt auch schon der Käptn. Graue Haare, grober Pulli, warme Mütze, Ring im Ohr. „Wind…?“, wundert er sich. „Na ja, selbst hier im Hafen zerren die Boote an den Festmachern!“ Nun dämmert ihm was: „Mensch, deshalb musste ich den Hebel so auf den Tisch legen!“ Er ist erleichtert: „Ich dachte schon, mit dem Motor wäre was!“ Gesegelt sei im Als-Sund bei dem Wetter zwar auch jemand.
„Aber …“, zieht er Bilanz, „der hatte dafür unterwegs nicht drei oder vier Grog wie wir!“
Ahoi Detlef, seit Ihr ab Mitte Mai wieder da? Kaffeewasser wird aufgesetzt und dann gehts los.. Könnten ja mal auf Samsö oder in Kopenhagen ein Bierchen ersegeln. Lg Katih&Jörg hoffentlich mit Mumi
Wir Weicheier peilen derzeit den August an … mehr dazu in einer PN!