The Panik goes on

Detlef Hoepfner
Lesedauer 2 Minuten

2022 gab es auf der Panik wieder einige Folke­boot-Über­raschun­gen: Warum wölbt sich das Vordeck selt­sam hoch? Und ist es nor­mal, dass auch im Win­ter­lager back­bor­d­seit­ig das Heck am Über­gang zum Deck nie richtig trock­en wird? 

Am Bug galt es dann für Klaus, eine durch blühen­den Rost äußerst stramm im Bug klem­mende Met­all­strebe her­auszuoperieren. Für die Ecke am Heck fügte sich glück­lich, dass Tablett oder Schalen aus hochw­er­ti­gen Hölz­ern in der Panik-Werft sorgsam gesam­melt werden.

Aber – war zur Sai­son wieder alles dicht!

Folkeboot-Segeltour „Schlei – Plan B“

Detlef und ArminDetlef Hoepfner
Lesedauer 16 Minuten

Nach zwei Jahren mit ein­er aus­ge­fal­l­enen Folke­boot-Tour und einem Törn von Testzen­trum zu Zah­narzt­prax­is nun in 2022 endlich wieder eine ganze Woche Leben unter Segeln. Das Schlei­wass­er hat­ten wir dabei sog­ar haupt­säch­lich unterm Kiel statt in dem Boot – ein Priv­i­leg, dass andere sich erst hart erar­beit­en müssen, wie wir unter­wegs lernten

Trööööööt …! Bin selb­st etwas erschrock­en, wie laut es über die Schlei nach einem kräfti­gen Lun­gen­zug in Rich­tung Camp­ing­platz schallt. Aber irgend­wann muss man dieses Mess­ing-Sig­nal­horn doch auch mal prak­tisch nutzen! Haaaaaa-loooooo-klaaaau­u­u­u­us?! Wir wis­sen nicht, ob unser Fre­und und Nach­bar sein Folke­boot „Panik“ pünk­tlich hier an die Schlei bekom­men hat. Am Steg, den wir auf unserem mehrstu­fi­gen Weg von Maasholm Rich­tung Schleswig passieren, sehen wir es nicht im Fer­n­glas. Auch der Camp­ing­platz scheint unbelebt. Wir haben den Platz schon halb passiert, da kommt seine Frau ans Ufer gelaufen. Jet­zt haben wir spon­tan gar nicht gecheckt, wie flach es da vorne ist. Aber mit ein paar Rufen und Arm­be­we­gun­gen ist auch über Ent­fer­nung klar: Die „Panik“ wird heute in Mis­sunde gekrant, zu Wass­er gelassen und der Mast gestellt. Da kom­men wir jet­zt eh vor­bei. Aber passt unser unvorherse­hbares Tim­ing zu den knap­pen Kran-Zeitslots?

Typ­is­che Schlei-Per­spek­tive, davor ist es flach – Kartenkonzentration …

Was ein Zufall! Dabei war vor ein paar Tagen noch gar nicht klar, ob wir über­haupt zu unser­er jährlichen Tour wür­den starten kön­nen. Eine Sor­gen bere­i­t­ende What­sApp „Kön­nen wir bitte tele­fonieren?“ ging schon vor zwei Jahren ein­mal zwis­chen uns hin und her. Damals hat­ten wir in gegen­seit­iger Abstim­mung beschlossen: Wir kön­nen dies­mal gar nicht los. 2022 nun eine ähn­liche Sit­u­a­tion. Aber wieder ist für uns klar: Wenn ein­er von uns in der Klemme ist, tra­gen wir nötige Entschei­dun­gen gemein­sam, gar keine Frage. Nach län­ger­er Krisen­sitzung per Videoschalte beschließen wir: Das Auto wird nicht wieder aus­gepackt, wir schaf­fen uns stattdessen unter­wegs aus­re­ichend Ausstiegs-Optio­nen. Und einen Plan B braucht man beim Segeln ja sowieso immer, min­destens. Vor allem, wenn die Lärche für den Boot­srumpf der dies­mal gechar­terten „Mumi“ schon 1968 auf die Eichenspan­ten gelegt wurde.

Neues Team bei “Klassisch am Wind”

Ges­pan­nt sind wir dies­mal nicht nur auf diese gut sieben Meter Folke­boot, son­dern auch auf die Ver­char­ter­er Jean­nine und Sven Stein­bach. Ab dieser Sai­son führen sie die Pflege und Ver­mi­etung von Jacaran­da, Maj, Admi­ral Jacob und eben Mumi weit­er. Kon­takt und Über­gabe laufen super easy und sym­pa­thisch. Schnell haben wir das Gefühl: hier ist das Pro­jekt „Klas­sisch am Wind“ wieder in gute Hände weit­ergegeben. Mit Jacaran­da und Maj haben wir schon etliche Touren durch die „Dänis­che Süd­see“ gel­og­gt, auf Admi­ral Jacob immer­hin ein­mal über­nachtet und sind nun ges­pan­nt, wie „Mumi“ und wir uns miteinan­der anfreunden.

Her­aus­forderung Nr. 1 ist wie immer (nach­dem Armin sich endlich im Super­markt auf die richtige Sorte Kartof­feln geeinigt hat): Wie bekom­men wir mehrere Hand­kar­ren voller Klam­ot­ten und Lebens­mit­tel, zuvor von Armin schon nach unser­er Stan­dard-Cloud-Einkauf­s­liste eingekauft, in dieses Boot? Auto leer, aber Vordeck und Cock­pit kom­plett voll … Die „Maj“ hat­te noch Schwal­bennester über den bei­den Kojen. Hier stößt man sich zwar nicht den Kopf daran, aber es fehlt auch der Stau­raum für Zwiebeln, Brot, Nudeln, Kul­turbeu­tel, Kam­era, Navi-iPads, Ladegeräte … und und und. Also unter Deck erst mal Platz geschafft, Klapp­tisch oder Ret­tungsin­sel haben wir eh nicht vor zu nutzen, also alles in die Eck­en damit. Dann die ganzen Boden­bret­ter lock­ern und inspizieren, wo man was in der immer etwas nassen Bilge unter­brin­gen kön­nte. Gut ver­pack­te Lebens­mit­tel nach unten, den Käse lieber nach oben. Hält sich hier etwas küh­ler, weg­fut­tern sollte man ihn den­noch schnell. Sog­ar eine kleine Kühlbox würde man hier vielle­icht unter­bekom­men. Richtig am Vor­luk platziert, kommt man an manche Kisten später sog­ar bequem vom Vordeck aus. Wenn man nicht vorher vergessen hat, im engen Bug den Schnap­pver­schluss zu öffnen …

Kompass
Detlef Hoepfn­er

Hör auf zu heulen

Die erste kurze Nacht und den Ein­räum­tag liegen wir noch in Maasholm. Um Werft und durch die vorge­lagerten Yacht­en heult der Wind, die Flaggen zer­ren mächtig an ihren Leinen. Nicht der Sound, den man nach anstren­gen­den Arbeitswochen, Anreise und unklar­er Wochen­per­spek­tive hören will. Wir check­en die Wet­ter­mod­elle ECMWF und ICON. Schauen von der vorge­lagerten Hafen­spitze zu, wie andere Boote kleine Testrun­den vor Maasholm drehen und wie sich die von Kap­peln kom­menden Boote schla­gen. In Schleimünde wären wir bei dem Wind easy. Aber da fahren am Woch­enende alle hin, das sparen wir uns. Und die näch­sten Ziele via Ost­see liegen danach zu ent­fer­nt, zumal bei unser­er Pla­nungs-Unsicher­heit. Abends spät hält sich der Wind an die Vorher­sagen, wird etwas ruhiger. Ich habe auch schon nach nur einem Tag genug vom Schnack der „Hafen-Dauer­cam­per“ und wir müssen auch unser­er Psy­che zuliebe los. Kurz vor Jahresmitte ist es nun — zumal hier im Nor­den — eh ewig lange hell. Nächst erre­ich­bar liegt Kap­peln, da hät­ten wir auch bei Wet­ter­ver­schlechterung etwas zu tun. Der nun zwar angenehmere Wind ste­ht auf der Strecke jedoch genau gegenan. 

Kappeln und Arnis – nicht nur ein Kompromiss

Jet­zt sind wir nicht für Angst vorm Kreuzen bekan­nt und so bere­its den kom­plet­ten Als-Sund hoch. Aber wir entschei­den uns für eine Kom­bi: Die Segel wer­den gegen 19.00 Uhr angeschla­gen und los gehts. Prompt fällt uns nach dem Able­gen auf, dass wir in den Schnüren doch noch was überkreuz haben. Also ein guter Test. Das ist die Her­aus­forderung Char­ter-Segeln: Mit dem eige­nen Boot ist man ewig ver­traut, was einem nicht gefällt, baut man um. Aber selb­st diese vier fast gle­ichen Folke­boote haben doch hier und da ihre kleinen Unter­schiede, und so ist man als Char­ter­er beson­ders gefordert, sich schnell zu adaptieren. 

Nach ein paar Wen­den geht der Kurs nach Nord­west, die Segel bei­de wieder runter und wir sind total begeis­tert von diesem 4‑PS-Außen­bor­der: Der Vier­tak­ter läuft ruhig und leise, springt immer verzögerungs­frei an, stinkt weniger und braucht kaum Sprit. Mehr kann man von der Prob­lem­stelle Nr. 1 eines Segel­bootes nicht ver­lan­gen. Einzig der Kraft­stoff­schlauch klemmt gerne mal an der Motorhal­terung, zum Manövri­eren mag man den Außen­bor­der ja gerne auch mal kom­plett um 90°quer stellen. Mit einem langsamen Seit­en­im­puls dreht man den Langkiel­er so gut. Am besten gefällt uns fast die lustige Beschilderung „Hase“ und „Schild­kröte“ am Gasgriff.

Gashebel
Detlef Hoepfn­er Ganz wichtiger Hin­weis für uns Segler

Die let­zte Brück­enöff­nung in Kap­peln ist abends kurz vor zehn, das schaf­fen wir lock­er. Beim ASC find­en wir einen schö­nen Platz mit dem Bug zur Schlei und Heck in die Abend­sonne. Dabei etwas weg vom Landleben und der den Muse­umshafen über­ra­gen­den Milch­fab­rik, deren Vorbe­sitzer bis 2019 dem Prom­e­naden­weg seinen Namen gab.

Hier gön­nen wir uns einen Tag drin­gend nötiger Ruhe. Wir dür­fen gelassen­er abwarten, wie sich daheim unsere Lagen entwick­eln und wären schnell zurück. Die Stadt lädt zum Bum­meln ein, das Hafen-Restau­rant ist mega (bester Veg­gie-Burg­er vonne Welt), die Muse­umss­chiffe lock­en gle­ich nebe­nan und wir liegen sich­er und ruhig. Einzig auf solche schlicht­en Wan­der­segler wie uns ist man hier nicht unbe­d­ingt opti­mal eingestellt. Und wir ler­nen: Für eine Mit­glied­schaft (zu unge­nan­nten Kosten) bräucht­en wir hier zwei Bür­gen — das bekom­men wir aber schnell hin, zählen wir uns bei­de an Bord kurz durch 🙂

Richtig raus aus der Schlei wer­den wir diese Woche nicht kom­men, das wird uns bei­den langsam klar. Unser Ziel Aver­nakø aber von unsere To-do-Liste kön­nen wir vergessen. Armin: „Durch Plan B stand fest, es gibt nur einen Weg: Schlei rauf und anschließend wieder abwärts, soweit wir wollen. Also alles entspan­nt.“
Sesshaft wollen wir hier in diesem Hafen nun jedoch auch nicht wer­den. Dagen spricht am näch­sten Tag in ger­adezu lehrbuch­mäßiges auftür­men von Gewit­ter­wolken über der Stadt. Flankiert wer­den sie von dun­klen Fron­ten am Hor­i­zont. Wir check­en das Wolken­radar, schauen in den Him­mel, prüfen Den Wet­ter­bericht und ergreifen eine Gele­gen­heit, die uns gün­stig scheint. Unter Motor wenig­stens schnell rüber nach Arnis, in Bewe­gung zu sein, und sei es nur so kurz, tut uns gut. Aber die Idee, der Front auszuwe­ichen, haut nicht ganz hin: auf dem Weg holt sie uns langsam ein und duscht ein­mal das Salz Wass­er von uns und dem Boot. Angekom­men in Arnis begrüßt uns dafür Son­nen­schein. dazu noch der beste Hafen­meis­ter weit und bre­it, der seinem Namen gerecht wird. Da fehlen nur noch Annette und Hildor, die uns hier im let­zten Jahr von Land aus sup­port­et haben.

Ein Rundgang um die Hal­binsel durch die Gärten und Werft­gelände oder ein Flammkuchen in der Schleiper­le sind alle­mal einen Nach­mit­tag wert. direkt vor unseren Augen wird sog­ar ein kom­plettes Kümo ger­ade frisch geslippt.

Erdbeeren bunkern in Lindaunis

Folkeboot vor Brücke
Jörg Lubs Unser Holz­boot vor viel altem Stahl

Next Stop Lin­dau­nis — übri­gens aus­ge­sprochen „Lin­dau-Nis“ wie mich meine nord­deutsche Fam­i­lie überzeugt. Let­ztes Jahr war hier für uns End­sta­tion. Die skurille Brücke ist allein einen Besuch wert, aber – wenn wieder mal verklemmt – für hohe Mas­ten nicht passier­bar. Wir sind mit den Infos der die beein­druck­ende Baustelle ver­ant­wor­tenden Bahn opti­mal ver­sorgt (das gute und infor­ma­tive Bau-Info­por­tal find­et sich hier). Wir müssen uns bei der Ans­teuerung der Mari­na direkt vor den gigan­tis­chen Baustellen-Pon­tons nur noch für einen Liege­platz entschei­den: eher Ost­seite mit Blick zurück in die Schlei oder gegenüber Rich­tung Brücke? Armin plädiert kurzfristig für die zweite Lösung und wir machen dort fest. Kurz danach geste­ht er, warum: ihn lock­te ein beson­ders kurz­er Weg zu den etwas ent­fer­nt liegen­den San­itäran­la­gen. Unser Video vom zugegeben­er­maßen idyl­lis­chen Lauf bis zum Aus­gang wurde dann zum Lach­er in unserem Vere­in: Lange Schlangen­lin­ien lief man von hier zum in Wirk­lichkeit max­i­mal weit ent­fer­n­ten Tor. Nur ganze zwei Boote in der gesamten Mari­na hat­ten einen noch weit­eren Weg zum Klo. Aber gutes Tim­ing ist beim Segeln ja essentiell.

Bedrohlich nur mein gefährlich zur Neige gehende Vor­rat an frischen Erd­beeren. Also ein­mal Ziel Obsthof und zu Fuß über die alte Brücke. Das ist schon ein Aben­teuer für sich. Zwis­chen Schienen und Gerüsten klet­tert man — oft mit Blick auf das Wass­er unter einem — über Bleche und und Bret­ter mit lose rum­liegen­den Nägeln. wirk­lich eine die Fan­tasie anre­gende Kon­struk­tion.
Abends lässt der Baulärm nach, der uns über­raschend wenig stört. Vielle­icht liegt es an der faszinieren­den Kom­bi­na­tion von alter und entste­hen­der neuer Brücke, für die sich riesige Bohrköpfe in den Boden drehen. Die selt­samen Seeze­ichen zwis­chen den Maschi­nen geben zusät­zliche Rät­sel auf. Man hat sie zulet­zt in der Segelschein-Prü­fung gesehen. 

Wellengluck­ern an dem gestuften Holzrumpf

Im schwinden­den Licht des Abends lässt sich noch ein Seeadler von ein­er Möwe attack­ieren und schwingt sich majestätisch davon. Jet­zt spürt man nur noch eine leichte, kalte Brise, die sich in Wellen durch das Schilf schwingt, das uns vom Ufer tren­nt. Dazu mis­cht sich das brutzeln und Knis­tern auf unserem Gaskocher. Deswe­gen sind wir unter­wegs. Nachts ein Gek­limper, wenn die let­zen Schlei­wellchen unseren gek­link­erten Rumpf erre­ichen. Jed­er Kon­takt eine leicht rhyth­mis­che Melodie mit zufäl­li­gen Ton­höhen — das alles in näch­ster Nähe drei­di­men­sion­al um den eige­nen Schlaf­sack herum. Schön­er kann man nicht liegen.

Folkeboot im Schilf
Jörg Lubs Idyl­lisch-kurviger Schleiver­lauf vor Mis­sunde, Armin an der Pinne
Brücke Lindaunis
Detlef Hoepfn­er Vorm Öff­nen rät­selt man kurz, wo genau hier die Durch­fahrt gelingt

Nicht ganz dicht – Sorgen auf der „Panik“

Ros­tige Stahlträger gleit­en am näch­sten Tag beim Passieren der hochgewuchteten Lin­dau­nis-Brücke über unseren hölz­er­nen Mast. Die Pas­sage ist tat­säch­lich so schmal, wie sie von weit­em zwis­chen den vie­len neuen Spund­wän­den für kün­ftige Fun­da­mente schon erschien. Der grobe Kurs ist durch den Fjord­ver­lauf ja vorgegeben. Aber so richtig lockt uns noch kein Ziel. Die Enge bei Mis­sunde ist immer­hin eine lustige Kurverei, die wer­den wir uns heute gön­nen. Und wir wis­sen ja nun, wo vielle­icht Klaus und seine Panik aufzufind­en sind. Die Kurverei aber ist nicht nur Spaß, son­dern auch von Wind mit ca. 0 bis 0,1 Bft geprägt. Aus wech­sel­nden Rich­tun­gen. Trotz Gewicht­strimm und allen unseren Bin­nensegler­tricks geht es nur in Super-Slo­Mo weit­er. Da wis­sen wir noch nicht, dass dies der Wet­ter­gott für unser Tim­ing für ein Tre­f­fen mit der „Panik“ steuert. Wir haben sog­ar etwas Mühe, mit der net­ten Crew des Folke­bootes Salty die Schlei-Seit­en zu wech­seln, um uns dichter an die Mari­na zu hal­ten. (Dank an Jörg und Jan­nik für Eure Fotos!) Als sich unser Bug endlich vor den Kran schiebt, taucht langsam das Heck der Panik auf. Her­aus schiesst ein hek­tis­ch­er Wasserstrahl.

Boot unter dem Kran
Detlef Hoepfn­er Klaus hat ger­ade gekrant, als wir passieren – und muss extrem viel pumpen

Also nun wieder tief Luft holen und … tröt! Armin lacht sich halb kaputt über meinen verunglück­ten Sig­nal­stoß. Aber Klaus fällt uns ja son­st vor Schreck aus dem Boot mit dem Pump­schwen­gel in der Hand, wenn wir ihn so erschreck­en. Und wir sehen gle­ich: das ist da drüben doch ger­ade ein zu nass­es Vergnügem. Freudig-angestrengt gestikuliert und ruft Klaus zu uns rüber: „Na ihr habt es gut! Euer Boot ist dicht!“ Das Wass­er ste­ht ihm zwar nicht zum Hals, aber er bekommt im Boot doch ziem­lich nasse Füße. Das hat man selb­st bei einem Folke­boot auf Dauer nicht so gern. Was dann später hören: Sein ehre­namtlich­es Flüchtlingsen­gage­ment hat alle Boot­sar­beit­en daheim verzögert. Der Holzrumpf stand auch viel zu lange trock­en. Nun kämpft er mit einem kräfti­gen Wassere­in­bruch, über den auch noch die Pumpe kol­la­biert. Nach unserem kurzen Schnack und Weit­er­fahrt legt auch er mit Voll­gas ab, bei unserem Aussen­bor­der hätte dies wohl der Gashebel­stel­lung „Hase mit angelegten Ohren im Tief­flug“ entsprochen. Was ist let­ztlich die beste Lenzpumpe? „Ein erschrock­en­er See­mann mit einem großen Eimer.“ Auf eine kleine Sand­bank vor seinem Liege­platz geset­zt, ließ sich dann in Ruhe am ver­ankerten Boot weiterarbeiten.

Fleckeby oder Fleckeby?

Wir haben uns zwis­chen­zeitlich für das Ziel Flecke­by entsch­ieden, denn Schleswig lockt uns nicht so sehr. Vorher drehen wir eine kleine Runde vor dem Schloss Louisen­lund, wir scheinen dort aber nicht erwartet zu wer­den. Unser Ziel im Fer­n­glas ist der Yachthafen Flecke­by, denn der östlich direkt daneben liegende WSF scheint uns etwas selt­sam auf der Seekarte: die Stege sind von unzugänglichen Pon­tons umgeben, wir wer­den nicht so richtig schlau daraus.

Die Schlei mit all der Natur drumherum: Felder, Wälder, Wiesen, Knicks, Fis­chadler, Rehe auf Trep­pen – und dann all die ganzen Kuck­ucks 😀 …Zusam­men mit dem Folke­boot durch die Natur zu reisen, es ein­fach so genießen zu kön­nen – super schöne Zeit!

Armin Pech

Für unsere Rollen an Bord entwick­eln sich über die Jahre gewisse Vor­lieben. Die ver­suchen wir daher immer wieder ein wenig aufzubrechen, damit wir bei­de in allen Auf­gaben geübt bleiben. Aber jet­zt hantiere ich mit Pinne und Motor zwis­chen den Beinen und bin dankbar, dass Armin einen Blick auf die Karte wirft: „Das Fahrwass­er da vorne hast du gese­hen, oder?“ Ähm ja … natür­lich

In der Schlei kön­nen ne Menge “Dinge“ im Weg sein

Nun kor­rekt eingeschwenkt ent­deckt er auch gle­ich noch einen gut ans­teuer­baren Platz hin­ter den Pon­tons, die wir ursprünglich mei­den woll­ten. Kurz entschlossen lan­den wir so doch im WSF — eine der besten Entschei­dun­gen der Woche. Schon beim Anle­gen ste­ht jemand geduldig am Steg, bis wir uns entsch­ieden (und zwei Ton­nen Langkiel­er sich passend platziert) haben. Unsere Heck­leinen (hal­lo Sven 😉 ) erweisen sich wieder so eben zu kurz, es sei denn, ich wollte die ganze Nacht mit ihren Enden in den Hän­den auf dem Heck ste­hen bleiben. Also alles retour, gemein­sam wird eine passendere Box gefun­den und dort hin ver­holt.
Um uns wuseln dabei die üblichen Graubärte. Aber auch viele Kinder und Jugendliche flitzen über die Stege, und das nicht nur fein ausstaffiert für den Yachtie-Aus­flug. Was für ein angenehmer Unter­schied zu manch ein­för­miger Hafen­struk­tur. Wir fühlen uns super wohl. Ein paar Ein­heimis­che drehen ihre Segel­run­den in den sen­sa­tionellen Son­nenun­ter­gang. Far­big leuchtet er über der sich hier bre­it in Rich­tung Sonne aus­bre­i­t­en­den Schlei. Danach sind wir offen­bar allein im Hafen und genießen die Stille.
Gegen die Kälte hil­ft unser „Bern­steinz­im­mer“, wie Armin mir immer wieder den Stoff gewor­de­nen geschmack­lichen Tief­punkt aller bekan­nter Segel­macherkun­st schmack­haft zu machen ver­sucht. Da friere ich doch lieber, als in der Nähe so eines das Boot verun­stal­tenden Zeltes gese­hen zu wer­den! Aber auch meinen Vorschlag, dann doch wenig­stens die Auf- und Abbauerei zu sparen, indem wir kon­se­quent mit geset­ztem Zelt segeln, stösst im Team auf Ablehnung.

Klaus hat uns schon mit seinem magis­chen Feld­stech­er erah­nt, als wir auf dem Rück­weg wieder die Insel Kieholm ans­teuern. Wir leg­en kurz bei ihm an, erfahren die neuesten Entwick­lun­gen bei sein­er Boots- und Pumpen­reparatur an seinem Folke­boot und machen uns auf den Weg, die näch­ste Brück­enöff­nung in Lin­dau­nis zu erwis­chen. Wir erre­ichen sie sog­ar ver­früht und nutzen die Zeit für einige Segelschläge hin und her. Wie offen­bar sowieso eigentlich — ohne das nun zu sehr zu verk­lären — vor allem die Folke­boote auf der Schlei zu segeln scheinen. Andere nutzen sie eher als schnell zu über­windende Tran­sit­strecke in Rich­tung Ost­see, auf der es vor allem die zwei Klapp­brück­en opti­mal zu timen gilt.


Segel-Plan B – aber richtig

Pött-pött-Pött — der Motor des wertvollen Old­timer-Flugzeugs geht mehrfach an und aus, bevor es in einem Feld eine etwas sub­op­ti­male Bruch­landung hin­legt. Das Video, in dem ein erfahren­er Profip­i­lot seine Fehler analysiert, hat mich sehr beschäftigt. Nun, als Armins Arme und ein Heckp­fahl unseren Bug vor Kon­takt mit dem vor uns liegen­den Boot bewahren, kommt mir dessen Ker­naus­sage wieder in den Sinn: ein ein­mal ein­geleit­eter Plan oder Manöver soll auch vol­len­det wer­den. Möglichst wenig hin und her. Wir woll­ten hier eigentlich paar Box­en weit­er anle­gen im Zwis­chen­stopp Lin­dau­nis. Schnell umentsch­ieden — oh, hier ist eben­falls frei und die Aus­sicht schön­er — habe ich die Kurve dann jedoch nicht mehr ganz geschafft. Sich­er nicht ver­gle­ich­bar mit einem Not­fallplan der Fliegerei, wo ständi­ges Umentschei­den („ach, das schaffe ich schon … oder doch nicht … ach klappt schon … ohhh …) das Gehirn über­fordere. Ein abge­sproch­enes Manöver klappt aber halt nur dann, wenn man es auch prak­tiziert. Also erst mal weit­er­gleit­en, anhal­ten, guck­en, dann in Ruhe zurück. Unsere Schä­den jedoch hal­ten sich seit Jahren — bis auf einen selt­samer­weise plöt­zlich gekürzten Flaggen­stock — sehr in Gren­zen. Zu Zweit zu reisen, hil­ft da natür­lich unge­mein. „Alles nicht so ein­fach, wenn man alleine segelt“, bedankt sich ein kurz danach ein­tr­e­f­fend­er weit­er­er Folke­boot­segler neben uns beim Annehmen sein­er Leinen: seine zer­split­terte Bugspitze zeugt von einem frischen Kon­takt mit dänis­chem Beton bei zu viel Wind.

Unter Segeln durch die Klappbrücke Kappeln
Detlef Hoepfn­er Auch bei schnellen, wendi­gen Seglern mag die Brück­en-Crew Kap­peln den Motor hören

Wir Glücklichen

Eine richtig gute Entschei­dung war dage­gen, unsere Star­tideen den Umstän­den entsprechend bald an den Hak­en zu hän­gen. Nach drei Jahren woll­ten wir 2022 ja endlich wieder Däne­mark erre­ichen. Nicht auszu­denken der Stress und die Stim­mung, wenn wir laufend umge­plant und über­legt hät­ten, ob wir in den let­zten Tagen doch noch auf Biegen und Brechen irgend­wie nach DK gelan­gen kön­nten. Für Segel-Spaß, eine gute Zeit zusam­men auf dem Wass­er oder inspiri­erende Begeg­nun­gen ist dann auch egal, ob man fünf, 50 oder 100 Seemeilen gesegelt ist.
Und den Beu­tel mit dänis­chen Kro­nen wer­den wir auch so noch in Eis und Hot-Dogs getauscht bekommen!


Panik im Folkeboot-Mastkopf – Attacke mit dem Stecheisen

HolzspäneDetlef Hoepfner
Lesedauer 6 Minuten

Angst und Schreck­en soll das Folke­boot „Die Panik“ ja eher auf den Welt­meeren ver­bre­it­en – im Früh­jahr 2020 gibt es stattdessen etwas Streß im Mastkopf

Eigentlich sollte auch „Die Panik“ von Klaus Wer­mann schon längst wieder schwim­men. Aber statt sich Ostern 2020 auf den Landweg von Klaus’ heimis­chem Betrieb in NRW zu ihrem Liege­platz an der Schlei zu machen, stand sie immer noch unter ihrer Plane. Dort wartete sie auf ihre ersten Duschen aus dem Wasser­schlauch, um nicht zu sehr auszutrock­nen und um später schneller dicht zu quellen. Aber vorher waren noch ein paar Repara­turen auszuführen: Klaus’ Philoso­phie ist: lieber eine kleine Aus­besserung nach der anderen, statt ein­mal alles kom­plett auseinan­der zu bauen – um dann wom­öglich nie wieder zu segeln.

Detlef Hoepfn­er Neuauf­bau des Mastkopfs

Bei der Inspek­tion des Mas­tkopfes dann eine unver­hoffte Über­raschung: Ein Vorbe­sitzer hat­te nicht nur die Mast­göhl, in dem mit dem Vor­liek die vordere Kante des Großsegels am elf Meter messenden Mast hochge­führt wird, ver­schlossen und dort eine Mastsch­iene aus Met­all aufge­set­zt (zu Klaus Miß­fall­en auch noch mit Spax-Schrauben …). Es war auch noch der Mas­tkopf durch eine Glas­faser­man­schette umman­telt wor­den. Wie so oft bei ein­er der­ar­ti­gen Kom­bi­na­tion „Holz plus Umman­telung“ hat­te sich – wohl seit Jahren – Feuchtigkeit fest­ge­set­zt: Den ganzen Win­ter in ein­er knochen­trock­e­nen Werk­statt gelagert war es darunter auch Mitte April immer noch nass. Und zwar so sehr, dass nicht nur das als Folge morsch gewor­dene Holz Wass­er gezo­gen hat­te, son­dern sich auch nach der Ent­fer­nung des schad­haften Mate­ri­als selb­st aus dem gesun­den Holz Feuchtigkeit her­aus­drück­en ließ.

Nach Ent­fer­nen des beschädigten Mate­ri­als ging es an die Mate­ri­al­suche für die Aus­besserung – fündig wurde Klaus ganz fachgerecht bei einem Zaunpfahl sowie ein­er eben­falls geplün­derten („Die 9 Euro investiere ich!“) Holzpalette. 

Sieht bish­er doch schon gut aus, oder?

Runter mit dem Lack 

Detlef Hoepfn­er Klaus wird Teile des laufend­en Guts durch Kun­st­fasern ersetzen

Das erste Mai­woch­enende hat Klaus dazu genutzt, den Mast von seinen alten Lackschicht­en zu befreien. Der Mas­tkopf sieht nun schon top aus, etwas verdächtig ist ihm aber ein auflaminiert­er Scheuer­schutz auf Höhe der Decks­durch­führung: Wom­öglich hat sich auch dort unbe­merkt Nässe kon­serviert? In Absprache mit Toplicht ist nun auch klar, dass der Mast gut geölt wird und danach erste Lackschicht­en mit 50% Verdün­nung erhält, die mögliche tief ins Holz ein­drin­gen sollen. Außer­dem wurde geplant, aus dem laufend­en Gut die Drah­tan­teile zu ver­ban­nen und durch Kun­st­fasern zu erset­zen, die bei ver­gle­ich­baren Durchmessern sog­ar höhere Bruch­las­ten bieten.

Und tat­säch­lich bewahrheit­ete sich die Befürch­tung, dass sich auch unter dem auflaminierten Scheuer­schutz Rott gebildet hat­te. Also runter damit, die beschädigten Bere­iche aussä­gen, einen Ersatzkeil her­stellen und einkleben.

Folkeboot-Törn mit der “Panik” auf der Schlei

Das neue Rig von Toplicht aus Ham­burg war irgend­wann auch pünk­tlich angekom­men, die Pan­demie-bed­ingten Verzögerun­gen ver­halfen zudem unge­wollt zu etwas mehr Zeit für Repara­turen. Im Som­mer 2020 ging es dann endlich ver­spätet zum Liege­platz an der Schlei. 

Bei einem Kurzbe­such von mir bei Klaus ging es dann auch endlich ein­mal gemein­sam auf die Schlei … und wenn man schon unter­wegs ist, gle­ich bis Schleswig und zurück: Hat sich doch wirk­lich gelohnt, die Arbeit! Vor allem die neuen Fall­en haben mir unglaublich gut gefall­en: Oben im Mast sparen sie Gewicht, über Deck sind sie sehr angenehm griffig.

Wie man im Video übri­gens sieht, habe ich im iPad-Case unbe­merkt den Stopfen auf der Ladeöff­nung vergessen. Das hat­te hier noch keine Fol­gen: Aber ein paar Tage später habe ich mir dadurch eine Ladung Salzwass­er ins iPad getankt. Mehrere Tage in 4 kg Reis gelagert war es dann zum Glück wieder startklar …

Folkeboot-Törn 2019: Rund Als – dem Wind trotzen

Detlef Hoepfner
Lesedauer 15 Minuten

„Bitte höflichst, an Bord kom­men zu dür­fen!“ Schwup­ps sitzt er nach geübten Schrit­ten längs des mittschiffs schmalen Holzdecks, wo sich unterm Fuß auch noch Schoten und Land­stromk­a­bel rollen, bei uns im noch mäßig sortierten Cock­pit. Streckt den Hals und schaut sich begeis­tert run­dum um im Folke­boot , das wir eben hier in der ver­steck­ten Mjelsvig fest­gemacht­en haben. Nun schaut er uns an: „Ward ihr das, die da den ganzen Als Sund hochgekreuzt sind? Ich hab Euch nach­mit­tags über­holt.“ „Ja, hat super Spaß gemacht!“ 

Er freut sich, hat er sich doch gedacht. Aber … „ich hat­te zwei Frauen an Bord, denen dauert das zu lange“, sucht er nach ein­er Erk­lärung für seinen eige­nen, ger­aden Motorkurs. Der inten­sive Blick auf Raps bei­d­seits des Sun­des – ist ihnen alles ent­gan­gen, denken wird. Knal­liges Gelb, leuch­t­en­des Grün, direkt vorm hölz­er­nen Bug. Nur im san­ften Zick­za­ck-Kurs – die Augen auf der Wasser­fär­bung, GPS und Tiefen­lin­ien, die Hand schon fast am Sen­klot – kommt man doch so nah an den liebevoll restau­ri­erten Anwe­sen im Schilf vor­bei. Oder dem Nach­bau eines Nydambå­den, der Vorstufe der Wikinger­boote: Neben wind­schief gekippten Ste­gresten liegt es dort in Sot­trup­skov, der Enge im Alssund, die den Dänen im Preußisch-Dänis­chen Krieg 1864 zum Ver­häng­nis wurde, als hier große Trup­pen­teile über­raschend über­set­zten. Mit großen Fol­gen: in Lauen­burg, Hol­stein und Schleswig, schon ewig gemis­cht bewohnt von Dänen, Deutschen und Friesen, weht seit­dem nicht länger Däne­marks Dan­nebrog als Landesflagge.

Unser Track sieht aus, als woll­ten wir die bei­den Ufer des Sun­des mit ein­er Zick­za­ck-Naht wieder verbinden, aber am nördlichen Ende geht es nach Querung des  Augusten­borg Fjords rechts ab tief in die Dyvig, und nochmal reingeschlän­gelt in die hin­ter­ste Ecke der Mjelsvig. Die Ans­teuerung ist sehenswert, wenn auch nicht beson­ders schwierig: Wenn man sich denn an die Bojen hält, und nicht wie der Show-your-mon­ey-Segler, der mich über­holend mit seinem Schwell fast vom Heck und die baden­den Kühe ans Ufer wirft, kraft seines Sta­tus’ eine Abkürzung genehmigt. (Ich denke, er hat sich mit­tler­weile run­tergear­beit­et vom Schlick.)

„Und das ist also Euer Boot?,“ staunt unser Gast, und schaut den Mast hin­auf, wo er nach­mit­tags die frühe Segel­num­mer ent­deckt hat­te, die nah an seinem eige­nen Klas­sik­er einzuord­nen ist. „Nein“ – wir erk­lären nach mit­tler­weile etlichen Jahren und Touren mit „Jacaran­da“ rou­tiniert, dass wir dieses 1946 gebaute, damit älteste noch segel­nde dänis­che Folke­boot wie immer bei Mike Peuk­er gechar­tert haben. 

„Ach so.“ Pause. „Na, ich kann mich ja trotz­dem weit­er mit Euch unter­hal­ten!“ Und mit­ten­drin sind wir in ein­er weit­eren Unter­hal­tung über diesen uri­gen Boot­styp. Der Aus­bau­s­tand wird begeis­tert unter­sucht, Erfahrun­gen mit seinem eige­nen Folke zum Besten gegeben, der Reiz des ein­fachen Reisens mit so einem reduzierten Boot ohne allen Schnickschnack diskutiert. 

Nebel über der Schlei
Armin Pech

Ein spooky Start

Wir waren vor drei Tagen in Maasholm ges­tartet. Die Strecke zur Mjelsvig schafft man je nach Wind auch in einem Tag, und ger­ade frage ich mich, ob ich jet­zt mal ehrlich nicht lieber mit dem nebe­nan liegen­den Schiff unseres Besuch­ers weit­er­fahren würde: Platz, Kom­fort, Heizung, kräftiger Motor. Denn statt schon an Tag 1 unseres Wochen­törns hier hochzu­flitzen, ist bere­its nach der allerersten Seemeile klar: Auf den Tourstart fol­gt direkt ein Zwis­chen­stopp: Nebel zieht über die Schlei, man sieht die Hand vor Augen kaum. Wenn wir die näch­ste Fahrwasser­tonne gefun­den haben, hängt da manch­mal schon ein ander­er Segler mit einem Stück Leine dran, um nicht vor einen größeren Bug zu ger­at­en: Null Sicht ist jet­zt irgend­wie uncool. Wir sind nicht lebens­müde, müssen uns auch nichts mehr beweisen, ein Radar wer­den wir kurzfristig nicht nachrüsten – also direkt wieder abge­bo­gen nach Schleimünde rein. Hier teilt sich das Segler­feld: Die einen machen es uns gle­ich, der idyl­lis­che Naturhafen füllt sich zügig, in alle engen Lück­en wird ein Boot nach dem anderen reinge­quetscht. Andere tas­ten sich doch weit­er durch den Nebel auf die Ost­see raus. Aber selb­st von der Gift­bude aus ist der Leucht­turm, der dort ein paar Schritte weit­er im Nebel hängt, nicht zu sehen. Von See hört man es gespen­stisch tuten, wie aus dem Nichts tauchen hier und da die Rig­gs der Tra­di­tion­ssegler vor Schleimünde auf. Das sind schon beein­druck­ende Spe­cial Effects, aber völ­lig illu­sorisch, dass uns jemand mit unser­er – sich­er orig­i­nal­ge­treuen, aber nur kläglich hupen­den – Mundtröte auf dem Wass­er wahrnehmen würde. Wir bleiben also über Nacht. Auch übers Früh­stück und den Vor­mit­tag bleibt nebe­lig. Mit Wind­vorher­sagen ist man unter­wegs eh dauernd busy, aber so ein zäher Nebel als Stören­fried ist uns neu. Also nutzen wir die Zeit, unsere etwas kurzen Heck­leinen zu check­en. Oder uns mal mit dem Taupunkt zu befassen. Wir find­en sog­ar eine App, aus der wir ihn ausle­sen und für eine Abschätzung des Nebelver­laufs nutzen kön­nen; wieder etwas Wis­sen aufge­frischt. Mit­tags endlich steigt die Luft­tem­per­a­turen über diese Schwelle, es klart  auf. Raus aus der Schlei und bei jet­zt bestem Segel­wet­ter auf den Weg nach Søn­der­borg, immer­hin. Drei Jahre schon haben wir bish­er wet­terbe­d­ingt einen Bogen drum gemacht. Meine nord­deutsche Fam­i­lie what­sappt mir unter­wegs Zeitungss­chipsel: Noti­zen zu den Seglern, die am Vortag von der DGZRS wegen man­gel­nder Sicht von Untiefen geschleppt wer­den mussten. Dann doch lieber auf der Lot­s­enin­sel rumdösen und in den Nebel starren.

Ent­lang der Küste ist nun viel Betrieb, aber nicht jed­er scheint die Auswe­ichregeln zu beherrschen: Ein ent­ge­genk­om­mendes Plas­te­boot macht auf Kol­li­sion­skurs komis­che Manöver. Wir kön­nen uns nicht recht frei­hal­ten, nun dreht es auch noch einen Kreis um uns: Über­raschung, Boot­seigen­tümer Mike hat uns aufge­spürt! Wir näh­ern uns auf Rufweite an, schon gut Wind und einige Welle, man muss sich jet­zt hier nicht die Rig­gs ver­hak­en. Mit einem kräfti­gen Wurf lan­den zusät­zliche Heck­leinen bei uns an Bord. Wenn das mal kein Kun­denser­vice ist! Unseren dafür überzäh­li­gen zweit­en Hand­kom­pass schick­en wir aber lieber nicht in Gegen­rich­tung zurück. Wir disku­tieren noch kurz gemein­sam, wo wohl der Rest sein­er Folke­boot-Flotte sei – da kom­men sie schon eben­falls vor­beigezis­cht und Mike sagt auch dort noch schnell hallo.

Endlich Kurs Nord

Ab jet­zt bestes Segel­wet­ter, um nördlich weit­erzukom­men. Im Yachthafen Søn­der­borg waren Armin und ich zusam­men noch nie, wir ori­en­tieren uns über die ver­schachtel­ten Molen und haben ein etwas mul­miges Gefühl angesichts eines regel­recht­en Mas­ten­waldes, der vor uns liegt. Søn­der­borg bleibt aber unser einzig voller Hafen jet­zt Mitte Mai, zudem unser teuer­ster Stopp. Vielle­icht hät­ten wir mit mehr Geduld doch noch die eine Hand­bre­it schmalere Box gefun­den – berech­net wird hier ja nach Liege­platzbre­ite. Aber es pfeift zu sehr im Hafen, als dass man unnötig viele Run­den drehen möchte. Auch wenn Armin ganz beein­druckt ist, wie wir trotz des Windes das Boot in ein­er der Gassen wen­den. Dass dieser Move gar nicht geplant war, geste­he ich erst später – aber so ist das beim Segeln: Auf Plan B fol­gt häu­fig noch Plan C. 

Abends laufen wir über die erst aufwändig neu gepflasterte und dann wieder durch Über­flu­tung zer­störte und wieder repari­erte Prom­e­nade in die Stadt. Vor­bei am Søn­der­borg Vikingek­lub („Win­ter­bade­v­ere­in mit Sauna“) und dem Schloss Søn­der­borg, um dem „Butt im Griff“ von Gün­ter Grass am Alt­stadtkai mit dessen fre­undlich gestrich­enen Haus­fas­saden einen Besuch abzus­tat­ten. Der in Bronze gegossene Fisch schaut in Rich­tung Nord zur  „Kong Chris­t­ian den X’s Bro“. Diese nach König Chrs­t­ian dem X. benan­nte Brücke wird sich am näch­sten Tag – immer um „38“ – für uns öff­nen und den Weg in den Als-Sund freigeben, nach­dem man noch am Ufer beein­druckt Uni­ver­sität und Bib­lio­thek passiert hat.

An der Nordspitze hängengeblieben

Auf hal­ber Strecke hän­gen wir nun also nach dem näch­sten Tag und wun­der­barem Alssund-Zick­za­ck in der Mjelsvig fest: es stürmt und pfeift. Im Hafen hat bere­its ein Schwein­sw­al spek­takulär direkt an unserem Steg neugierig die kleine „Vig“ (Bucht) erkun­dete. Was soll nun noch kom­men, wir haben langsam alles gese­hen. Man bringt uns die Namen der Schwäne bei, beim Haareschnei­den im Segler­haus reka­putal­ieren die Senioren ihre Ver­gan­gen­heit und man ahnt, dass Sitz­gruppe und Küchen­zeile die Geschicht­en nicht zum ersten Mal vernehmen. Man berichtet uns, dass die den Hafen betreibende Fam­i­lie noch eine Schweinezucht bewirtschaftet, auch Pferde hält. Reit­en ler­nen wollen wir kurzfristig aber nicht und ver­legen stattdessen endlich das Boot an einen anderen Liege­platz, wo uns der gedrehte Stark­wind nicht länger die Wellen aufs Heck (und damit nachts in die Wirbel­säule) trom­melt. Wir laufen los ent­lang des Ufers und über die Hügel durch Felder und knieho­hes Gras, bis Schuhe und Hosen vor Nässe triefen. Lüm­meln uns am Ufer der Dyvig auf weich geschwun­gene Holzbänke. Der Wind aus grauem Him­mel dreht die Anker­lieger langsam und syn­chron in der Bucht und soll uns etwas die Nässe aus den Hosen­beinen trock­nen. Der Blick reicht auf den ver­raucht­en Kiosk gegenüber, vor dem die Dauer­lieger ihre Bier­büch­sen lenzen. Wir trödeln rüber und genehmi­gen uns noch einen blau-schwarzen Plat­ten­bren­ner-Kaf­fee. Nach ein paar hügeli­gen Schlä­gen kreuz und quer, in von ein­samen Anwe­sen gestoppten Sack­gassen, durch eine aus­ge­büxte Schafherde und ent­lang ansteigen­der Kop­peln find­en wir doch noch die bekan­nte, auch vom Wass­er aus kaum sicht­bare Durch­fahrt in diese Bucht­en. Wie eng man sich zwis­chen den berühmtem his­torischen Stan­gen der „Steg Gaf“ in die Mjelsvig und Dyvig hinein­schle­icht, misst man eigentlich erst hier vom Ufer aus richtig. Fast kön­nte man diese Eng­stelle, auf deren Grund mit­te­lal­ter­liche Pfahlreste ruhen sollen, auch in ein paar Schrit­ten durch­wa­t­en. In der Sai­son ist hier Hochbe­trieb, heute baden nicht mal Kühe. Schließlich suchen wir noch den Bio­hof, der auf einem der typ­is­chen Aushangzettel vielver­sprechend an ein­er hölz­er­nen, ver­wit­terten Schup­pen­wand angeschla­gen war. Wir find­en die Straße, laufen diese auf und ab, aber der erhoffte Hof ent­pup­pt sich als typ­isch dänis­ch­er, vere­in­samter Verkauf­s­stand am Weges­rand: Aus ein­er Kühlbox kann man Eier greifen, wir entschei­den uns aber für ein paar Bech­er Honig als Mit­bringsel. Die gewün­schte Summe klimpern wir als Münzen mit und ohne Loch in die angeschraubte Spar­dose — denn mit dem eben­falls ange­bote­nen dänis­chen Smart­phone-Pay­ment ken­nen wir uns noch nicht aus.

Halbzeit-Marine-Knaller

Erst nach zwei Tagen kom­men wir weit­er, kur­ven oben um Als herum. Der Wind ste­ht gün­stig, aber so kräftig und leicht drehend, dass wir wegen der uns schräg schieben­den Welle trotz Bul­len­stander den tiefen Vor­wind-Kurs scheuen. Wir schla­gen stattdessen einen Hak­en weit­er auf die Ost­see und steuern leicht höher. So laufen wir sta­bil­er und sind zufrieden, als aus dem Nichts eine Explo­sion die Stille zer­reißt: Es rummst und bebt, aber nicht an Bord, son­dern schräg vor uns: Eine riesige, trotz ihrer Ent­fer­nung beein­druck­ende Wasser­fontäne erhebt sich. Es dauert eine Weile, bis sich der Pilz aus Wass­er und Dampf auf sein­er ganzen Bre­ite wieder abgereg­net hat. Vor Schreck vergessen wir, ein Bild zu machen, was ist das um Him­mels Willen? Schnell noch mal die Karte gecheckt: Das dänis­che Marine-Sper­rge­bi­et liegt in sicher­er Ent­fer­nung, aber doch in Ver­längerung genau vor uns. Was auch immer das für ein Böller war – wenn der neben einem hochge­ht, kann man die näch­sten Win­ter­lager­ar­beit­en wohl get­rost absagen. 

Wir cruisen zügig weit­er, erwä­gen immer wieder als weit­eres Zwis­chen­ziel Aver­nakø. Die Karten dazu haben wir längst mehrfach studiert und wollen die markante Dop­pelform nun auch noch ein­mal mit den Füßen im Inselkies statt nur dem Fin­ger auf der Karte erkun­den. Gehen aber doch auf Num­mer sich­er – wie gut kämen wir von dort beim erwarteten Wet­ter zur Flens­burg­er Förde raus? –  und nehmen Kurs nach Mom­mark vor uns. Nach Passieren sein­er markan­ten, leicht wind­schiefen Leucht­türme erschreckt uns zum ersten Mal in unserem Leben ein so leer­er Hafen, dass an Bord schla­gar­tig eine panis­che Ago­ra­pho­bie um sich greift: So viele leere Liege­plätze, man weiß ja gar nicht, wo man hin­s­teuern soll! Steg um Steg ist frei, an denen man sog­ar längs­seits liegen kann. Der gefühlte Raum an Bord ver­dop­pelt sich ger­adezu durch die Stell­fläche neben dem Boot, und wir bre­it­en uns gle­ich mal mit frisch gekochtem Kaf­fee, Tassen und viel zu viel Schoko­lade aus. Klein­er fotografis­ch­er Wer­mut­stropfen: Das einzige später noch ein­laufende, hässliche Motor-Angel­boot macht – genau neben uns fest. Grrrr. Eine schwere Prü­fung, nicht heim­lich dessen Leinen zu lösen und es zurück aufs Meer zu schieben … Umso voller ist es im Restau­rant des sin­gen­den Hafen­meis­ters. Wir haben noch Vor­räte für bes­timmt eine weit­ere Woche an Bord, waren aber nicht richtig kochwütig dieses Jahr und spendieren uns je einen der teuer­sten Burg­er unser­er Segelka­r­riere. Den­noch sehr leck­er, begleit­et von ein­er musikalis­chen Play­back-Showein­lage des Hafenchefs (die jedoch wiederum gegenüber seinem abendlichen Wald­horn­spiel, vor­ge­tra­gen auf einem Gar­ten­tisch ste­hend als Ein­schlaflied für alle Segler, in Sachen Orig­i­nal­ität etwas zurücksteht).

Rockin’ home

Als wenn wir nicht schon genug Wind gehabt hät­ten: Für unseren let­zten Schlag zurück bis zur Schlei sind im Tagesver­lauf nochmal ein paar Beau­fort zuviel ange­sagt, aus West und im Tagesver­lauf weit­er zunehmend. Wir stellen den Weck­er nicht zu spät und streben nach Süden. Mit Erre­ichen der Flens­burg­er Förde, die wie queren müssen, ver­lieren wir etwas Land­ab­deck­ung, aus der Förde her­aus baut sich gut Welle auf. Wir fall­en etwas ab in Rich­tung Ost­see, was sich ein wenig „trock­en­er“ segelt, wollen dem See­gang aber nicht zu viel Anlauf gön­nen und wen­den zwis­chen­durch wieder Schläge in Rich­tung Küste – wo es aber wieder flach­er wird. Dass die elek­trische Lenzpumpe (ja, ist eigentlich eh Luxus …) unter­wegs das Zeitliche geseg­net hat, kommt auch zur Unzeit. Die alte Dame Jacaran­da zieht eh etwas Wass­er, ihr Holzrumpf ist jet­zt am Saison­be­ginn noch nicht allzu lang gewässert und kön­nte etwas dichter sein. Bei dem hol­pri­gen Ritt von der Kante runter ins Cock­pit und unter den Boden­bret­tern die Hand­pumpe schwin­gen – da kann man sich, abge­se­hen von den eh eingepreis­ten blauen Fleck­en, ger­ade schönere Tätigkeit­en vorstellen. Später im Hafen müssen wir beim Aufräu­men der Schränke selb­st die Pfanne trock­nen, da in ihr das See­wass­er schwappt. 

Mike meldet sich auf Höhe der Förde tele­fonisch, wir sollen mal hin machen, es wür­den Böen von 8 gemessen und Besserung sei nicht in Sicht, im Gegen­teil. Na ja, das touris­tis­che Rah­men­pro­gramm mit großer Hafen­rund­fahrt und Blaskapelle ist hier eh schon abge­sagt. Das über 70 Jahre alte Lärchen­holz unter unseren Füßen muss sich gegen eine kräftige, graue Welle anstem­men, die uns im regelmäßi­gen Gle­ich­takt duscht und mit der Zeit auch die Son­nen­brillen, die das Salz etwas von den Augen hal­ten sollen, mit ein­er Kruste trüben. Wir sind schon zack­ig unter­wegs, aber jede neue Wellen­front stellt sich unserem kurzen Anlauf quer ent­ge­gen, es fühlt sich an, als wenn man wieder ste­hen bleibt. Der gut gedichtete und dop­pelt gesicherte Speed­puck am Fuß des nur noch wenig gold­en schim­mern­den Holz­mastes bekommt sein ver­schwim­mendes Dis­play kaum höher als sechs Knoten. 

Einen kleinen Aus­flugss­chlenker gön­nen wir uns trotz­dem, denn da gibts ja noch das wun­der­bare The­ma „Schlei-Ein­fahrt“. Aus diesem Trichter erwarten wir, dass und der Wind schon ab dem ersten Meter Schleiein­fahrt direkt auf den Bug pfeifen wird. Zum Kreuzen ist in diesem See­gatt wenig Raum, und wir wer­den motoren müssen. Aber auch erst genau ab dort, denn bei der zu erwartenden Welle vor der Schlei ist der Außen­bor­der nicht ein­set­zbar, er hinge im schlimm­sten Fall im Wellen­takt abwech­sel­nd mit der Schraube in der Luft oder dem Motor­block unter Wass­er. Also suchen wir uns auf dem iPad – das bei der Nässe, Wind und Wellen grad tat­säch­lich han­dlich­er ist als die mit­tler­weile eben­falls triefend abge­sof­fe­nen Papierkarten – einen Start­punkt. Von ihm denken wir – Plan A – mit hohem Amwind­kurs direkt in die Schlei rein­bolzen zu kön­nen. Dort direkt unterm Leucht­turm in der Ein­fahrt Segel runter, Motor an und Kurs West in die Schlei weit­er rein. Plan B („irgend­was ist ja immer“): Rein­heizen, hof­fen, dass nicht das hässlich­ste Touris­ten­schiff (und zwar des bekan­nten Uni­ver­sums) grad im Wege ste­ht und dann mit dem Schwung unter Segeln gegenüber in den Hafen Schleimünde rein und erst­mal an irgend einem Pfahl festmachen. 

Der gewählte Wende- und Start­punkt liegt Rich­tung des Mon­ster­hafens Olpenitz, und so sehen wir dessen Außenkante auch mal näher. Dann jet­zt los in Rich­tung Leucht­turm — aber Mist: um ein paar Grad ver­schätzt, wir laufen einen Hauch zu tief, so ver­passen wir die Ein­fahrt 100 Meter. Also Wende zurück, kor­rigieren, das gibt ja pein­liche Kringel auf dem GPS-Track. Weit­ere Wende zurück wäre nun langsam dran, aber jet­zt hakt nach dem ganzen nassen Gebocke auch noch wieder irgend­was am Motor, den Armin klar­ma­cht und so der Pinne im Weg ste­ht … ähm, sooo dicht woll­ten wir dann doch nicht zum alten Marine­hafen, in dem man immer­hin allen Platz der Welt für jedes erden­kliche Fra­gat­ten­manöver hätte. Nun passt alles, Kurs ist per­fekt und mit Schwung in die Schleimün­dung. Heute bleiben wir wenig­stens vom oft recht kabbe­li­gen Wind-gegen-Strom-Wellen­chaos ver­schont, das dem inter­essierten Besuch­er an Land gern die Unter­wasser­anstriche und Kiele der sich hineinkämpfend­en Boote zeigt. Der Motor ist schon unten, geht auch an, die Segel kom­men runter, zudem kaum Betrieb auf dem Wass­er bei dem Wet­ter. Die let­zte Seemeile bis Maasholm heißt es nur noch, gegen das eklige Wet­ter Kurs zu hal­ten und sich nicht neben das graue Fahrwass­er vertreiben zu lassen. Der Zweitak­ter kämpft tapfer vor sich hin, man möchte ihm für jeden sein­er knat­teri­gen Hübe danken. Und zum ich-weiß-nicht-wieviel­ten Mal denke ich: Wie cool, so als Team zu zweit einge­spielt zu ein. Das ganze The­ater immer allein – nee, darauf hätte ich keine Lust.

Gut fest­gemacht nach über sechs Stun­den Ritt und knapp 30 Seemeilen bele­gen wir im Ziel zum ersten Mal mehrere Liege­plätze: Nicht nur unsere Segelk­lam­ot­ten, auch die dicht an der Bor­d­wand liegen­den Pol­ster sind durchtränkt und wir verteilen und verzur­ren alles auf den Decks der Folke-Nach­bar­boote. Während das Wass­er aus den Kissen rin­nt und wir hof­fen, dass der Wind vor unser­er let­zten Nacht im Boot beim Trock­nen hil­ft, wucht­en wir das Gepäck raus und streben aus­ge­hungert in Rich­tung Grieche. 

Detlef Hoepfn­er Folke­boot-Tre­f­fen-Vortr­e­f­fen: Kaf­fee mit Stil von Kati und Jörg an Bord der Mumie von Klas­sisch am Wind

Folke-Freunde

Kaum zurück, haben wir direkt wieder Besuch an Bord: Wir ler­nen Kathi und Jörg ken­nen, mit denen wir gegen­seit­ig Wet­ter- und Routen­tipps aus­tauschen. Am näch­sten Mor­gen, bevor es für uns mit dem Auto zurück- und für sie mit einem Folke­boot nach Däne­mark los­ge­ht, genießen wir bei ihnen an Bord einen (und dann gle­ich noch einen) sehr stilecht­en Kaf­fee: von der Crew wird mit der Hand­kurbel die Müh­le in Schwung gebracht, während gle­ichzeit­ig die näch­sten Anek­doten über den gek­link­erten Planken der „Maj“ Fahrt aufnehmen. Endgültig wach vom Kaf­fee­duft kön­nen wir noch eine let­zte Erken­nt­nis dieser Tour beisteuern: 

Eingewe­ht in der Mjelsvig, auf halbem Wege unser­er Runde um Als, hat­ten wir eine windgeschützte Sitzecke gefun­den, die uns nicht nur vor den sechs, sieben über den Hafen ziehen­den Bft schützt, son­dern auch ein paar wär­mende Son­nen­strahlen bietet. Am Steg legte jet­zt nur ein einziges Schiff an. Ein stäh­lern­er Segelkut­ter, nach ein paar Anläufen und kräftigem Zupack­en am zu uns aus­laden­den Bugs­pri­et kom­men später drei fröh­liche Opas an Land. Gle­ich vom ersten hören wir, dass auch sie den Als-Sund hochgekom­men sind. Ges­pan­nt sind wir, welch­er Wind dort herrschte? Er schaut uns an. Über­legt. Nun wollen ihm doch irgendwelche Zahlen ein­fall­en: „… Wind­stärke drei bis vier?“ rät er völ­lig ahnungs­los. Wir ent­lassen ihn schnell aus unser­er Befra­gung, denn da kommt auch schon der Käptn. Graue Haare, grober Pul­li, warme Mütze, Ring im Ohr. „Wind…?“, wun­dert er sich. „Na ja, selb­st hier im Hafen zer­ren die Boote an den Fest­mach­ern!“ Nun däm­mert ihm was: „Men­sch, deshalb musste ich den Hebel so auf den Tisch leg­en!“ Er ist erle­ichtert: „Ich dachte schon, mit dem Motor wäre was!“ Gesegelt sei im Als-Sund bei dem Wet­ter zwar auch jemand. 

„Aber …“, zieht er Bilanz, „der hat­te dafür unter­wegs nicht drei oder vier Grog wie wir!“

Detlef Hoepfn­er Ein­mal rund Als

Folkeboot-Treffen 2019 in Arnis

FolkebootDetlef Hoepfner
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Das Folke­boot-Tre­f­fen 2019 haben wir nur so halb mitgenom­men – kamen ger­ade von ein­er doch zwis­chen­durch anstren­gen­den (Foto) Folke­boot-Woche (Foto) zurück und es zog uns nach Hause. Zumal Klaus es lei­der mit sein­er „Panik“, die wir kurz vorher noch bei uns in NRW an Land besucht hat­ten, nicht die Schlei herunter zum Tre­f­fen schaffte. Einen umfan­gre­icheren Bericht find­et Ihr beim Folke­boot Lotte. High­lights für uns: Etliche nette Leute zumin­d­est kurz wiederge­se­hen, ges­taunt, was für unglaubliche Pflegear­beit­en manche Besitzer in ihr Schmuck­stücke investieren kön­nen – und am Mor­gen noch zuvor bei Katih und Jörg an Bord der Mumie einen amtlich handgemahle­nen Folke­boot-Tre­f­fen-Vortr­e­f­fen-Kaf­fee (Foto) genossen.

PS: Wie cool es sich per Folke­boot um die Insel Als segeln lässt, haben wir in diesem Beitrag beschrieben

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Seekarten-App der Ostsee: Vergleich Raster vs. Vektor

Detlef Hoepfner
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Auf der boot 2019 zeigte der NV-Ver­lag seine erste Soft­ware-Ver­sion, die auch für uns Hob­by­segler die Darstel­lung von Vek­torkarten unter­stützt. Aus mein­er Sicht in viel­er Hin­sicht das „schlauere“ For­mat, da alle Ele­mente als Objek­te behan­delt wer­den, die dynamisch skaliert, mit Zusatz-/Meta­dat­en hin­ter­legt wer­den kön­nen usw. Ander­er­seits: Man ken­nt das Prob­lem aus anderen Medi­en (wie umfan­gre­ichen tech­nis­chen Doku­men­ta­tio­nen), bei denen die Ansicht dynamisch gener­iert statt vom Lay­outer „gemalt“ wird: Ganz schön schwierig, das einiger­maßen schick hinzubekom­men. Oder bei ein­er Karte: So, dass man in allen Zoom­stufen eine opti­male Darstel­lung hat. Eine Rasterkarte aus Bild­punk­ten kann für nur eine Ansicht per­fekt opti­miert wer­den, da schiebt man halt alle Beschrif­tun­gen so lange hin und her, bis es passt. Anderes Beispiel: die handge­mal­ten „Sky­lines“ in den Hafen­hand­büch­ern von NV finde ich manch­mal aus­sagekräftiger und mehr auf den Punkt als ein per­fek­tes Orig­i­nal­fo­to der Ansteuerungssituation.

„Seekarten-App der Ost­see: Ver­gle­ich Raster vs. Vek­tor“ weiterlesen

Video: 105 Seemeilen rund Ærø

Folkeboot-VideoDetlef Hoepfner
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Kam­era und Smart­phones hat man unter­wegs eh dabei – also warum nicht die Video-Schnipsel, die bei ein­er Woche Segeln mit dem Folke­boot „Jacaran­da“ (Bau­jahr 1946) von www.klassisch-am-wind.de in der Insel­welt um Ærø, Fynen, Lan­ge­land entste­hen, zusam­men­kleben? Bei der Fin­gerübung in FCP X gle­ich noch dessen Audio-Pro­cess­ing aus­pro­bieren, ein paar 360°-Sounds von Sennheis­ers Smart Head­set unter­legen, fehlt nur noch gute Musik: Gibt es neuerd­ings auch in richtig guter Qual­ität von Anbi­etern wie www.bensound.com. Also: Anlage auf­drehen oder Kopfhör­er auf für ein wenig Sail, Sounds und Soul, bis es im Früh­jahr 2019 wieder aufs Wass­er geht!

boot 2019 – wird nicht langweilig!

Segeln in VRDetlef Hoepfner
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Wet­ter grau, Arbeit viel, Out­door-Leben wenig – im Jan­u­ar kommt die Messe boot wie gerufen. Von Trade Shows habe ich eigentlich mehr als genug in meinem Leben gese­hen, aber diese ist fast wie ein Tag Urlaub. Jeden­falls, wenn man den Luxus genießt, sich ein­fach nur als Besuch­er durch die Hallen treiben lassen zu können.

Detlef Hoepfn­er (Sehr guter) Wet­ter­vor­trag von Meeno Schrad­er beim Mag­a­zin “acht” 🙂

Nach dem ersten Schock der Reizüber­flu­tung schnell Rückbesin­nung auf die kleine, am Vor­abend zusam­mengestellte To-Do-Liste: Bei der Wet­ter­welt endlich die Sea­man-App erk­lären lassen. Das Team war super nett, die App ist sich­er gut, mit der Darstel­lung aber komme ich nach wie vor nicht so klar (z.B. im Gegen­satz zu Sejl­sikkert, das dichter an solchen Ama­teuren wie mir ist). Super dann der Wet­ter­vor­trag des Teams zur aktuellen Kli­maen­twick­lung und den Fol­gen für Segler. Zur all­ge­meinen Erheiterung am Stand ein­er Zeitschrift, die sich kurz nach Mess­es­tart noch als “acht” zu erken­nen gab. Weit­er dann zum Ver­sicherungs­mak­ler: Klein­er Schwatz über Mar­ket­ing, die möglichen Ver­sicherun­gen – und ich nehme wohl ein­fach die gle­iche Skip­per­ver­sicherung, wie in den Vorjahren.

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105 Seemeilen rund Ærø

FolkebootDetlef Hoepfner

Lesedauer 8 MinutenNur noch wenige Meter bis zum Steg. Bis zu einem der Stege. Armin und ich sind uns sel­ten uneins, hier aber unentschlossen – welche der in sehr luftigem Abstand ins Hafen­beck­en geset­zten Pfahlrei­hen passt am besten zu unserem kurzen Folke­boot, wo ist das vom regen­nassen Algen­schmi­er seifenglat­te Holz­plateau nicht ganz so hoch? Von Mom­mark kom­mend hat­ten wir uns bei ständig zunehmen­dem Wind und eini­gen Schauern das Stück bis Lyø hochgear­beit­et, uns am Wind her­an­tas­tend an Fynens Süd­west­spitze steuer­bord gehal­ten und die lange, flache Nord-Landzunge Lyøs umrun­det. Karte und GPS im Blick – neben dem ins Meer greifend­en Naturschutzfin­ger wird es flach – nehmen wir das Groß runter und rauschen nur unter Fock auf die Hafene­in­fahrt zu, die noch gut zu erken­nen ist. Danach würde es laut Hafen­hand­buch aber bei Seit­en­wind zack­ig um die Eck­en gehen. Also noch den Außen­bor­der aus der Hal­terung gewuchtet, Ben­z­in­tank auf, und der Zweitak­ter schiebt uns die let­zten Meter durch die ros­ti­gen Spund­wände der Ein­fahrt, dreht den lan­gen Kiel trotz Wind auch um die Kur­ven. Die Leinen liegen klar, denn welch­er Ort es jet­zt auch wird: der Wind drückt uns dann seitlich, eine zügig fest­gemachte Leine an einem Punkt in Luv macht Sinn.

Weiter nordwärts
Außenborder
Armin Pech

Erfol­gre­iche Fehler­suche: durch den fehlen­den Sprit im Fil­ter kamen wir auf den Riss

Erst in Form eines aus­giebi­gen Früh­sports mit diversen Gas- und Choke-Ein­stel­lun­gen. So aufgewärmt, gehen wir sys­tem­a­tisch vor: Motorab­deck­ung auf, Sprit­fil­ter check­en. Stellen fest: dort ist offen­bar kein Tropfen Ben­zin mehr drin. Tank check­en – voll. Tankdeck­el – Lüfter ist auf. Tank ste­ht ger­ade, Ansaugstutzen ist unter dem Sprit-Lev­el. Alles tip-top. Gum­miball zum Pumpen. Der kommt uns übri­gens seit gestern etwas komisch vor. Son­st nix zu sehen, auch nicht an der Leitung. Warum kommt dieser elende Sprit nicht am Motor an? Armin dreht den Schlauch noch ein­mal aus der Ruhe­lage hin und her – da klappt ihm ein Leitungsriss direkt am Pump­ball ent­ge­gen: Ab hier herrschte also nur noch frisch­er Meer­luft-Flow in Rich­tung Heck zum Motor, wenn man durch Schwenk des Motors leicht­en Zug oder Drehung in den Schlauch brachte. Uns fällt ein Riesen­stein vom Herzen, und merken erst jet­zt, wie sehr uns diese tourentschei­dende Frage doch im Magen lag. Das Werkzeug ist schnell aus­gepackt, der Schlauch gekürzt, Schelle drauf, zwei‑, dreimal pumpen – Motor läuft.

Wir schnap­pen unsere Jack­en, check­en zum hun­dert­sten Mal die Fest­mach­er und erkun­den die Insel. Nur eine Hand­voll zerzauster Segler und zwei, drei Ein­heimis­che sind zu sehen. So malerisch diese ganzen Inseln auch sind: oft ver­bre­it­en sie ja doch eine etwas ver­störende Ver­lassen­heit. Hochw­er­tigst restau­ri­erte und ver­fal­l­ene Häuser wech­seln sich ab, aber die Edelfe­rien­häuser (oder Wer­tan­la­gen) kom­men mir beson­ders spooky vor, so ver­lassen in der Vor­sai­son. Am Weges­rand ein offen­er Ver­schlag mit Spar­dose – hier deck­en wir uns mit ein paar Gläsern selb­st­gekochter Marme­lade ein und erweit­ern unseren Bor­d­pro­viant um eine weit­ere Geschmack­srich­tung „Kirsche“. Bloß auf­passen, dass im Geld­schlitz nicht die falschen Münzen lan­den und wir beim näch­sten Hafe­nau­to­mat­en unter der Dusche im Trock­e­nen stehn.

Karten
Schweinswale
Detlef Hoepfn­er

Wenig Wind = schöne Sicht auf die Schweinswale

Wir trim­men hier und da, aber alle Tricks ändern nichts daran, dass man bei einem knap­pen Knoten Fahrt pro Stunde keine ganze Seemeile gut­macht. Wir gehen ungern so früh an den Treib­stoff, ander­er­seits: „Winden­ergie“ würde sich uns die näch­sten Tage noch zur Genüge bieten. Der Nor­den ist im Juni auch um zehn noch hell, das kommt uns nun zugute. Aber dann sollte man doch im Hafen sein, schon um Mom­marks Hafen­meis­ters leg­endäre Jagdhorn-Ein­lage nicht zu ver­passen. Hin­ten brummt der Zweitak­ter, am Bug spritzt es wieder, wenn auch Motor­boot-gle­ich­för­mig statt Segel- oder Wellen-mod­uliert. Sehr spät leg­en wir nach den ersten 20 Seemeilen in Mom­mark an, proppevoll am Sam­stagabend, außer uns bewe­gen sich am Hafen nur noch ein paar Angler­boote – und die ent­ge­genk­om­mend. Dankbar sind wir der vorauss­chauen­den Crew der in der Hafe­nenge liegen­den Pel­trine, einem über 100 Jahre alten See-Ewer: Zwar haben wir oft genug ver­gle­ich­bare Vorsegel an ähn­lichen Schif­f­en geset­zt und gebor­gen, aber ob wird beim engen Manövri­eren aus unser­er tiefen Folke­boot-Per­spek­tive her­aus an den weit aus­laden­den Klüver­baum weit über uns gedacht hätte, ohne den dran baumel­nden orangen Kugelfender …

Video von der Tour gibt’s hier


Folkeboot
Detlef Hoepfn­er

Armin macht ein Nick­erchen – und doch mal dichte Klam­ot­ten anziehen

Lyø hal­ten wir gut in Erin­nerung, nicht nur vom ben­zin­schlauchbe­d­ingten Anle­gen in Etap­pen und hil­fre­ichen (statt nur gaffend­en) Seglern, son­dern einem wun­der­baren Naturschutzge­bi­et, lan­gen, knor­ri­gen Alleen und dem mys­tis­chen „Glock­en­stein“. Viel Gele­gen­heit, den Tag wun­der­bar auf der Insel zu vertrödeln, umgeben vom schäu­menden Lillebælt.

Klokkestenen
Detlef Hoepfn­er

Pirat­en achteraus?

Zeit­gle­ich kom­men große Tra­di­tion­ssegler von Faborg um die steilen Klip­pen gebo­gen, uns ent­ge­gen oder holen von achtern sich aus dem Hor­i­zont erhebend auf. Was für eine phan­tastis­che Kulisse! Wir hal­ten ihre Kurse im Blick, set­zen uns etwas dichter dazwis­chen. Ein ein­fach über­wälti­gen­des Panora­ma aus kräftigem Wind und lan­gen Wellen, streifen­d­em Salz- und Regen­wass­er, als groß gepin­selte Pati­naflächen dazwis­chen cre­me­far­benes Segel­tuch. Zögen jet­zt noch Kanonen­don­ner und Pul­ver­dampf übers Wass­er, es würde einen fast nicht wun­dern. Nach rund ein­er Stunde hat der Spuk ein Ende, wir sind wieder allein und es stellen sich die All­t­ags­fra­gen: Das häßliche Kümo vor uns – in Fahrt, vor Anker, oder weiß es das ger­ade sel­ber nicht?

Es dauert nicht sehr lange (Karte­nauss­chnitt, und Blick auf die Delius-Klas­ing-App) bis nach 18 sm Ærøskøbings aufgerei­hte Bade­häuserzeile erre­icht und ein guter Platz gefun­den sind: Eine ganz leere Hafe­necke, gegen den Wind geduckt hin­ter ein­er mas­siv­en Stein­mole, das dänisch-bunte Muster hölz­ern­er „Bade­huse“ direkt vor Augen. Im Boot offen­bar sich nach dem Anle­gen das typ­is­che Chaos: Vorm Hafen grob aufge­tuchte Segel. Leinen über­all. Jack­en, nasse Hosen, Ret­tungswest­en. Karten, Kam­era, Tablet, Fer­n­glas, Funk. Unter Deck noch Baum­stütze, Fend­er, Zelt … Dass man abends über­haupt noch ein Lücke für den Schlaf­sack findet!

Armin möchte aufräumen.
Ich will zur Werft.
Armin zeigt auf das mar­itime Chaos rund um uns.

Ich auf die leeren Liege­box­en rechts und links: Hier ist nie­mand, der uns verpfeifen kön­nte – wir sind doch unter uns! Und der Werft-Shop führt manch­mal Wei­h­nachtss­chmuck. Damit kann man bei der häus­lichen Genehmi­gungsstelle für ehemännliche Erkun­dungs­fahrten zwecks tur­nus­mäßiger Ver­mes­sung der Dänis­chen Süd­see sehr erfol­gre­ich Punk­te sammeln. 

Armin möchte aufräu­men. Wenig­stens etwas. 

Wir eini­gen uns, müssen dann zu Fuß schnell ein­mal durch den ganzen Hafen, sind Vier­tel vor Fünf an „Det Gam­le Værft“. Die soeben geschlossen hat! Durchs Fen­ster sicht­bar­er Krim­skrams in den Werftre­galen schaut aus, als hätte er daheim etwas bewirken kön­nen. Nun wer­den wir uns für 2019 was ein­fall­en lassen müssen. Aber Segelk­lam­ot­ten, die schon aufge­hängt gut trock­nen, haben ja auch ihr Gutes.

Detlef Hoepfner
Fähre
Detlef Hoepfn­er

Wo bin ich 😉

Wir schle­ichen um die Boots­baustellen und schla­gen uns in die Neben­gassen. Eine schön­er als die andere, gehal­ten in far­ben­fro­hen, aber nicht über­sät­tigten Far­ben, flaniert von den hier typ­is­chen Stock­rosen. Von der Nør­re­gade schaut man durch die offe­nen Fen­ster in dänisch designte Wohn­räume. Und blickt durch deren hin­tere Fen­ster gle­ich weit­er durch auf die Ost­see. Die Jahreszahlen auf den Giebeln ver­rat­en, dass man schon in den 20iger Jahren des let­zten Jahrhun­derts wusste, wie es sich schön wohnen lässt, ganz ohne Foto­tapete oder Riesen­glotze an der Wand.

Æroskøbing
Kurs Marstal
Detlef Hoepfn­er

Kurs Marstal

Die Segel­woche neigt sich, es ist nochmal sehr viel Wind aus Nord ange­sagt. Die Rich­tung passt per­fekt, wir haben gut geplant. Nur zwei Tage drauf ist endlich nach­lassender Wind ange­sagt, wenn wir wieder einen sehr lange Schlag zurück nach Deutsch­land vor uns haben. Aber jet­zt schon ganz zurück … doch lieber Zwis­chen­stopp in Bagenkop. Raus aus Ærøskøbing pfeift es wieder ordentlich. Das Groß ist angeschla­gen, aber nicht geset­zt. Wir hof­fen, allein mit sehr reduziert­er Segelfäche – unter Fock – bei kräftigem Nord­west auf Halb­wind­kurs mit Kurs auf Drejø so viel Höhe hal­ten zu kön­nen, um von dort in die Mørkedyb-Rinne hin­un­terzu­rutschen. Die Welle nimmt ordentlich zu, die paar Segler um uns rum schauen von deut­lich größeren Booten auf uns runter. Sie kön­nten not­falls auch unter Motor einen Kurs „erzwin­gen“. Wir dage­gen müssen uns völ­lig an die Sit­u­a­tion adaptieren.

Mørkedyb
Detlef Hoepfn­er

Fahrwass­er-Wirrwarr vor Marstal – und das Trock­endock ist weg

Also Auss­chau gehal­ten, ob man den näch­sten beton­nten Hak­en Rich­tung Marstal nicht etwas mildern und abkürzen kann, ohne das Boot auf eine Sand­bank zu set­zen. Am Ende der Rinne bietet sich dazu nach SW ein Schlag über „Mey­ers Grund“ an, angesichts des See­gangs mit deut­lichem Abstand zu den Tiefe­nangaben, die mit ein­er „2“ vor dem Kom­ma in der Karte ste­hen. Vor Marstal ange­langt gilt es dann, die richtige Beton­nung der drei Fahrwass­er plus Hafen­z­u­fahrt statt der vorge­lagerten Stein­mole zu erwis­chen – nur unter Vorsegel bei dem vie­len Wind und ohne Option, unter Motor zu kor­rigieren gibt es hier auch nur einen Ver­such, richtig abzu­biegen. Wir hat­ten über­legt, noch einen Zwis­chen­stopp einzule­gen, den Tag extra hät­ten wir dafür. Aber mor­gen soll das Wet­ter kom­plett kip­pen, statt kräftigem Nord­west plöt­zlich Süd­west. Wir möcht­en hier nicht plöt­zlich eingewe­ht wer­den und denken, dass wir weit­er südlich auf Lan­ge­land bess­er aufge­hoben sind, um von dort bei SW zurück nach Deutsch­land zu kom­men. Also weit­er. Back­bord schim­mern mit klar­er Far­bkante abge­gren­zt die Sand­bänke dicht am Fahrwass­er, die Kulisse von Marstal zieht beim Kurs Süd steuer­bord vor­bei, mit gewöh­nungs­bedürftigem Umriss: Jahrzehnte geze­ich­net von den in den Him­mel ragen­den Fin­gern der Kräne und dem kasti­gen Schwim­m­dock der Marstal Værft, deren land­schaft­sprä­gende Stahlmonster aber 2017 nach Svend­borg ver­legt wur­den. Schön war anders – aber irgend­wie fehlt einem diese Land­marke jet­zt doch.

Strom
Hafen Bagenkop
Detlef Hoepfn­er

Bess­er kann es einem nicht gehen

Die vie­len freien Box­en liegen lei­der alle quer zum Wind, der Wind­druck nur im Rigg reicht aus, unser fest­gemachte Boot zu krän­gen. Noch hof­fen wir, einen der später ein­laden­den Segler neben uns lock­en kön­nen für etwas Deck­ung. Stattdessen gibt es zwar gut zu tun, von eben­so zer­rupften Seglern Leinen anzunehmen. Aber ihre fet­ten Motoren, mit denen sie mehr oder weniger erfol­gre­ich ver­suchen, ihre Anleger kon­trol­liert ver­laufen zu lassen, wühlen das halbe Hafen­beck­en rund um uns auf und es ist dann vielle­icht doch bess­er, dass wir alle etwas Abstand halten.

Nebe­nan wer­den die gemesse­nen Windgeschwindigkeit­en disku­tiert, und unser Zelt fürs Cock­pit bleibt fest weggepackt. Und da wir ja bei dem Gepfeife kaum den Gaskocher in Gang bekä­men, müssen wir lei­der, lei­der, aus­nahm­sweise im Hafenkiosk Riesen­por­tio­nen Lan­gelæn­der-Pommes und ein paar dicke Burg­er ver­drück­en. Nur ein Pølser reicht heut nicht. Aber auf einem Stuhl zu sitzen, ohne dass einen der Wind weg­drückt – das ist auf ein­mal unge­wohnt. Wir guck­en weit­er Wet­ter, Wet­ter, Wet­ter: Mor­gen, am vor­let­zten Tag, kräftiger Süd­west. Über­mor­gen dann deut­lich weniger – yiep­pieh, zulet­zt noch ein ruhiger­er Segelt­ag? Wir laufen nochmal zur Hafene­in­fahrt, schauen uns den See­gang und ein paar dazwis­chen ein­laufende Angler und Segler an, klet­tern auf den kleinen Aus­sicht­sturm: Da möcht­en wir jeden­falls so bald – und vor allem in Gegen­rich­tung – nicht wieder durch.

Bagenkop
Klippen
Detlef Hoepfn­er

Die Klip­pen, jet­zt von See aus

Kurs auf die deutsche Ostseeküste
Leuchtturm Schleimünde
Detlef Hoepfn­er

Zurück am Leucht­turm Schleimünde
Schlei
Detlef Hoepfn­er

Gesamte Runde um Ærø mit 105 Seemeilen (knapp 200 km)

Sailing-Sounds recorden

Recording better sailing soundsDetlef Hoepfner

Lesedauer 12 Minuten[ eng­lish ver­sion]

Vor­beirauschende Luft sorgt nicht nur für unsere Fort­be­we­gung auf dem Wass­er, son­dern auch für eine wun­der­bare Sound-Kulisse. Diese Ein­drücke auf ein­er Audio-/Videoauf­nahme einz­u­fan­gen, ist schwierig – der Windzug sorgt im Mikro­fon für Arte­fak­te, die viele Auf­nah­men unbrauch­bar machen kön­nen. Das muss doch bess­er gehen? Erste Ver­suche mit einem Immer­sive-Sound-Head­set – hier im Video, unten beschrieben.

Ohne Luft kein Klang­trans­port zu unseren Ohren. Nur dumm, dass Mikro­fone nicht unter­schei­den kön­nen zwis­chen gewün­schtem Wohl- oder Dra­mak­lang und ein­er Böe, die es in der Auf­nahme ein­fach nur poltern und krachen lässt. Und wenn man sich ein­mal zwingt, die ständi­ge Audiokomen­sa­tion des Gehirns auszuschal­ten, hört auch ohne Mikro­fon im Wind: Schon der reine Wind­kon­takt mit den Ohrmuscheln sorgt für eine zusät­zliche Geräuschkulisse. Bis dahin, dass es Rad­fahrern deswe­gen schw­er­fällt, her­an­na­hende Autos rechtzeit­ig zu hören. Als Segler macht man sich dies sog­ar unwillkür­lich zunutze: Eine schein­bare Win­drich­tung spüre ich ein­fach­er, wenn ich ein wenig mit dem Kopf pen­dele und an den Ohren sowohl die Tem­per­atur des Windzugs spüre als auch das leichte Rauschen an der Ohrkante.

Mikro­fone und ihr Geg­n­er „Wind“

(Mikrofon-)Katzen kom­men mir nicht an Bord – schon gar nicht tot

Aus­pro­biert: Recor­dend rund um Ærø

In-Ear-Mikro­fone – eine Lösung?

Segel­prax­is mit dem Ambeo-Mikrofon

Segler-Kun­stkopf unter der Kapuze

Auf­nah­me­po­si­tio­nen: man kann ja nicht weit weg auf dem Boot

Audio-Nach­bear­beitung der Segelfilme: funk­tion­iert De-Wind?

Wind­schutzideen

Kurzfassung: Tipps gegen Windstörungen in Segelvideos

  • Winde­in­flüsse müssen (auch vom inter­nen)  Mikro­fon fer­nge­hal­ten werden
  • bess­er ein pro­vi­sorisch­er Schutz (Socke ums Smart­phone!), als gar keiner
  • nachträglich lassen sich Störun­gen nur mäßig ent­fer­nen, Hoch­pass­fil­ter nutzen
  • externe In-Ear-Mikro­fone liefert drastisch besseren Sound, das Set ist vertret­bar­er Zusatza­ufwand, muss aber auch vor Wind geschützt wer­den. Und sei es durch die zuge­zo­gene Kapuze!

Den kratzi­gen Audio­ef­fekt ken­nt jed­er, der ein­mal bei etwas Wind mit seinem Smart­phone eine kurze Auf­nahme ges­tartet hat: Es krächzt ein­fach nur furcht­bar. Mikro­fone sollen zwar die fein­ste Luft­be­we­gung im Schall reg­istri­eren, der kräftige Luftzug aber, der das Sig­nal poltern oder gar clippen/übersteuern lässt, aus­ge­blendet sein. Dabei han­delt es sich ja um die jew­eils gle­ichen „Luft­par­tikel“!

Umso schlim­mer trifft es uns, die wir ja bevorzugt auf dem Wass­er herumzis­chen. Und die den Wind generell eher pos­i­tiv bew­erten. An Bord sitzend und run­dum eine Fülle pos­i­tiv­er Ein­drücke mit allen Sin­nen aufnehmend bleibt dann auf dem Video oft nur ein wack­e­liger Hor­i­zont und ein lautes CHRRRRRRRRRRRR. Das nervt.

NDR-Dreharbeiten
Richtig mikro­foniert gegen den Wind: NDR-Dreh bei “Klas­sisch am Wind”. So eine “tote Katze” gilt es prak­tik­a­bel nachzu­bilden Mike Peuk­er

In der Record­ing-Tech­nik gibt es bewährte Gegen­mit­tel. Am bekan­ntesten ist die „Tote Katze“: Um das gefed­erte Mikro­fon wird ein großer Korb gebaut, der mit einem durch­läs­si­gen Fell umman­telt ist, sodass die Wucht des Luftzugs abge­bremst wird. Beson­ders schnell set­zen die tief­fre­quenten Attack­en ein; kein Wun­der, wenn man sich Fre­quenz und Wucht dieser böi­gen Wind­be­we­gun­gen vor Augen führt. Ist im Auf­nahme­set kein Raum für große Körbe, behil­ft man sich mit direkt am Mikro­fon befes­tigten, durch­läs­si­gen Fell­stück­en oder Schaumstoffbällen.

Pro­duk­te und Anleitun­gen dafür gibt es in den Fachme­di­en in Hülle und Fülle. Aber: Wenn man nicht als Reportage-Team an Bord, son­dern nur zu zweit in der Nässe auf dem Boot unter­wegs ist – wie soll man sich dann noch um eine Mord­skon­struk­tion mit Tonan­gel usw. küm­mern? Hin­ter­her sieht man dann noch aus wie die Hob­byan­gler, die dem armen Fisch bis an die Zähne bewaffnet auf die Pelle rück­en, als würde sich da ger­ade eine Marine-Elite­tauch­er-Ein­heit anschle­ichen. Eine weit­ere Möglichkeit wären nicht gerichtete und beson­ders abges­timmte Mikro­fone. DPA in Däne­mark hat­te dazu mal ein Video gedreht, in dem die Windempfind­lichkeit von Reportagemikro­fo­nen ver­glichen wurde. Entschei­dend scheint nicht nur die Aus­führung des Wind­schutzes im Mikro­fonko­rb, son­dern auch die Kapse­lab­stim­mung selbst.

Aber auch die nützen mir bei einem Spaß-Törn nix, wenn ich an der Pinne sitze und spon­tan denke: Wow, das muss ich schnell fil­men! Denn dann habe ich nur mein Smart­phone zur Hand, oder vielle­icht die Kom­pak­tkam­era oder DSLR.

In den let­zten Jahren haben wir bei diversen Törns in der Dänis­chen Süd­see einige pro­vi­sorische Audioauf­nah­men durchgetestet, denen eins gemein war: Unsere Aufmerk­samkeit galt in der Lin­ie dem Segeln, das Record­ing lief irgend­wie neben­her. Im Zweifels­fall gucke ich lieber ein­mal mehr auf die Seekarte als auf die Kam­era. Ich ver­passe lieber eine schöne Auf­nahme als die Hafene­in­fahrt. Und immer berück­sichti­gend: Ja, wenn man ersthaft aufn­immt, weiß man sehr genau, was zu tun ist. Aber: Fiel­d­recorder, ein Stapel vernün­ftiger Mikro­fone und und und – bleibt alles zu Hause, ich habe Urlaub! Dieses Sam­mel­suri­um für das Fil­men beim Segeln kam zum Einsatz:

Recorder
Schon mit einem ein­fachen Recorder (mit der Aussterung ver­traut machen!) wird der Ton zwar deut­lich bess­er. Muss aber danach zum Bild syn­chro­nisiert wer­den – und nicht vergessen, die Mikro­fone vor Wind zu schützen! Detlef Hoepfn­er

Klein­er Dig­i­tal­recorder: Keine schlechte Idee, aber ich will nicht steuern, fil­men und noch den Recorder bedi­enen! Etwas windgeschützt im Cock­pit z.B. aber kann man schöne Basis­sounds ein­fan­gen, die man dann später unter “mißratene” Video­clips mis­cht. Will man sich­er gehen: Min­destens eine Socke über die Mikro­fone ziehen.Smart­phone – na ja: Die meis­ten Videos nimmt man eh damit auf, also nutzt man auch dessen Mikro­fon. Unser Smart­phone steckt in einem wasser­festen, zum Mod­ell genau passenden wasserdicht­en Case. Über­raschung: Die Windgeräusche sind dadurch eher noch heftiger als ganz ohne Hülle. Aber zum Case gibt es keine Alter­na­tive, schon weil ich das Smart­phone dadurch per Sicherungs­band mal irgend­wo sich­ern kann, damit es nicht herumfliegt.

DSLR – Schrottsound: Die einge­baut­en Mikro­fone liefern immer­hin ein Stere­o­bild, sind bezüglich Win­dan­fäl­ligkeit aber das pure Grauen. Man kön­nte Fellschnipsel draufk­leben, in ein­er Sai­son habe ich immer schnell ein Hal­stuch um die Optik (und damit vor die Mikro­fone) gewick­elt. In der aktuellen Sai­son bin ich dies­bezüglich lei­der etwas vergesslich gewor­den. Resul­tat: Sound­schrott! Ja, es gibt ein­fache Auf­steck­mikro­fone. Aber die Kam­era (derzeit D750) rollt gele­gentlich beim Segel­manöver zwis­chen Tauen und unseren Füßen auf dem Cock­pit­bo­den herum (denn tiefer kann sie dann ja kaum noch fall­en) – da stecke ich doch keinen zer­brech­lichen Klim­bim oben an die Kam­era dran.

Übri­gens: Gim­bal … Ja, the­o­retisch gute Idee. In der Prax­is: Alles viel zu fum­melig, empfind­lich. Vielle­icht eine Option, wenn man fest immer ein Smart­phone “übrig” hat, es einges­pan­nt lässt und irgend­wo trock­en weglegt für bes­timmte Momente. Aber auf einem kleinen Boot ist eh schon alles zu viel, was man extra mit­nimmt. Zumin­d­est, wenn man – wie wir – für so eine Tour allen Segelkrem­pel von ver­schiede­nen Booten zusam­men­sam­melt und auf ein geliehenes Boot umsortiert.
Also trainiert der ein­armige Kapitän bess­er weit­er seinen Kam­er­aarm und die Aus­gle­ichs­be­we­gun­gen in den Knien.

Es gibt schon länger eine kleine Szene von Nerds, die als Son­der­an­fer­ti­gun­gen  oder Klein­se­rien kom­pak­te Mikro­fone in der Form von In-Ear-Mikro­fo­nen tra­gen und witzige Videos drehen, in denen sich ein sehr plas­tis­ch­er, immer­siv­er Sur­round-Sound der Umge­bungk­länge erleben lässt. Sound­man in Berlin ist ein­er dieser Pio­niere. Sennheis­er hat diese Idee 2017/2018 eben­falls aufge­grif­f­en und in ein Serien­pro­dukt über­führt. Super­prak­tisch: Es kann ohne externes Inter­face direkt an einem einiger­maßen aktuellen iPhone betrieben wer­den, und es dient auch gle­ichzeit­ig als Hör­er. Sport- oder Action­szenen ste­hen dabei aber derzeit wohl nicht an erster Stelle. Unter dem „Ambeo“-Label forciert Sennheis­er darüber hin­aus aber auch eine ganze Rei­he pro­fes­sioneller Pro­duk­te rund um die Pro­duk­tion immer­siv­er Sounder­leb­nisse, die Kol­le­gen von Sound&Recording stellen sie hier vor.

Meine eige­nen Mehrkanal­ton-Instal­la­tio­nen zu Hause habe ich zwar kom­plett abge­baut und weggepackt – aber kön­nte diese Hör­er/Mikro­fon-Kom­bi­na­tion für Smart­phones eine Lösung sein? Für meinen Immer­sive-Sound-Grund­la­ge­nar­tikel hat­te ich sowieso ein Foto­muster von Sennheis­ers Ambeo-Hoff­nungsträger im Büro, also ein­mal ab damit nach draußen. Die diversen Schal­ter und Knöpfe haben mich direkt über­fordert, also doch bess­er mal fünf Minuten damit beschäfti­gen: Es gibt einige Funk­tio­nen, die auch das Wahrnehmen von Umge­bungs­geräuschen verbessern, wenn man mit den Stöpseln im Ohr musikhörend herum­läuft – was ich nie mache, schon weil ich ein­fach solche Dinger im Ohr nicht lei­den kann. Plus dass ich wenig Bedarf haben, die meist schö­nen Klänge um mich herum durch Alter­na­tivbeschal­lung zu übertönen.

Sennheiser Ambeo Headset
Sennheis­er Ambeo Smart Head­set mit Bedi­enein­heit, zwei Ohrbügeln incl. Hör­ern und Mikro­fo­nen sowie Smart­phone-Steck­er Detlef Hoepfn­er
Die drei ersten Ergeb­nisse mit dem Sennheis­er Ambeo vor dem Törn:
  • Das Sennheis­er Ambeo liefert eine sehr schöne Raum­ab­bil­dung. Da kann man jet­zt lange nerdig über die Qual­ität der Vorne- oder Hin­ten-Ortung disku­tieren – aber hey, das ist ein Con­sumer-Pro­dukt. Und über die inter­nen Wan­dler kann man aktiv mithören, man ist während der Auf­nahme nicht isoliert. Gut!
  • Das Sennheis­er Ambeo ist erst ein­mal nicht weniger win­dan­fäl­lig. Meine Hoff­nung, dass Form, Abstim­mung und Posi­tion der Mikro­fone in den Ohren vielle­icht beson­dere Vorteile bezüglich der Win­dan­fäl­ligkeit böten, hat sich lei­der nicht bestätigt. Den­noch sind später beim Segeln sehr coole Auf­nah­men entstanden.
  • Die Hand­habung ist eben wie sie so bei dieser Pro­duk­t­gat­tung ist (und mich auf die Palme bringt): Erst mal heißt es immer, die Kabel zu ent­tüd­deln und den richti­gen Stöpsel ins richtige Ohr zu bekom­men. Auf Dauer würde ich mir jeden­falls rot/grüne Markierun­gen für Back- und Steuer­bord-Ohr dran­kleben. Die Gen­er­a­tion, die zusät­zlich zur Nabelschnur mit zwei weit­eren Strip­pen zur Welt gekom­men ist, agiert da sich­er geduldiger.

Gele­gen­heit zum Prax­is­test hat­te ich sieben Tage lang auf dem Wass­er und auf diversen dänis­chen Inseln – the­o­retisch. Tat­säch­lich mit dem Ambeo aufgenom­men habe ich … vielle­icht eine halbe Stunde in Summe, lei­der nur. Denn selb­st bei ein­er ganzen Woche auf dem Folke­boot (einem über 70 Jahre alten Schmuck­stück von www.klassisch-am-wind.de) ist man so viel mit wun­der­baren Auf­gaben wie Segel­prax­is, Törn­pla­nung, Wet­ter­beobach­tung, Karte­nar­beit, Kartof­felschälen oder Löch­er-in-die-Luft-guck­en beschäftigt, dass der ganze Elek­tron­ikkram in den Hin­ter­grund rückt. Und sicheres Ankom­men via attrak­tiv­er Routen ste­ht bei den Touren ganz im Vorder­grund. Alle Auf­nah­men, die ich nun in einem Video zusam­mengeschnit­ten habe, ent­standen daher zu nur zwei Gelegenheiten.

Die größte prak­tis­che Ein­schränkung: Man hat schon eine Segel­jacke an – jeden­falls bei unseren fast durchgängig sehr stür­mis­chen Tagen. Darüber eine mehr oder weniger mar­tialis­che Ret­tungsweste. Da ist dann vorne manch­mal noch ein Lifebelt einge­hakt. Das Smart­phone (mit zusät­zlich laufend­er Seekarten-App) steckt wasserdicht ver­packt in der Hosen­tasche. Jet­zt noch zwei fil­igrane Kabel sortieren, Mikro­fon­stöpsel in die Ohren, das iPhone-Case öff­nen und Mikro­fon und Smart­phone verbinden? Bei rup­pigem Wet­ter eine Herausforderung.

Mit Kapuze segeln
Je nach Wet­ter ist man eher beschäftigt, die näch­ste Tonne nicht zu ver­passen oder von Bord zu fliegen, als jet­zt noch Record­ing-Equip­ment zu instal­lieren Armin Pech

Und dann noch der Wind. Gegen die Windempfind­lichkeit testete ich zuvor einige banale Tricks, wie ein über die Ohren hochge­zo­genes Hal­stuch (kein überzeu­gen­des Ergeb­nis). Unter­wegs griff ich dann mehr oder weniger aus Rat­losigkeit dazu, ein­fach die Kapuze der Regen­jacke über die Mikro­fone in den Ohren zu ziehen. Dem Audio­profi dreht sich da natür­lich der Magen um: Nicht wegen der Schaukelei, son­dern ein „Kun­stkopfmikro­fon am leben­den Sub­jekt“ mit drüberge­zo­gen­er Kapuze macht jet­zt nicht so viel Sinn, oder? Die ganzen Reflex­io­nen rund um die Ohrmuschel wer­den ja total gestört, erhal­ten bleiben immer­hin die Laufzeitun­ter­schiede zwis­chen den Ohren. Und für die Hochtonauf­nahme ist das auch nicht erste Wahl. Dabei finde ich einen Audio­ef­fekt beson­ders stark: Im Folke­boot sitzt man sehr tief direkt in der Nähe der Wasser­ober­fläche. Die vom gek­link­erten Rumpf gebroch­enen Wellen rauschen direkt neben einem vor­bei. Mil­liar­den von winzi­gen Bläschen zer­platzen und erzeu­gen einen ganz eige­nen Sound. Alles da in der Real­ität: Bässe, Mit­ten, feine Höhen.

Ob das auf­nah­me­tech­nisch opti­mal ist, weiß ich noch nicht, aber super bewährt hat sich auch das aktive Mithören während der Auf­nahme bei den Sennheis­ers: An Bord bei etwas Welle herumk­let­ternd bekomme ich eigentlich direkt ein ungutes Gefühl, wenn ich mir die Ohren zustöpse­le. In dem Moment merkt man erst, wieviel Ori­en­tierungssinn auch über das Gehör läuft. Aktiviert hört man eher so, als wären die Stöpsel nicht im Ohr – sozusagen das Gegen­teil des (eben­falls möglichen) Noise Can­cel­ing.

Aufnahme am Süllrand
Detlef Hoepfn­er

Aufgenom­men habe ich mehrere Posi­tio­nen: Tief über dem Wass­er in Lee nach vorne sehen, dann nach hin­ten übers Heck blick­end (und dadurch mehr von der Kapuze geschützt, da der Wind ja bei den meis­ten Kursen eher vor­lich ein­fällt). Noch geschützter tiefer im Cock­pit sitzend, wobei ein zweit­er Sound immer stärk­er dominiert: Wenn der außen nicht glat­te, son­dern durch die Klink­er­bauweise „stu­fige“ Holzrumpf in die Wellen taucht, pro­duziert er recht fette, tief­fre­quente Klänge, die ich zulet­zt noch im Bootsin­neren auf­nahm. Dort drin­nen ohne Kapuze, wobei hier wenig Hochfre­quen­zan­teile zu vernehmen sind, bis auf das diverse Geklap­per von einigem Krem­pel (wie sich­er und trock­en man vorher auch alles ver­staut haben mag).

Die Ergeb­nisse sind, nach­dem ich noch einen jew­eils angepassten Hoch­pass gegen die verbliebe­nen Wind-Rum­pler angewen­det habe, angesichts der Umstände verblüf­fend gut! Mein per­sön­liche Favorit im Video: Der Blick auf den Kom­pass im Cock­pit, der wenig Wind ein­f­ing, daher noch viel Tiefton­in­halt behielt und eine Mis­chung aus don­nern­dem Holzrumpf, rauschen­den Wellen und den diversen Boots­geräuschen bietet. Auch ein seitlich­er Blick in Lee zum Bug bietet mir Hör­genuss: An Back­bord rauschen die Wellen von vorne seitlich nach hin­ten vor­bei, an Steuer­bord dominiert der Boots-Sound, und zwis­chen­durch klap­pern Details wie der Schäkel, der am Großbaum irgend­wo über/hinter einem für die herun­ter­hän­gende Dirk angeschla­gen ist. Schwierig zu unter­schei­den ist manch­mal, woher einige der „Crack­les“ in den Auf­nah­men stam­men: Es kann sich um kleine Klap­pereien am Boot han­deln, Wasser­spritzer, das Sch­aben der Regen­jacke am Mikro­fon – oder kom­men sich da Mikro­fon und Haare in die Quere? Also direkt mal zum Friseur, Ohren freischneiden.

Ver­lock­end ist die Per­spek­tive, die ganzen Fehler und Audiostörun­gen eines Video­clips in der Nach­bear­beitung mit ein, zwei Tricks schnell zu kor­rigieren. Das ist im Fall der Windgeräusche eine Illu­sion.

So lange es sich um sehr tief­fre­quente  Störun­gen han­delt, kann man diese – wie bei den Ambeo-Auf­nah­men unter der Kapuze prak­tiziert – mit einem Hoch­pass dämpfen. Die Win­drum­pler ver­schwinden weit­ge­hend, damit aber auch der “Rumms”, wenn die Welle den Bug trifft. Da kann man noch ein wenig pfuschen (wie im Intro meines Videos), indem man eine saubere Auf­nahme im LF drun­ter­mis­cht. Zur Verdeut­lichung ein Beispiel, aufgenom­men m Hafen: Das wieder­holte Muster aus senkrecht­en orangen Lin­ien sind die schla­gen­den Fall­en run­dum, auf dem recht­en Ohr (unten) beson­ders am Anfang Wind­stöße, und durchgängig “Wind­druck” im LF-/Tiefton­bere­ich.

Windspektrum
Sehr kräftige LF-Störung auf bei­den Ohren, aufgenom­men bei wenig Wind am Ufer Detlef Hoepfn­er

Hochpassfilter
Hoch­pass­fil­ter 200 Hz – das nimmt neben dem tiefen Rumpeln schon Grund­ton weg Detlef Hoepfn­er

mit Hochpass
Ergeb­nis mit HPF – das Schla­gen der Fall­en im Hafen ist weit­er zu hören (orange Striche in Fen­ster­mitte), der ganze tiefe Win­dan­teil ist gedämpft Detlef Hoepfn­er
Beson­ders prob­lema­tisch ist aber, wenn die Wind­störun­gen im Fre­quen­zspek­trum sehr bre­it aus­fall­en. Und das ist meis­tens der Fall. Noch schlim­mer: Es han­delt sich nicht um einzelne, kleine Audio­events, son­dern die Störung dauert mehrere Sekun­den an. Meine Videoauf­nahme in Luv ste­hen und zum Bug blick­end zeigt, dass dann die Hil­fe via Hoch­pass­fil­ter schnell zu Frust führt: Die Auf­nahme wird dann ziem­lich “dünn”, weil man das Fil­ter bis in den Mit­tel­ton­bere­ich hochschieben muss.

Windstoß
Der kräftige Wind­stoß anfangs auf dem recht­en Ohr reicht im Spek­trum bis über 1 kHz hin­auf – per Hoch­pass­fil­terung würde hier schon viel von der Auf­nahme ver­loren gehen Detlef Hoepfn­er
Aber kön­nen hier nicht mod­erne Fea­tures wie das De-Wind-Plu­g­in von iZo­tope RX6 ret­tend ein­greifen? Nach mein­er Erfahrung: Schwierig. Die Tools sind dazu entwick­elt, aus ein­er nicht ide­alen Auf­nahme ein konkretes Nutzsig­nal – wie einen Dia­log – sauber her­auszuisolieren. Wir haben aber bre­it­bandi­ges Meeres­rauschen, lange brechende Wellen, Wind­heulen im Rigg – wie soll da ein Algo­rith­mus unter­schei­den, welch­es Rauschen gewollt und welch­es böse Wind­störun­gen in der Mikro­fonkapsel sind? Wie auch immer ich die Para­me­ter gedreht habe: entwed­er es blieb die Wind­störung, oder es gab viel Arte­fak­te, oder beides.

Windstörungs/Wellen-Mix
Wind­störungs/Wellen-Mix von Bord – das zu tren­nen, würde ewig dauern Detlef Hoepfn­er
Was dage­gen möglich ist, ist das par­tielle Ent­fer­nen kurz­er Störun­gen Schnipsel für Schnipsel, eventuell getren­nt für L und R. Auch die Ret­tung via Spek­tral-Repair kann da erfol­gre­ich sein. Aber wenn man sich oben ein­mal dieses Spek­trum von Bord ansieht, aufgenom­men mit einem durch­schnit­tlichen Smart­phone: Völ­lig über­trieben, hier jet­zt nächte­lang die einzel­nen Wind­störun­gen im Mikro­fon (grün, hun­dert­fach sich wieder­holend) vom Wellen­rauschen (blau) tren­nen zu wollen. Ver­mut­lich bekäme man eher das gewün­schte Nutzsig­nal – Wellen- und Wasser­rauschen – weggerechnet …

Langer Rede kurz­er Sinn: Mit den In-Ear-Mikro­fo­nen bekommt man tolle Sounds hin, aber was auch immer man benutzt: es geht kein Weg an einem Wind­schutz vor­bei. Und sei es eine schnell übers Mikro­fon oder Smart­phone gezo­gene Socke.

Nach einiger Grü­belei entwick­elte ich eine weit­ere Idee für die smarten In-Ear-Mikro­fone: Man müsste doch eine Art Kopfhör­er bauen, nur als Wind­schutz … das Mate­r­i­al dafür ist auf dem Weg zu mir für eine sim­ple und eine etwas aufwändi­gere Idee mit mehr (gut!) oder etwas weniger Abstand zum Mikrofon.

Um dann festzustellen, dass Rycote sowas bere­its für die Sound­man-Mikro­fone baut und über die gängi­gen Musik­er-Onli­neshops anbi­etet. [Emoti­con: flache Hand vor die Stirn schla­gend …] Kann dann ja wohl nicht so abwegig sein; mehr dazu hier als Nach­trag nach erfol­gter Bas­tel- und Erprobungsrunde!


Dis­claimer: Boot gechar­tert bei Mike Peuk­er, zusät­zliche Auf­nah­men und Tests bei www.segeln.ruhr, kreative Diskus­sio­nen mit den Jungs von www.soundandrecording.de und www.kameramann.de in den Neben­büros, Sennheis­er Ambeo für ein anderes The­ma geliehen bei Sennheiser. 

Und an alle SEO-Freaks, die jet­zt mit Blick auf das Mate­r­i­al hier jam­mern “Das macht doch so alles keinen Sinn!”: Segeln macht auch gar keinen Sinn!