2022 gab es auf der Panik wieder einige Folkeboot-Überraschungen: Warum wölbt sich das Vordeck seltsam hoch? Und ist es normal, dass auch im Winterlager backbordseitig das Heck am Übergang zum Deck nie richtig trocken wird?
Am Bug galt es dann für Klaus, eine durch blühenden Rost äußerst stramm im Bug klemmende Metallstrebe herauszuoperieren. Für die Ecke am Heck fügte sich glücklich, dass Tablett oder Schalen aus hochwertigen Hölzern in der Panik-Werft sorgsam gesammelt werden.
Nach zwei Jahren mit einer ausgefallenen Folkeboot-Tour und einem Törn von Testzentrum zu Zahnarztpraxis nun in 2022 endlich wieder eine ganze Woche Leben unter Segeln. Das Schleiwasser hatten wir dabei sogar hauptsächlich unterm Kiel statt in dem Boot – ein Privileg, dass andere sich erst hart erarbeiten müssen, wie wir unterwegs lernten
Trööööööt …! Bin selbst etwas erschrocken, wie laut es über die Schlei nach einem kräftigen Lungenzug in Richtung Campingplatz schallt. Aber irgendwann muss man dieses Messing-Signalhorn doch auch mal praktisch nutzen! Haaaaaa-loooooo-klaaaauuuuus?! Wir wissen nicht, ob unser Freund und Nachbar sein Folkeboot „Panik“ pünktlich hier an die Schlei bekommen hat. Am Steg, den wir auf unserem mehrstufigen Weg von Maasholm Richtung Schleswig passieren, sehen wir es nicht im Fernglas. Auch der Campingplatz scheint unbelebt. Wir haben den Platz schon halb passiert, da kommt seine Frau ans Ufer gelaufen. Jetzt haben wir spontan gar nicht gecheckt, wie flach es da vorne ist. Aber mit ein paar Rufen und Armbewegungen ist auch über Entfernung klar: Die „Panik“ wird heute in Missunde gekrant, zu Wasser gelassen und der Mast gestellt. Da kommen wir jetzt eh vorbei. Aber passt unser unvorhersehbares Timing zu den knappen Kran-Zeitslots?
Typische Schlei-Perspektive, davor ist es flach – Kartenkonzentration …
Was ein Zufall! Dabei war vor ein paar Tagen noch gar nicht klar, ob wir überhaupt zu unserer jährlichen Tour würden starten können. Eine Sorgen bereitende WhatsApp „Können wir bitte telefonieren?“ ging schon vor zwei Jahren einmal zwischen uns hin und her. Damals hatten wir in gegenseitiger Abstimmung beschlossen: Wir können diesmal gar nicht los. 2022 nun eine ähnliche Situation. Aber wieder ist für uns klar: Wenn einer von uns in der Klemme ist, tragen wir nötige Entscheidungen gemeinsam, gar keine Frage. Nach längerer Krisensitzung per Videoschalte beschließen wir: Das Auto wird nicht wieder ausgepackt, wir schaffen uns stattdessen unterwegs ausreichend Ausstiegs-Optionen. Und einen Plan B braucht man beim Segeln ja sowieso immer, mindestens. Vor allem, wenn die Lärche für den Bootsrumpf der diesmal gecharterten „Mumi“ schon 1968 auf die Eichenspanten gelegt wurde.
Neues Team bei “Klassisch am Wind”
Gespannt sind wir diesmal nicht nur auf diese gut sieben Meter Folkeboot, sondern auch auf die Vercharterer Jeannine und Sven Steinbach. Ab dieser Saison führen sie die Pflege und Vermietung von Jacaranda, Maj, Admiral Jacob und eben Mumi weiter. Kontakt und Übergabe laufen super easy und sympathisch. Schnell haben wir das Gefühl: hier ist das Projekt „Klassisch am Wind“ wieder in gute Hände weitergegeben. Mit Jacaranda und Maj haben wir schon etliche Touren durch die „Dänische Südsee“ geloggt, auf Admiral Jacob immerhin einmal übernachtet und sind nun gespannt, wie „Mumi“ und wir uns miteinander anfreunden.
Herausforderung Nr. 1 ist wie immer (nachdem Armin sich endlich im Supermarkt auf die richtige Sorte Kartoffeln geeinigt hat): Wie bekommen wir mehrere Handkarren voller Klamotten und Lebensmittel, zuvor von Armin schon nach unserer Standard-Cloud-Einkaufsliste eingekauft, in dieses Boot? Auto leer, aber Vordeck und Cockpit komplett voll … Die „Maj“ hatte noch Schwalbennester über den beiden Kojen. Hier stößt man sich zwar nicht den Kopf daran, aber es fehlt auch der Stauraum für Zwiebeln, Brot, Nudeln, Kulturbeutel, Kamera, Navi-iPads, Ladegeräte … und und und. Also unter Deck erst mal Platz geschafft, Klapptisch oder Rettungsinsel haben wir eh nicht vor zu nutzen, also alles in die Ecken damit. Dann die ganzen Bodenbretter lockern und inspizieren, wo man was in der immer etwas nassen Bilge unterbringen könnte. Gut verpackte Lebensmittel nach unten, den Käse lieber nach oben. Hält sich hier etwas kühler, wegfuttern sollte man ihn dennoch schnell. Sogar eine kleine Kühlbox würde man hier vielleicht unterbekommen. Richtig am Vorluk platziert, kommt man an manche Kisten später sogar bequem vom Vordeck aus. Wenn man nicht vorher vergessen hat, im engen Bug den Schnappverschluss zu öffnen …
Die erste kurze Nacht und den Einräumtag liegen wir noch in Maasholm. Um Werft und durch die vorgelagerten Yachten heult der Wind, die Flaggen zerren mächtig an ihren Leinen. Nicht der Sound, den man nach anstrengenden Arbeitswochen, Anreise und unklarer Wochenperspektive hören will. Wir checken die Wettermodelle ECMWF und ICON. Schauen von der vorgelagerten Hafenspitze zu, wie andere Boote kleine Testrunden vor Maasholm drehen und wie sich die von Kappeln kommenden Boote schlagen. In Schleimünde wären wir bei dem Wind easy. Aber da fahren am Wochenende alle hin, das sparen wir uns. Und die nächsten Ziele via Ostsee liegen danach zu entfernt, zumal bei unserer Planungs-Unsicherheit. Abends spät hält sich der Wind an die Vorhersagen, wird etwas ruhiger. Ich habe auch schon nach nur einem Tag genug vom Schnack der „Hafen-Dauercamper“ und wir müssen auch unserer Psyche zuliebe los. Kurz vor Jahresmitte ist es nun — zumal hier im Norden — eh ewig lange hell. Nächst erreichbar liegt Kappeln, da hätten wir auch bei Wetterverschlechterung etwas zu tun. Der nun zwar angenehmere Wind steht auf der Strecke jedoch genau gegenan.
Kappeln und Arnis – nicht nur ein Kompromiss
Jetzt sind wir nicht für Angst vorm Kreuzen bekannt und so bereits den kompletten Als-Sund hoch. Aber wir entscheiden uns für eine Kombi: Die Segel werden gegen 19.00 Uhr angeschlagen und los gehts. Prompt fällt uns nach dem Ablegen auf, dass wir in den Schnüren doch noch was überkreuz haben. Also ein guter Test. Das ist die Herausforderung Charter-Segeln: Mit dem eigenen Boot ist man ewig vertraut, was einem nicht gefällt, baut man um. Aber selbst diese vier fast gleichen Folkeboote haben doch hier und da ihre kleinen Unterschiede, und so ist man als Charterer besonders gefordert, sich schnell zu adaptieren.
Armin Pech Kurzer Halbwind-Probeschlag abends um halb achtArmin PechDetlef Hoepfner Erstes Anlegen klappt schon mal topDetlef Hoepfner Liegeplatz etwas ruhiger in Richtung Schlei — und mit mehr Abendsonne
Nach ein paar Wenden geht der Kurs nach Nordwest, die Segel beide wieder runter und wir sind total begeistert von diesem 4‑PS-Außenborder: Der Viertakter läuft ruhig und leise, springt immer verzögerungsfrei an, stinkt weniger und braucht kaum Sprit. Mehr kann man von der Problemstelle Nr. 1 eines Segelbootes nicht verlangen. Einzig der Kraftstoffschlauch klemmt gerne mal an der Motorhalterung, zum Manövrieren mag man den Außenborder ja gerne auch mal komplett um 90°quer stellen. Mit einem langsamen Seitenimpuls dreht man den Langkieler so gut. Am besten gefällt uns fast die lustige Beschilderung „Hase“ und „Schildkröte“ am Gasgriff.
Die letzte Brückenöffnung in Kappeln ist abends kurz vor zehn, das schaffen wir locker. Beim ASC finden wir einen schönen Platz mit dem Bug zur Schlei und Heck in die Abendsonne. Dabei etwas weg vom Landleben und der den Museumshafen überragenden Milchfabrik, deren Vorbesitzer bis 2019 dem Promenadenweg seinen Namen gab.
Hier gönnen wir uns einen Tag dringend nötiger Ruhe. Wir dürfen gelassener abwarten, wie sich daheim unsere Lagen entwickeln und wären schnell zurück. Die Stadt lädt zum Bummeln ein, das Hafen-Restaurant ist mega (bester Veggie-Burger vonne Welt), die Museumsschiffe locken gleich nebenan und wir liegen sicher und ruhig. Einzig auf solche schlichten Wandersegler wie uns ist man hier nicht unbedingt optimal eingestellt. Und wir lernen: Für eine Mitgliedschaft (zu ungenannten Kosten) bräuchten wir hier zwei Bürgen — das bekommen wir aber schnell hin, zählen wir uns beide an Bord kurz durch 🙂
Detlef Hoepfner Gewitterwolken türmen sich aufArmin Pech Das Wetter ist weiter nicht unser FreundDetlef Hoepfner Der Regen ist etwas schneller als unsere 4 PSDetlef Hoepfner Arnis, hat übrigens den nettesten HafenmeisterZwischen Gewittern und Regen über nach Arnis
Richtig raus aus der Schlei werden wir diese Woche nicht kommen, das wird uns beiden langsam klar. Unser Ziel Avernakø aber von unsere To-do-Liste können wir vergessen. Armin: „Durch Plan B stand fest, es gibt nur einen Weg: Schlei rauf und anschließend wieder abwärts, soweit wir wollen. Also alles entspannt.“ Sesshaft wollen wir hier in diesem Hafen nun jedoch auch nicht werden. Dagen spricht am nächsten Tag in geradezu lehrbuchmäßiges auftürmen von Gewitterwolken über der Stadt. Flankiert werden sie von dunklen Fronten am Horizont. Wir checken das Wolkenradar, schauen in den Himmel, prüfen Den Wetterbericht und ergreifen eine Gelegenheit, die uns günstig scheint. Unter Motor wenigstens schnell rüber nach Arnis, in Bewegung zu sein, und sei es nur so kurz, tut uns gut. Aber die Idee, der Front auszuweichen, haut nicht ganz hin: auf dem Weg holt sie uns langsam ein und duscht einmal das Salz Wasser von uns und dem Boot. Angekommen in Arnis begrüßt uns dafür Sonnenschein. dazu noch der beste Hafenmeister weit und breit, der seinem Namen gerecht wird. Da fehlen nur noch Annette und Hildor, die uns hier im letzten Jahr von Land aus supportet haben.
Detlef HoepfnerDetlef HoepfnerArmin PechDetlef HoepfnerDetlef Hoepfner “Es muss nicht immer Bratwurst sein” — während seine Familie grillt, versucht Armin, sich meinen Erdbeer-Tick schönzureden und pfeffert diese raffiniert. Wir sind beide mäßig beeindruckt.Detlef HoepfnerDer Mond ist in diesen Juni-Nächten 2022 der Erde sehr nah
Ein Rundgang um die Halbinsel durch die Gärten und Werftgelände oder ein Flammkuchen in der Schleiperle sind allemal einen Nachmittag wert. direkt vor unseren Augen wird sogar ein komplettes Kümo gerade frisch geslippt.
Erdbeeren bunkern in Lindaunis
Jörg Lubs Unser Holzboot vor viel altem Stahl
Next Stop Lindaunis — übrigens ausgesprochen „Lindau-Nis“ wie mich meine norddeutsche Familie überzeugt. Letztes Jahr war hier für uns Endstation. Die skurille Brücke ist allein einen Besuch wert, aber – wenn wieder mal verklemmt – für hohe Masten nicht passierbar. Wir sind mit den Infos der die beeindruckende Baustelle verantwortenden Bahn optimal versorgt (das gute und informative Bau-Infoportal findet sich hier). Wir müssen uns bei der Ansteuerung der Marina direkt vor den gigantischen Baustellen-Pontons nur noch für einen Liegeplatz entscheiden: eher Ostseite mit Blick zurück in die Schlei oder gegenüber Richtung Brücke? Armin plädiert kurzfristig für die zweite Lösung und wir machen dort fest. Kurz danach gesteht er, warum: ihn lockte ein besonders kurzer Weg zu den etwas entfernt liegenden Sanitäranlagen. Unser Video vom zugegebenermaßen idyllischen Lauf bis zum Ausgang wurde dann zum Lacher in unserem Verein: Lange Schlangenlinien lief man von hier zum in Wirklichkeit maximal weit entfernten Tor. Nur ganze zwei Boote in der gesamten Marina hatten einen noch weiteren Weg zum Klo. Aber gutes Timing ist beim Segeln ja essentiell.
Bedrohlich nur mein gefährlich zur Neige gehende Vorrat an frischen Erdbeeren. Also einmal Ziel Obsthof und zu Fuß über die alte Brücke. Das ist schon ein Abenteuer für sich. Zwischen Schienen und Gerüsten klettert man — oft mit Blick auf das Wasser unter einem — über Bleche und und Bretter mit lose rumliegenden Nägeln. wirklich eine die Fantasie anregende Konstruktion. Abends lässt der Baulärm nach, der uns überraschend wenig stört. Vielleicht liegt es an der faszinierenden Kombination von alter und entstehender neuer Brücke, für die sich riesige Bohrköpfe in den Boden drehen. Die seltsamen Seezeichen zwischen den Maschinen geben zusätzliche Rätsel auf. Man hat sie zuletzt in der Segelschein-Prüfung gesehen.
Wellengluckern an dem gestuften Holzrumpf
Im schwindenden Licht des Abends lässt sich noch ein Seeadler von einer Möwe attackieren und schwingt sich majestätisch davon. Jetzt spürt man nur noch eine leichte, kalte Brise, die sich in Wellen durch das Schilf schwingt, das uns vom Ufer trennt. Dazu mischt sich das brutzeln und Knistern auf unserem Gaskocher. Deswegen sind wir unterwegs. Nachts ein Geklimper, wenn die letzen Schleiwellchen unseren geklinkerten Rumpf erreichen. Jeder Kontakt eine leicht rhythmische Melodie mit zufälligen Tonhöhen — das alles in nächster Nähe dreidimensional um den eigenen Schlafsack herum. Schöner kann man nicht liegen.
Jörg Lubs Idyllisch-kurviger Schleiverlauf vor Missunde, Armin an der PinneDetlef Hoepfner Vorm Öffnen rätselt man kurz, wo genau hier die Durchfahrt gelingt
Nicht ganz dicht – Sorgen auf der „Panik“
Rostige Stahlträger gleiten am nächsten Tag beim Passieren der hochgewuchteten Lindaunis-Brücke über unseren hölzernen Mast. Die Passage ist tatsächlich so schmal, wie sie von weitem zwischen den vielen neuen Spundwänden für künftige Fundamente schon erschien. Der grobe Kurs ist durch den Fjordverlauf ja vorgegeben. Aber so richtig lockt uns noch kein Ziel. Die Enge bei Missunde ist immerhin eine lustige Kurverei, die werden wir uns heute gönnen. Und wir wissen ja nun, wo vielleicht Klaus und seine Panik aufzufinden sind. Die Kurverei aber ist nicht nur Spaß, sondern auch von Wind mit ca. 0 bis 0,1 Bft geprägt. Aus wechselnden Richtungen. Trotz Gewichtstrimm und allen unseren Binnenseglertricks geht es nur in Super-SloMo weiter. Da wissen wir noch nicht, dass dies der Wettergott für unser Timing für ein Treffen mit der „Panik“ steuert. Wir haben sogar etwas Mühe, mit der netten Crew des Folkebootes Salty die Schlei-Seiten zu wechseln, um uns dichter an die Marina zu halten. (Dank an Jörg und Jannik für Eure Fotos!) Als sich unser Bug endlich vor den Kran schiebt, taucht langsam das Heck der Panik auf. Heraus schiesst ein hektischer Wasserstrahl.
Detlef Hoepfner Klaus hat gerade gekrant, als wir passieren – und muss extrem viel pumpen
Also nun wieder tief Luft holen und … tröt! Armin lacht sich halb kaputt über meinen verunglückten Signalstoß. Aber Klaus fällt uns ja sonst vor Schreck aus dem Boot mit dem Pumpschwengel in der Hand, wenn wir ihn so erschrecken. Und wir sehen gleich: das ist da drüben doch gerade ein zu nasses Vergnügem. Freudig-angestrengt gestikuliert und ruft Klaus zu uns rüber: „Na ihr habt es gut! Euer Boot ist dicht!“ Das Wasser steht ihm zwar nicht zum Hals, aber er bekommt im Boot doch ziemlich nasse Füße. Das hat man selbst bei einem Folkeboot auf Dauer nicht so gern. Was dann später hören: Sein ehrenamtliches Flüchtlingsengagement hat alle Bootsarbeiten daheim verzögert. Der Holzrumpf stand auch viel zu lange trocken. Nun kämpft er mit einem kräftigen Wassereinbruch, über den auch noch die Pumpe kollabiert. Nach unserem kurzen Schnack und Weiterfahrt legt auch er mit Vollgas ab, bei unserem Aussenborder hätte dies wohl der Gashebelstellung „Hase mit angelegten Ohren im Tiefflug“ entsprochen. Was ist letztlich die beste Lenzpumpe? „Ein erschrockener Seemann mit einem großen Eimer.“ Auf eine kleine Sandbank vor seinem Liegeplatz gesetzt, ließ sich dann in Ruhe am verankerten Boot weiterarbeiten.
Wir haben uns zwischenzeitlich für das Ziel Fleckeby entschieden, denn Schleswig lockt uns nicht so sehr. Vorher drehen wir eine kleine Runde vor dem Schloss Louisenlund, wir scheinen dort aber nicht erwartet zu werden. Unser Ziel im Fernglas ist der Yachthafen Fleckeby, denn der östlich direkt daneben liegende WSF scheint uns etwas seltsam auf der Seekarte: die Stege sind von unzugänglichen Pontons umgeben, wir werden nicht so richtig schlau daraus.
Die Schlei mit all der Natur drumherum: Felder, Wälder, Wiesen, Knicks, Fischadler, Rehe auf Treppen – und dann all die ganzen Kuckucks 😀 …Zusammen mit dem Folkeboot durch die Natur zu reisen, es einfach so genießen zu können – super schöne Zeit!
Armin Pech
Für unsere Rollen an Bord entwickeln sich über die Jahre gewisse Vorlieben. Die versuchen wir daher immer wieder ein wenig aufzubrechen, damit wir beide in allen Aufgaben geübt bleiben. Aber jetzt hantiere ich mit Pinne und Motor zwischen den Beinen und bin dankbar, dass Armin einen Blick auf die Karte wirft: „Das Fahrwasser da vorne hast du gesehen, oder?“ Ähm ja … natürlich …
In der Schlei können ne Menge “Dinge“ im Weg sein
Nun korrekt eingeschwenkt entdeckt er auch gleich noch einen gut ansteuerbaren Platz hinter den Pontons, die wir ursprünglich meiden wollten. Kurz entschlossen landen wir so doch im WSF — eine der besten Entscheidungen der Woche. Schon beim Anlegen steht jemand geduldig am Steg, bis wir uns entschieden (und zwei Tonnen Langkieler sich passend platziert) haben. Unsere Heckleinen (hallo Sven 😉 ) erweisen sich wieder so eben zu kurz, es sei denn, ich wollte die ganze Nacht mit ihren Enden in den Händen auf dem Heck stehen bleiben. Also alles retour, gemeinsam wird eine passendere Box gefunden und dort hin verholt. Um uns wuseln dabei die üblichen Graubärte. Aber auch viele Kinder und Jugendliche flitzen über die Stege, und das nicht nur fein ausstaffiert für den Yachtie-Ausflug. Was für ein angenehmer Unterschied zu manch einförmiger Hafenstruktur. Wir fühlen uns super wohl. Ein paar Einheimische drehen ihre Segelrunden in den sensationellen Sonnenuntergang. Farbig leuchtet er über der sich hier breit in Richtung Sonne ausbreitenden Schlei. Danach sind wir offenbar allein im Hafen und genießen die Stille. Gegen die Kälte hilft unser „Bernsteinzimmer“, wie Armin mir immer wieder den Stoff gewordenen geschmacklichen Tiefpunkt aller bekannter Segelmacherkunst schmackhaft zu machen versucht. Da friere ich doch lieber, als in der Nähe so eines das Boot verunstaltenden Zeltes gesehen zu werden! Aber auch meinen Vorschlag, dann doch wenigstens die Auf- und Abbauerei zu sparen, indem wir konsequent mit gesetztem Zelt segeln, stösst im Team auf Ablehnung.
Detlef Hoepfner Wo sonst sitzt man so dicht am Wasser (gut bei geklemmten Fingern)Detlef Hoepfner Profi-SegelauftucherDetlef Hoepfner Jedes Teil muss erst irgendwo gesucht und dann wieder sicher und sauber verstaut werdenDetlef Hoepfner Frühstück im Bernsteinzimmer (was für eine hässliche Farbe)Detlef Hoepfner Fleckeby-Sonnenuntergang
Klaus hat uns schon mit seinem magischen Feldstecher erahnt, als wir auf dem Rückweg wieder die Insel Kieholm ansteuern. Wir legen kurz bei ihm an, erfahren die neuesten Entwicklungen bei seiner Boots- und Pumpenreparatur an seinem Folkeboot und machen uns auf den Weg, die nächste Brückenöffnung in Lindaunis zu erwischen. Wir erreichen sie sogar verfrüht und nutzen die Zeit für einige Segelschläge hin und her. Wie offenbar sowieso eigentlich — ohne das nun zu sehr zu verklären — vor allem die Folkeboote auf der Schlei zu segeln scheinen. Andere nutzen sie eher als schnell zu überwindende Transitstrecke in Richtung Ostsee, auf der es vor allem die zwei Klappbrücken optimal zu timen gilt.
Detlef Hoepfner Insel KieholmDetlef Hoepfner Klaus erwartet unsDetlef Hoepfner die noch zu viel Wasser ziehende “Panik” auf einer Sandbank zwischengeparktDetlef Hoepfner Klaus noch etwas besorgt, woher eine Ersatzpumpe nehmen — aber am nächsten Tag gelöst
Segel-Plan B – aber richtig
Pött-pött-Pött — der Motor des wertvollen Oldtimer-Flugzeugs geht mehrfach an und aus, bevor es in einem Feld eine etwas suboptimale Bruchlandung hinlegt. Das Video, in dem ein erfahrener Profipilot seine Fehler analysiert, hat mich sehr beschäftigt. Nun, als Armins Arme und ein Heckpfahl unseren Bug vor Kontakt mit dem vor uns liegenden Boot bewahren, kommt mir dessen Kernaussage wieder in den Sinn: ein einmal eingeleiteter Plan oder Manöver soll auch vollendet werden. Möglichst wenig hin und her. Wir wollten hier eigentlich paar Boxen weiter anlegen im Zwischenstopp Lindaunis. Schnell umentschieden — oh, hier ist ebenfalls frei und die Aussicht schöner — habe ich die Kurve dann jedoch nicht mehr ganz geschafft. Sicher nicht vergleichbar mit einem Notfallplan der Fliegerei, wo ständiges Umentscheiden („ach, das schaffe ich schon … oder doch nicht … ach klappt schon … ohhh …) das Gehirn überfordere. Ein abgesprochenes Manöver klappt aber halt nur dann, wenn man es auch praktiziert. Also erst mal weitergleiten, anhalten, gucken, dann in Ruhe zurück. Unsere Schäden jedoch halten sich seit Jahren — bis auf einen seltsamerweise plötzlich gekürzten Flaggenstock — sehr in Grenzen. Zu Zweit zu reisen, hilft da natürlich ungemein. „Alles nicht so einfach, wenn man alleine segelt“, bedankt sich ein kurz danach eintreffender weiterer Folkebootsegler neben uns beim Annehmen seiner Leinen: seine zersplitterte Bugspitze zeugt von einem frischen Kontakt mit dänischem Beton bei zu viel Wind.
Armin Pech Ansturm auf die BrückenöffnungDetlef Hoepfner Warten vor der Brücke LindaunisArmin Pech Hinter uns wirds gleich engDetlef Hoepfner Auch bei schnellen, wendigen Seglern mag die Brücken-Crew Kappeln den Motor hören
Wir Glücklichen
Eine richtig gute Entscheidung war dagegen, unsere Startideen den Umständen entsprechend bald an den Haken zu hängen. Nach drei Jahren wollten wir 2022 ja endlich wieder Dänemark erreichen. Nicht auszudenken der Stress und die Stimmung, wenn wir laufend umgeplant und überlegt hätten, ob wir in den letzten Tagen doch noch auf Biegen und Brechen irgendwie nach DK gelangen könnten. Für Segel-Spaß, eine gute Zeit zusammen auf dem Wasser oder inspirierende Begegnungen ist dann auch egal, ob man fünf, 50 oder 100 Seemeilen gesegelt ist. Und den Beutel mit dänischen Kronen werden wir auch so noch in Eis und Hot-Dogs getauscht bekommen!
Detlef Hoepfner Armin PechDetlef Hoepfner Detlef HoepfnerArmin Pech Abendplatz — was will man mehrArmin (irgendwas mit Holz) und Detlef (irgendwas mit Medien) segeln seit vielen Jahren im SVWK zusammen und dürfen einmal im Jahr ihre Familien und Jobs gegen ein Folkeboot tauschen
Angst und Schrecken soll das Folkeboot „Die Panik“ ja eher auf den Weltmeeren verbreiten – im Frühjahr 2020 gibt es stattdessen etwas Streß im Mastkopf
Detlef Hoepfner “Die Panik” beim Folkeboot-Treffen 2018Detlef Hoepfner Die ehemalige Mast-Göhl des Folkeboot-Holzmastes war unter einer Glasfasermanschette total durchgerottet
Eigentlich sollte auch „Die Panik“ von Klaus Wermann schon längst wieder schwimmen. Aber statt sich Ostern 2020 auf den Landweg von Klaus’ heimischem Betrieb in NRW zu ihrem Liegeplatz an der Schlei zu machen, stand sie immer noch unter ihrer Plane. Dort wartete sie auf ihre ersten Duschen aus dem Wasserschlauch, um nicht zu sehr auszutrocknen und um später schneller dicht zu quellen. Aber vorher waren noch ein paar Reparaturen auszuführen: Klaus’ Philosophie ist: lieber eine kleine Ausbesserung nach der anderen, statt einmal alles komplett auseinander zu bauen – um dann womöglich nie wieder zu segeln.
Bei der Inspektion des Mastkopfes dann eine unverhoffte Überraschung: Ein Vorbesitzer hatte nicht nur die Mastgöhl, in dem mit dem Vorliek die vordere Kante des Großsegels am elf Meter messenden Mast hochgeführt wird, verschlossen und dort eine Mastschiene aus Metall aufgesetzt (zu Klaus Mißfallen auch noch mit Spax-Schrauben …). Es war auch noch der Mastkopf durch eine Glasfasermanschette ummantelt worden. Wie so oft bei einer derartigen Kombination „Holz plus Ummantelung“ hatte sich – wohl seit Jahren – Feuchtigkeit festgesetzt: Den ganzen Winter in einer knochentrockenen Werkstatt gelagert war es darunter auch Mitte April immer noch nass. Und zwar so sehr, dass nicht nur das als Folge morsch gewordene Holz Wasser gezogen hatte, sondern sich auch nach der Entfernung des schadhaften Materials selbst aus dem gesunden Holz Feuchtigkeit herausdrücken ließ.
Nach Entfernen des beschädigten Materials ging es an die Materialsuche für die Ausbesserung – fündig wurde Klaus ganz fachgerecht bei einem Zaunpfahl sowie einer ebenfalls geplünderten („Die 9 Euro investiere ich!“) Holzpalette.
Sieht bisher doch schon gut aus, oder?
Runter mit dem Lack
Detlef Hoepfner Klaus wird Teile des laufenden Guts durch Kunstfasern ersetzen
Das erste Maiwochenende hat Klaus dazu genutzt, den Mast von seinen alten Lackschichten zu befreien. Der Mastkopf sieht nun schon top aus, etwas verdächtig ist ihm aber ein auflaminierter Scheuerschutz auf Höhe der Decksdurchführung: Womöglich hat sich auch dort unbemerkt Nässe konserviert? In Absprache mit Toplicht ist nun auch klar, dass der Mast gut geölt wird und danach erste Lackschichten mit 50% Verdünnung erhält, die mögliche tief ins Holz eindringen sollen. Außerdem wurde geplant, aus dem laufenden Gut die Drahtanteile zu verbannen und durch Kunstfasern zu ersetzen, die bei vergleichbaren Durchmessern sogar höhere Bruchlasten bieten.
Und tatsächlich bewahrheitete sich die Befürchtung, dass sich auch unter dem auflaminierten Scheuerschutz Rott gebildet hatte. Also runter damit, die beschädigten Bereiche aussägen, einen Ersatzkeil herstellen und einkleben.
Das neue Rig von Toplicht aus Hamburg war irgendwann auch pünktlich angekommen, die Pandemie-bedingten Verzögerungen verhalfen zudem ungewollt zu etwas mehr Zeit für Reparaturen. Im Sommer 2020 ging es dann endlich verspätet zum Liegeplatz an der Schlei.
Bei einem Kurzbesuch von mir bei Klaus ging es dann auch endlich einmal gemeinsam auf die Schlei … und wenn man schon unterwegs ist, gleich bis Schleswig und zurück: Hat sich doch wirklich gelohnt, die Arbeit! Vor allem die neuen Fallen haben mir unglaublich gut gefallen: Oben im Mast sparen sie Gewicht, über Deck sind sie sehr angenehm griffig.
Wie man im Video übrigens sieht, habe ich im iPad-Case unbemerkt den Stopfen auf der Ladeöffnung vergessen. Das hatte hier noch keine Folgen: Aber ein paar Tage später habe ich mir dadurch eine Ladung Salzwasser ins iPad getankt. Mehrere Tage in 4 kg Reis gelagert war es dann zum Glück wieder startklar …
„Bitte höflichst, an Bord kommen zu dürfen!“ Schwupps sitzt er nach geübten Schritten längs des mittschiffs schmalen Holzdecks, wo sich unterm Fuß auch noch Schoten und Landstromkabel rollen, bei uns im noch mäßig sortierten Cockpit. Streckt den Hals und schaut sich begeistert rundum um im Folkeboot , das wir eben hier in der versteckten Mjelsvig festgemachten haben. Nun schaut er uns an: „Ward ihr das, die da den ganzen Als Sund hochgekreuzt sind? Ich hab Euch nachmittags überholt.“ „Ja, hat super Spaß gemacht!“
Er freut sich, hat er sich doch gedacht. Aber … „ich hatte zwei Frauen an Bord, denen dauert das zu lange“, sucht er nach einer Erklärung für seinen eigenen, geraden Motorkurs. Der intensive Blick auf Raps beidseits des Sundes – ist ihnen alles entgangen, denken wird. Knalliges Gelb, leuchtendes Grün, direkt vorm hölzernen Bug. Nur im sanften Zickzack-Kurs – die Augen auf der Wasserfärbung, GPS und Tiefenlinien, die Hand schon fast am Senklot – kommt man doch so nah an den liebevoll restaurierten Anwesen im Schilf vorbei. Oder dem Nachbau eines Nydambåden, der Vorstufe der Wikingerboote: Neben windschief gekippten Stegresten liegt es dort in Sottrupskov, der Enge im Alssund, die den Dänen im Preußisch-Dänischen Krieg 1864 zum Verhängnis wurde, als hier große Truppenteile überraschend übersetzten. Mit großen Folgen: in Lauenburg, Holstein und Schleswig, schon ewig gemischt bewohnt von Dänen, Deutschen und Friesen, weht seitdem nicht länger Dänemarks Dannebrog als Landesflagge.
Unser Track sieht aus, als wollten wir die beiden Ufer des Sundes mit einer Zickzack-Naht wieder verbinden, aber am nördlichen Ende geht es nach Querung des Augustenborg Fjords rechts ab tief in die Dyvig, und nochmal reingeschlängelt in die hinterste Ecke der Mjelsvig. Die Ansteuerung ist sehenswert, wenn auch nicht besonders schwierig: Wenn man sich denn an die Bojen hält, und nicht wie der Show-your-money-Segler, der mich überholend mit seinem Schwell fast vom Heck und die badenden Kühe ans Ufer wirft, kraft seines Status’ eine Abkürzung genehmigt. (Ich denke, er hat sich mittlerweile runtergearbeitet vom Schlick.)
Kaum jemand segelt hier – und wenn, vor dem Wind
Alsensund-Kreuzen
Von Sønderborg in die Mjelsvig
Sottrupskov: Nachbau eines Nydambåden, einer Zwischenstufe (ca.250–550 n. Chr. von genähtem Plankenboot und Wikingerschiff
„Und das ist also Euer Boot?,“ staunt unser Gast, und schaut den Mast hinauf, wo er nachmittags die frühe Segelnummer entdeckt hatte, die nah an seinem eigenen Klassiker einzuordnen ist. „Nein“ – wir erklären nach mittlerweile etlichen Jahren und Touren mit „Jacaranda“ routiniert, dass wir dieses 1946 gebaute, damit älteste noch segelnde dänische Folkeboot wie immer bei Mike Peuker gechartert haben.
„Ach so.“ Pause. „Na, ich kann mich ja trotzdem weiter mit Euch unterhalten!“ Und mittendrin sind wir in einer weiteren Unterhaltung über diesen urigen Bootstyp. Der Ausbaustand wird begeistert untersucht, Erfahrungen mit seinem eigenen Folke zum Besten gegeben, der Reiz des einfachen Reisens mit so einem reduzierten Boot ohne allen Schnickschnack diskutiert.
Armin Pech
Ein spooky Start
Wir waren vor drei Tagen in Maasholm gestartet. Die Strecke zur Mjelsvig schafft man je nach Wind auch in einem Tag, und gerade frage ich mich, ob ich jetzt mal ehrlich nicht lieber mit dem nebenan liegenden Schiff unseres Besuchers weiterfahren würde: Platz, Komfort, Heizung, kräftiger Motor. Denn statt schon an Tag 1 unseres Wochentörns hier hochzuflitzen, ist bereits nach der allerersten Seemeile klar: Auf den Tourstart folgt direkt ein Zwischenstopp: Nebel zieht über die Schlei, man sieht die Hand vor Augen kaum. Wenn wir die nächste Fahrwassertonne gefunden haben, hängt da manchmal schon ein anderer Segler mit einem Stück Leine dran, um nicht vor einen größeren Bug zu geraten: Null Sicht ist jetzt irgendwie uncool. Wir sind nicht lebensmüde, müssen uns auch nichts mehr beweisen, ein Radar werden wir kurzfristig nicht nachrüsten – also direkt wieder abgebogen nach Schleimünde rein. Hier teilt sich das Seglerfeld: Die einen machen es uns gleich, der idyllische Naturhafen füllt sich zügig, in alle engen Lücken wird ein Boot nach dem anderen reingequetscht. Andere tasten sich doch weiter durch den Nebel auf die Ostsee raus. Aber selbst von der Giftbude aus ist der Leuchtturm, der dort ein paar Schritte weiter im Nebel hängt, nicht zu sehen. Von See hört man es gespenstisch tuten, wie aus dem Nichts tauchen hier und da die Riggs der Traditionssegler vor Schleimünde auf. Das sind schon beeindruckende Special Effects, aber völlig illusorisch, dass uns jemand mit unserer – sicher originalgetreuen, aber nur kläglich hupenden – Mundtröte auf dem Wasser wahrnehmen würde. Wir bleiben also über Nacht. Auch übers Frühstück und den Vormittag bleibt nebelig. Mit Windvorhersagen ist man unterwegs eh dauernd busy, aber so ein zäher Nebel als Störenfried ist uns neu. Also nutzen wir die Zeit, unsere etwas kurzen Heckleinen zu checken. Oder uns mal mit dem Taupunkt zu befassen. Wir finden sogar eine App, aus der wir ihn auslesen und für eine Abschätzung des Nebelverlaufs nutzen können; wieder etwas Wissen aufgefrischt. Mittags endlich steigt die Lufttemperaturen über diese Schwelle, es klart auf. Raus aus der Schlei und bei jetzt bestem Segelwetter auf den Weg nach Sønderborg, immerhin. Drei Jahre schon haben wir bisher wetterbedingt einen Bogen drum gemacht. Meine norddeutsche Familie whatsappt mir unterwegs Zeitungsschipsel: Notizen zu den Seglern, die am Vortag von der DGZRS wegen mangelnder Sicht von Untiefen geschleppt werden mussten. Dann doch lieber auf der Lotseninsel rumdösen und in den Nebel starren.
Das ist mal Service: Mike sucht uns auf der Ostsee und bringt Festmacher
Mike bringt uns eine Leine vorbei
Entlang der Küste ist nun viel Betrieb, aber nicht jeder scheint die Ausweichregeln zu beherrschen: Ein entgegenkommendes Plasteboot macht auf Kollisionskurs komische Manöver. Wir können uns nicht recht freihalten, nun dreht es auch noch einen Kreis um uns: Überraschung, Bootseigentümer Mike hat uns aufgespürt! Wir nähern uns auf Rufweite an, schon gut Wind und einige Welle, man muss sich jetzt hier nicht die Riggs verhaken. Mit einem kräftigen Wurf landen zusätzliche Heckleinen bei uns an Bord. Wenn das mal kein Kundenservice ist! Unseren dafür überzähligen zweiten Handkompass schicken wir aber lieber nicht in Gegenrichtung zurück. Wir diskutieren noch kurz gemeinsam, wo wohl der Rest seiner Folkeboot-Flotte sei – da kommen sie schon ebenfalls vorbeigezischt und Mike sagt auch dort noch schnell hallo.
Endlich Kurs Nord
Ab jetzt bestes Segelwetter, um nördlich weiterzukommen. Im Yachthafen Sønderborg waren Armin und ich zusammen noch nie, wir orientieren uns über die verschachtelten Molen und haben ein etwas mulmiges Gefühl angesichts eines regelrechten Mastenwaldes, der vor uns liegt. Sønderborg bleibt aber unser einzig voller Hafen jetzt Mitte Mai, zudem unser teuerster Stopp. Vielleicht hätten wir mit mehr Geduld doch noch die eine Handbreit schmalere Box gefunden – berechnet wird hier ja nach Liegeplatzbreite. Aber es pfeift zu sehr im Hafen, als dass man unnötig viele Runden drehen möchte. Auch wenn Armin ganz beeindruckt ist, wie wir trotz des Windes das Boot in einer der Gassen wenden. Dass dieser Move gar nicht geplant war, gestehe ich erst später – aber so ist das beim Segeln: Auf Plan B folgt häufig noch Plan C.
Kalkgrund
Steuerperspektive: Wo ist die Lücke in der Mole?
Schöner Platz in Sønderborg
Stadthafen mit einem so hohen Kai, dass wir kaum aus dem Boot kämen
Abends laufen wir über die erst aufwändig neu gepflasterte und dann wieder durch Überflutung zerstörte und wieder reparierte Promenade in die Stadt. Vorbei am Sønderborg Vikingeklub („Winterbadeverein mit Sauna“) und dem Schloss Sønderborg, um dem „Butt im Griff“ von Günter Grass am Altstadtkai mit dessen freundlich gestrichenen Hausfassaden einen Besuch abzustatten. Der in Bronze gegossene Fisch schaut in Richtung Nord zur „Kong Christian den X’s Bro“. Diese nach König Chrstian dem X. benannte Brücke wird sich am nächsten Tag – immer um „38“ – für uns öffnen und den Weg in den Als-Sund freigeben, nachdem man noch am Ufer beeindruckt Universität und Bibliothek passiert hat.
Schweinswal am Augustenfjord
Danke, wir sind gleich weg
Seekühe? Masten an Land?
Einfahrt in die Dyvig
An der Nordspitze hängengeblieben
Auf halber Strecke hängen wir nun also nach dem nächsten Tag und wunderbarem Alssund-Zickzack in der Mjelsvig fest: es stürmt und pfeift. Im Hafen hat bereits ein Schweinswal spektakulär direkt an unserem Steg neugierig die kleine „Vig“ (Bucht) erkundete. Was soll nun noch kommen, wir haben langsam alles gesehen. Man bringt uns die Namen der Schwäne bei, beim Haareschneiden im Seglerhaus rekaputalieren die Senioren ihre Vergangenheit und man ahnt, dass Sitzgruppe und Küchenzeile die Geschichten nicht zum ersten Mal vernehmen. Man berichtet uns, dass die den Hafen betreibende Familie noch eine Schweinezucht bewirtschaftet, auch Pferde hält. Reiten lernen wollen wir kurzfristig aber nicht und verlegen stattdessen endlich das Boot an einen anderen Liegeplatz, wo uns der gedrehte Starkwind nicht länger die Wellen aufs Heck (und damit nachts in die Wirbelsäule) trommelt. Wir laufen los entlang des Ufers und über die Hügel durch Felder und kniehohes Gras, bis Schuhe und Hosen vor Nässe triefen. Lümmeln uns am Ufer der Dyvig auf weich geschwungene Holzbänke. Der Wind aus grauem Himmel dreht die Ankerlieger langsam und synchron in der Bucht und soll uns etwas die Nässe aus den Hosenbeinen trocknen. Der Blick reicht auf den verrauchten Kiosk gegenüber, vor dem die Dauerlieger ihre Bierbüchsen lenzen. Wir trödeln rüber und genehmigen uns noch einen blau-schwarzen Plattenbrenner-Kaffee. Nach ein paar hügeligen Schlägen kreuz und quer, in von einsamen Anwesen gestoppten Sackgassen, durch eine ausgebüxte Schafherde und entlang ansteigender Koppeln finden wir doch noch die bekannte, auch vom Wasser aus kaum sichtbare Durchfahrt in diese Buchten. Wie eng man sich zwischen den berühmtem historischen Stangen der „Steg Gaf“ in die Mjelsvig und Dyvig hineinschleicht, misst man eigentlich erst hier vom Ufer aus richtig. Fast könnte man diese Engstelle, auf deren Grund mittelalterliche Pfahlreste ruhen sollen, auch in ein paar Schritten durchwaten. In der Saison ist hier Hochbetrieb, heute baden nicht mal Kühe. Schließlich suchen wir noch den Biohof, der auf einem der typischen Aushangzettel vielversprechend an einer hölzernen, verwitterten Schuppenwand angeschlagen war. Wir finden die Straße, laufen diese auf und ab, aber der erhoffte Hof entpuppt sich als typisch dänischer, vereinsamter Verkaufsstand am Wegesrand: Aus einer Kühlbox kann man Eier greifen, wir entscheiden uns aber für ein paar Becher Honig als Mitbringsel. Die gewünschte Summe klimpern wir als Münzen mit und ohne Loch in die angeschraubte Spardose — denn mit dem ebenfalls angebotenen dänischen Smartphone-Payment kennen wir uns noch nicht aus.
Pfeift uns das aufs Heck – wir müssen für die nächste Nacht das Boot umlegen
Mjelsvig (Mjels-Bucht)
Kekse aus Bochum und Frankreich
Mjelsvig
Mjelsvig
Mjelsvig
Schweinswal kurvt um die Boote im Hafen
Immer noch hier – Dyvig und Mjelsvig
Der im Hafen groß angekündigte Hofladen
Halbzeit-Marine-Knaller
Erst nach zwei Tagen kommen wir weiter, kurven oben um Als herum. Der Wind steht günstig, aber so kräftig und leicht drehend, dass wir wegen der uns schräg schiebenden Welle trotz Bullenstander den tiefen Vorwind-Kurs scheuen. Wir schlagen stattdessen einen Haken weiter auf die Ostsee und steuern leicht höher. So laufen wir stabiler und sind zufrieden, als aus dem Nichts eine Explosion die Stille zerreißt: Es rummst und bebt, aber nicht an Bord, sondern schräg vor uns: Eine riesige, trotz ihrer Entfernung beeindruckende Wasserfontäne erhebt sich. Es dauert eine Weile, bis sich der Pilz aus Wasser und Dampf auf seiner ganzen Breite wieder abgeregnet hat. Vor Schreck vergessen wir, ein Bild zu machen, was ist das um Himmels Willen? Schnell noch mal die Karte gecheckt: Das dänische Marine-Sperrgebiet liegt in sicherer Entfernung, aber doch in Verlängerung genau vor uns. Was auch immer das für ein Böller war – wenn der neben einem hochgeht, kann man die nächsten Winterlagerarbeiten wohl getrost absagen.
Tonnen-Slalom zurück
Ausfädeln aus der Dyvig
Nordwestspitze der umrundeten Insel Als
Mordsdetonation im Schießgebiet
Frühstück unterwegs
Eigentlich zu viel Wind und Welle für uns
Nach dem Schleudergang
Etwas viel Wasser im Boot – bis unter die Bodenbretter
Boot mit der Handpumpe lenzen
Kaffeepause
Einmal Kojen durchtrocknen
Last Stop Mommark
Wir cruisen zügig weiter, erwägen immer wieder als weiteres Zwischenziel Avernakø. Die Karten dazu haben wir längst mehrfach studiert und wollen die markante Doppelform nun auch noch einmal mit den Füßen im Inselkies statt nur dem Finger auf der Karte erkunden. Gehen aber doch auf Nummer sicher – wie gut kämen wir von dort beim erwarteten Wetter zur Flensburger Förde raus? – und nehmen Kurs nach Mommark vor uns. Nach Passieren seiner markanten, leicht windschiefen Leuchttürme erschreckt uns zum ersten Mal in unserem Leben ein so leerer Hafen, dass an Bord schlagartig eine panische Agoraphobie um sich greift: So viele leere Liegeplätze, man weiß ja gar nicht, wo man hinsteuern soll! Steg um Steg ist frei, an denen man sogar längsseits liegen kann. Der gefühlte Raum an Bord verdoppelt sich geradezu durch die Stellfläche neben dem Boot, und wir breiten uns gleich mal mit frisch gekochtem Kaffee, Tassen und viel zu viel Schokolade aus. Kleiner fotografischer Wermutstropfen: Das einzige später noch einlaufende, hässliche Motor-Angelboot macht – genau neben uns fest. Grrrr. Eine schwere Prüfung, nicht heimlich dessen Leinen zu lösen und es zurück aufs Meer zu schieben … Umso voller ist es im Restaurant des singenden Hafenmeisters. Wir haben noch Vorräte für bestimmt eine weitere Woche an Bord, waren aber nicht richtig kochwütig dieses Jahr und spendieren uns je einen der teuersten Burger unserer Segelkarriere. Dennoch sehr lecker, begleitet von einer musikalischen Playback-Showeinlage des Hafenchefs (die jedoch wiederum gegenüber seinem abendlichen Waldhornspiel, vorgetragen auf einem Gartentisch stehend als Einschlaflied für alle Segler, in Sachen Originalität etwas zurücksteht).
Rockin’ home
Als wenn wir nicht schon genug Wind gehabt hätten: Für unseren letzten Schlag zurück bis zur Schlei sind im Tagesverlauf nochmal ein paar Beaufort zuviel angesagt, aus West und im Tagesverlauf weiter zunehmend. Wir stellen den Wecker nicht zu spät und streben nach Süden. Mit Erreichen der Flensburger Förde, die wie queren müssen, verlieren wir etwas Landabdeckung, aus der Förde heraus baut sich gut Welle auf. Wir fallen etwas ab in Richtung Ostsee, was sich ein wenig „trockener“ segelt, wollen dem Seegang aber nicht zu viel Anlauf gönnen und wenden zwischendurch wieder Schläge in Richtung Küste – wo es aber wieder flacher wird. Dass die elektrische Lenzpumpe (ja, ist eigentlich eh Luxus …) unterwegs das Zeitliche gesegnet hat, kommt auch zur Unzeit. Die alte Dame Jacaranda zieht eh etwas Wasser, ihr Holzrumpf ist jetzt am Saisonbeginn noch nicht allzu lang gewässert und könnte etwas dichter sein. Bei dem holprigen Ritt von der Kante runter ins Cockpit und unter den Bodenbrettern die Handpumpe schwingen – da kann man sich, abgesehen von den eh eingepreisten blauen Flecken, gerade schönere Tätigkeiten vorstellen. Später im Hafen müssen wir beim Aufräumen der Schränke selbst die Pfanne trocknen, da in ihr das Seewasser schwappt.
Mike meldet sich auf Höhe der Förde telefonisch, wir sollen mal hin machen, es würden Böen von 8 gemessen und Besserung sei nicht in Sicht, im Gegenteil. Na ja, das touristische Rahmenprogramm mit großer Hafenrundfahrt und Blaskapelle ist hier eh schon abgesagt. Das über 70 Jahre alte Lärchenholz unter unseren Füßen muss sich gegen eine kräftige, graue Welle anstemmen, die uns im regelmäßigen Gleichtakt duscht und mit der Zeit auch die Sonnenbrillen, die das Salz etwas von den Augen halten sollen, mit einer Kruste trüben. Wir sind schon zackig unterwegs, aber jede neue Wellenfront stellt sich unserem kurzen Anlauf quer entgegen, es fühlt sich an, als wenn man wieder stehen bleibt. Der gut gedichtete und doppelt gesicherte Speedpuck am Fuß des nur noch wenig golden schimmernden Holzmastes bekommt sein verschwimmendes Display kaum höher als sechs Knoten.
Flensburger Bucht – mit zu viel Wind für uns
Alles etwas nass geworden
Wir brauchen zwei Boote, um alles zu trocknen
Mommark – Schlei
Auftuchen like a Boss
Einen kleinen Ausflugsschlenker gönnen wir uns trotzdem, denn da gibts ja noch das wunderbare Thema „Schlei-Einfahrt“. Aus diesem Trichter erwarten wir, dass und der Wind schon ab dem ersten Meter Schleieinfahrt direkt auf den Bug pfeifen wird. Zum Kreuzen ist in diesem Seegatt wenig Raum, und wir werden motoren müssen. Aber auch erst genau ab dort, denn bei der zu erwartenden Welle vor der Schlei ist der Außenborder nicht einsetzbar, er hinge im schlimmsten Fall im Wellentakt abwechselnd mit der Schraube in der Luft oder dem Motorblock unter Wasser. Also suchen wir uns auf dem iPad – das bei der Nässe, Wind und Wellen grad tatsächlich handlicher ist als die mittlerweile ebenfalls triefend abgesoffenen Papierkarten – einen Startpunkt. Von ihm denken wir – Plan A – mit hohem Amwindkurs direkt in die Schlei reinbolzen zu können. Dort direkt unterm Leuchtturm in der Einfahrt Segel runter, Motor an und Kurs West in die Schlei weiter rein. Plan B („irgendwas ist ja immer“): Reinheizen, hoffen, dass nicht das hässlichste Touristenschiff (und zwar des bekannten Universums) grad im Wege steht und dann mit dem Schwung unter Segeln gegenüber in den Hafen Schleimünde rein und erstmal an irgend einem Pfahl festmachen.
Der gewählte Wende- und Startpunkt liegt Richtung des Monsterhafens Olpenitz, und so sehen wir dessen Außenkante auch mal näher. Dann jetzt los in Richtung Leuchtturm — aber Mist: um ein paar Grad verschätzt, wir laufen einen Hauch zu tief, so verpassen wir die Einfahrt 100 Meter. Also Wende zurück, korrigieren, das gibt ja peinliche Kringel auf dem GPS-Track. Weitere Wende zurück wäre nun langsam dran, aber jetzt hakt nach dem ganzen nassen Gebocke auch noch wieder irgendwas am Motor, den Armin klarmacht und so der Pinne im Weg steht … ähm, sooo dicht wollten wir dann doch nicht zum alten Marinehafen, in dem man immerhin allen Platz der Welt für jedes erdenkliche Fragattenmanöver hätte. Nun passt alles, Kurs ist perfekt und mit Schwung in die Schleimündung. Heute bleiben wir wenigstens vom oft recht kabbeligen Wind-gegen-Strom-Wellenchaos verschont, das dem interessierten Besucher an Land gern die Unterwasseranstriche und Kiele der sich hineinkämpfenden Boote zeigt. Der Motor ist schon unten, geht auch an, die Segel kommen runter, zudem kaum Betrieb auf dem Wasser bei dem Wetter. Die letzte Seemeile bis Maasholm heißt es nur noch, gegen das eklige Wetter Kurs zu halten und sich nicht neben das graue Fahrwasser vertreiben zu lassen. Der Zweitakter kämpft tapfer vor sich hin, man möchte ihm für jeden seiner knatterigen Hübe danken. Und zum ich-weiß-nicht-wievielten Mal denke ich: Wie cool, so als Team zu zweit eingespielt zu ein. Das ganze Theater immer allein – nee, darauf hätte ich keine Lust.
Gut festgemacht nach über sechs Stunden Ritt und knapp 30 Seemeilen belegen wir im Ziel zum ersten Mal mehrere Liegeplätze: Nicht nur unsere Segelklamotten, auch die dicht an der Bordwand liegenden Polster sind durchtränkt und wir verteilen und verzurren alles auf den Decks der Folke-Nachbarboote. Während das Wasser aus den Kissen rinnt und wir hoffen, dass der Wind vor unserer letzten Nacht im Boot beim Trocknen hilft, wuchten wir das Gepäck raus und streben ausgehungert in Richtung Grieche.
Detlef Hoepfner Folkeboot-Treffen-Vortreffen: Kaffee mit Stil von Kati und Jörg an Bord der Mumie von Klassisch am Wind
Folke-Freunde
Kaum zurück, haben wir direkt wieder Besuch an Bord: Wir lernen Kathi und Jörg kennen, mit denen wir gegenseitig Wetter- und Routentipps austauschen. Am nächsten Morgen, bevor es für uns mit dem Auto zurück- und für sie mit einem Folkeboot nach Dänemark losgeht, genießen wir bei ihnen an Bord einen (und dann gleich noch einen) sehr stilechten Kaffee: von der Crew wird mit der Handkurbel die Mühle in Schwung gebracht, während gleichzeitig die nächsten Anekdoten über den geklinkerten Planken der „Maj“ Fahrt aufnehmen. Endgültig wach vom Kaffeeduft können wir noch eine letzte Erkenntnis dieser Tour beisteuern:
Eingeweht in der Mjelsvig, auf halbem Wege unserer Runde um Als, hatten wir eine windgeschützte Sitzecke gefunden, die uns nicht nur vor den sechs, sieben über den Hafen ziehenden Bft schützt, sondern auch ein paar wärmende Sonnenstrahlen bietet. Am Steg legte jetzt nur ein einziges Schiff an. Ein stählerner Segelkutter, nach ein paar Anläufen und kräftigem Zupacken am zu uns ausladenden Bugspriet kommen später drei fröhliche Opas an Land. Gleich vom ersten hören wir, dass auch sie den Als-Sund hochgekommen sind. Gespannt sind wir, welcher Wind dort herrschte? Er schaut uns an. Überlegt. Nun wollen ihm doch irgendwelche Zahlen einfallen: „… Windstärke drei bis vier?“ rät er völlig ahnungslos. Wir entlassen ihn schnell aus unserer Befragung, denn da kommt auch schon der Käptn. Graue Haare, grober Pulli, warme Mütze, Ring im Ohr. „Wind…?“, wundert er sich. „Na ja, selbst hier im Hafen zerren die Boote an den Festmachern!“ Nun dämmert ihm was: „Mensch, deshalb musste ich den Hebel so auf den Tisch legen!“ Er ist erleichtert: „Ich dachte schon, mit dem Motor wäre was!“ Gesegelt sei im Als-Sund bei dem Wetter zwar auch jemand.
„Aber …“, zieht er Bilanz, „der hatte dafür unterwegs nicht drei oder vier Grog wie wir!“
Das Folkeboot-Treffen 2019 haben wir nur so halb mitgenommen – kamen gerade von einer doch zwischendurch anstrengenden (Foto) Folkeboot-Woche (Foto) zurück und es zog uns nach Hause. Zumal Klaus es leider mit seiner „Panik“, die wir kurz vorher noch bei uns in NRW an Land besucht hatten, nicht die Schlei herunter zum Treffen schaffte. Einen umfangreicheren Bericht findet Ihr beim Folkeboot Lotte. Highlights für uns: Etliche nette Leute zumindest kurz wiedergesehen, gestaunt, was für unglaubliche Pflegearbeiten manche Besitzer in ihr Schmuckstücke investieren können – und am Morgen noch zuvor bei Katih und Jörg an Bord der Mumie einen amtlich handgemahlenen Folkeboot-Treffen-Vortreffen-Kaffee (Foto) genossen.
PS: Wie cool es sich per Folkeboot um die Insel Als segeln lässt, haben wir in diesem Beitrag beschrieben
Auf der boot 2019 zeigte der NV-Verlag seine erste Software-Version, die auch für uns Hobbysegler die Darstellung von Vektorkarten unterstützt. Aus meiner Sicht in vieler Hinsicht das „schlauere“ Format, da alle Elemente als Objekte behandelt werden, die dynamisch skaliert, mit Zusatz-/Metadaten hinterlegt werden können usw. Andererseits: Man kennt das Problem aus anderen Medien (wie umfangreichen technischen Dokumentationen), bei denen die Ansicht dynamisch generiert statt vom Layouter „gemalt“ wird: Ganz schön schwierig, das einigermaßen schick hinzubekommen. Oder bei einer Karte: So, dass man in allen Zoomstufen eine optimale Darstellung hat. Eine Rasterkarte aus Bildpunkten kann für nur eine Ansicht perfekt optimiert werden, da schiebt man halt alle Beschriftungen so lange hin und her, bis es passt. Anderes Beispiel: die handgemalten „Skylines“ in den Hafenhandbüchern von NV finde ich manchmal aussagekräftiger und mehr auf den Punkt als ein perfektes Originalfoto der Ansteuerungssituation.
Kamera und Smartphones hat man unterwegs eh dabei – also warum nicht die Video-Schnipsel, die bei einer Woche Segeln mit dem Folkeboot „Jacaranda“ (Baujahr 1946) von www.klassisch-am-wind.de in der Inselwelt um Ærø, Fynen, Langeland entstehen, zusammenkleben? Bei der Fingerübung in FCP X gleich noch dessen Audio-Processing ausprobieren, ein paar 360°-Sounds von Sennheisers Smart Headset unterlegen, fehlt nur noch gute Musik: Gibt es neuerdings auch in richtig guter Qualität von Anbietern wie www.bensound.com. Also: Anlage aufdrehen oder Kopfhörer auf für ein wenig Sail, Sounds und Soul, bis es im Frühjahr 2019 wieder aufs Wasser geht!
Wetter grau, Arbeit viel, Outdoor-Leben wenig – im Januar kommt die Messe boot wie gerufen. Von Trade Shows habe ich eigentlich mehr als genug in meinem Leben gesehen, aber diese ist fast wie ein Tag Urlaub. Jedenfalls, wenn man den Luxus genießt, sich einfach nur als Besucher durch die Hallen treiben lassen zu können.
Detlef Hoepfner (Sehr guter) Wettervortrag von Meeno Schrader beim Magazin “acht” 🙂
Nach dem ersten Schock der Reizüberflutung schnell Rückbesinnung auf die kleine, am Vorabend zusammengestellte To-Do-Liste: Bei der Wetterwelt endlich die Seaman-App erklären lassen. Das Team war super nett, die App ist sicher gut, mit der Darstellung aber komme ich nach wie vor nicht so klar (z.B. im Gegensatz zu Sejlsikkert, das dichter an solchen Amateuren wie mir ist). Super dann der Wettervortrag des Teams zur aktuellen Klimaentwicklung und den Folgen für Segler. Zur allgemeinen Erheiterung am Stand einer Zeitschrift, die sich kurz nach Messestart noch als “acht” zu erkennen gab. Weiter dann zum Versicherungsmakler: Kleiner Schwatz über Marketing, die möglichen Versicherungen – und ich nehme wohl einfach die gleiche Skipperversicherung, wie in den Vorjahren.
Lesedauer8MinutenNur noch wenige Meter bis zum Steg. Bis zu einem der Stege. Armin und ich sind uns selten uneins, hier aber unentschlossen – welche der in sehr luftigem Abstand ins Hafenbecken gesetzten Pfahlreihen passt am besten zu unserem kurzen Folkeboot, wo ist das vom regennassen Algenschmier seifenglatte Holzplateau nicht ganz so hoch? Von Mommark kommend hatten wir uns bei ständig zunehmendem Wind und einigen Schauern das Stück bis Lyø hochgearbeitet, uns am Wind herantastend an Fynens Südwestspitze steuerbord gehalten und die lange, flache Nord-Landzunge Lyøs umrundet. Karte und GPS im Blick – neben dem ins Meer greifenden Naturschutzfinger wird es flach – nehmen wir das Groß runter und rauschen nur unter Fock auf die Hafeneinfahrt zu, die noch gut zu erkennen ist. Danach würde es laut Hafenhandbuch aber bei Seitenwind zackig um die Ecken gehen. Also noch den Außenborder aus der Halterung gewuchtet, Benzintank auf, und der Zweitakter schiebt uns die letzten Meter durch die rostigen Spundwände der Einfahrt, dreht den langen Kiel trotz Wind auch um die Kurven. Die Leinen liegen klar, denn welcher Ort es jetzt auch wird: der Wind drückt uns dann seitlich, eine zügig festgemachte Leine an einem Punkt in Luv macht Sinn.
Armin Pech
Erfolgreiche Fehlersuche: durch den fehlenden Sprit im Filter kamen wir auf den Riss
Erst in Form eines ausgiebigen Frühsports mit diversen Gas- und Choke-Einstellungen. So aufgewärmt, gehen wir systematisch vor: Motorabdeckung auf, Spritfilter checken. Stellen fest: dort ist offenbar kein Tropfen Benzin mehr drin. Tank checken – voll. Tankdeckel – Lüfter ist auf. Tank steht gerade, Ansaugstutzen ist unter dem Sprit-Level. Alles tip-top. Gummiball zum Pumpen. Der kommt uns übrigens seit gestern etwas komisch vor. Sonst nix zu sehen, auch nicht an der Leitung. Warum kommt dieser elende Sprit nicht am Motor an? Armin dreht den Schlauch noch einmal aus der Ruhelage hin und her – da klappt ihm ein Leitungsriss direkt am Pumpball entgegen: Ab hier herrschte also nur noch frischer Meerluft-Flow in Richtung Heck zum Motor, wenn man durch Schwenk des Motors leichten Zug oder Drehung in den Schlauch brachte. Uns fällt ein Riesenstein vom Herzen, und merken erst jetzt, wie sehr uns diese tourentscheidende Frage doch im Magen lag. Das Werkzeug ist schnell ausgepackt, der Schlauch gekürzt, Schelle drauf, zwei‑, dreimal pumpen – Motor läuft.
Lyø – alles etwas verlassen hier
Lyø – alles etwas verlassen hier
Lyø-Inselwanderung
Lyø-Inselwanderung
Südwestspitze Fynen – sind froh, hier gestern eingefahren zu sein
Lyø-Inselwanderung: Baumbestand entlang der Wege
Wir schnappen unsere Jacken, checken zum hundertsten Mal die Festmacher und erkunden die Insel. Nur eine Handvoll zerzauster Segler und zwei, drei Einheimische sind zu sehen. So malerisch diese ganzen Inseln auch sind: oft verbreiten sie ja doch eine etwas verstörende Verlassenheit. Hochwertigst restaurierte und verfallene Häuser wechseln sich ab, aber die Edelferienhäuser (oder Wertanlagen) kommen mir besonders spooky vor, so verlassen in der Vorsaison. Am Wegesrand ein offener Verschlag mit Spardose – hier decken wir uns mit ein paar Gläsern selbstgekochter Marmelade ein und erweitern unseren Bordproviant um eine weitere Geschmacksrichtung „Kirsche“. Bloß aufpassen, dass im Geldschlitz nicht die falschen Münzen landen und wir beim nächsten Hafenautomaten unter der Dusche im Trockenen stehn.
Wir trimmen hier und da, aber alle Tricks ändern nichts daran, dass man bei einem knappen Knoten Fahrt pro Stunde keine ganze Seemeile gutmacht. Wir gehen ungern so früh an den Treibstoff, andererseits: „Windenergie“ würde sich uns die nächsten Tage noch zur Genüge bieten. Der Norden ist im Juni auch um zehn noch hell, das kommt uns nun zugute. Aber dann sollte man doch im Hafen sein, schon um Mommarks Hafenmeisters legendäre Jagdhorn-Einlage nicht zu verpassen. Hinten brummt der Zweitakter, am Bug spritzt es wieder, wenn auch Motorboot-gleichförmig statt Segel- oder Wellen-moduliert. Sehr spät legen wir nach den ersten 20 Seemeilen in Mommark an, proppevoll am Samstagabend, außer uns bewegen sich am Hafen nur noch ein paar Anglerboote – und die entgegenkommend. Dankbar sind wir der vorausschauenden Crew der in der Hafenenge liegenden Peltrine, einem über 100 Jahre alten See-Ewer: Zwar haben wir oft genug vergleichbare Vorsegel an ähnlichen Schiffen gesetzt und geborgen, aber ob wird beim engen Manövrieren aus unserer tiefen Folkeboot-Perspektive heraus an den weit ausladenden Klüverbaum weit über uns gedacht hätte, ohne den dran baumelnden orangen Kugelfender …
Detlef Hoepfner
Armin macht ein Nickerchen – und doch mal dichte Klamotten anziehen
Lyø halten wir gut in Erinnerung, nicht nur vom benzinschlauchbedingten Anlegen in Etappen und hilfreichen (statt nur gaffenden) Seglern, sondern einem wunderbaren Naturschutzgebiet, langen, knorrigen Alleen und dem mystischen „Glockenstein“. Viel Gelegenheit, den Tag wunderbar auf der Insel zu vertrödeln, umgeben vom schäumenden Lillebælt.
Zeitgleich kommen große Traditionssegler von Faborg um die steilen Klippen gebogen, uns entgegen oder holen von achtern sich aus dem Horizont erhebend auf. Was für eine phantastische Kulisse! Wir halten ihre Kurse im Blick, setzen uns etwas dichter dazwischen. Ein einfach überwältigendes Panorama aus kräftigem Wind und langen Wellen, streifendem Salz- und Regenwasser, als groß gepinselte Patinaflächen dazwischen cremefarbenes Segeltuch. Zögen jetzt noch Kanonendonner und Pulverdampf übers Wasser, es würde einen fast nicht wundern. Nach rund einer Stunde hat der Spuk ein Ende, wir sind wieder allein und es stellen sich die Alltagsfragen: Das häßliche Kümo vor uns – in Fahrt, vor Anker, oder weiß es das gerade selber nicht?
Ansteuerung Æroskøbing
Leichtes Chaos an Bord nach sehr viel Welle
Es dauert nicht sehr lange (Kartenausschnitt, und Blick auf die Delius-Klasing-App) bis nach 18 sm Ærøskøbings aufgereihte Badehäuserzeile erreicht und ein guter Platz gefunden sind: Eine ganz leere Hafenecke, gegen den Wind geduckt hinter einer massiven Steinmole, das dänisch-bunte Muster hölzerner „Badehuse“ direkt vor Augen. Im Boot offenbar sich nach dem Anlegen das typische Chaos: Vorm Hafen grob aufgetuchte Segel. Leinen überall. Jacken, nasse Hosen, Rettungswesten. Karten, Kamera, Tablet, Fernglas, Funk. Unter Deck noch Baumstütze, Fender, Zelt … Dass man abends überhaupt noch ein Lücke für den Schlafsack findet!
Armin möchte aufräumen. Ich will zur Werft. Armin zeigt auf das maritime Chaos rund um uns.
Ich auf die leeren Liegeboxen rechts und links: Hier ist niemand, der uns verpfeifen könnte – wir sind doch unter uns! Und der Werft-Shop führt manchmal Weihnachtsschmuck. Damit kann man bei der häuslichen Genehmigungsstelle für ehemännliche Erkundungsfahrten zwecks turnusmäßiger Vermessung der Dänischen Südsee sehr erfolgreich Punkte sammeln.
Armin möchte aufräumen. Wenigstens etwas.
Wir einigen uns, müssen dann zu Fuß schnell einmal durch den ganzen Hafen, sind Viertel vor Fünf an „Det Gamle Værft“. Die soeben geschlossen hat! Durchs Fenster sichtbarer Krimskrams in den Werftregalen schaut aus, als hätte er daheim etwas bewirken können. Nun werden wir uns für 2019 was einfallen lassen müssen. Aber Segelklamotten, die schon aufgehängt gut trocknen, haben ja auch ihr Gutes.
Wir schleichen um die Bootsbaustellen und schlagen uns in die Nebengassen. Eine schöner als die andere, gehalten in farbenfrohen, aber nicht übersättigten Farben, flaniert von den hier typischen Stockrosen. Von der Nørregade schaut man durch die offenen Fenster in dänisch designte Wohnräume. Und blickt durch deren hintere Fenster gleich weiter durch auf die Ostsee. Die Jahreszahlen auf den Giebeln verraten, dass man schon in den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts wusste, wie es sich schön wohnen lässt, ganz ohne Fototapete oder Riesenglotze an der Wand.
Die Segelwoche neigt sich, es ist nochmal sehr viel Wind aus Nord angesagt. Die Richtung passt perfekt, wir haben gut geplant. Nur zwei Tage drauf ist endlich nachlassender Wind angesagt, wenn wir wieder einen sehr lange Schlag zurück nach Deutschland vor uns haben. Aber jetzt schon ganz zurück … doch lieber Zwischenstopp in Bagenkop. Raus aus Ærøskøbing pfeift es wieder ordentlich. Das Groß ist angeschlagen, aber nicht gesetzt. Wir hoffen, allein mit sehr reduzierter Segelfäche – unter Fock – bei kräftigem Nordwest auf Halbwindkurs mit Kurs auf Drejø so viel Höhe halten zu können, um von dort in die Mørkedyb-Rinne hinunterzurutschen. Die Welle nimmt ordentlich zu, die paar Segler um uns rum schauen von deutlich größeren Booten auf uns runter. Sie könnten notfalls auch unter Motor einen Kurs „erzwingen“. Wir dagegen müssen uns völlig an die Situation adaptieren.
Detlef Hoepfner
Fahrwasser-Wirrwarr vor Marstal – und das Trockendock ist weg
Also Ausschau gehalten, ob man den nächsten betonnten Haken Richtung Marstal nicht etwas mildern und abkürzen kann, ohne das Boot auf eine Sandbank zu setzen. Am Ende der Rinne bietet sich dazu nach SW ein Schlag über „Meyers Grund“ an, angesichts des Seegangs mit deutlichem Abstand zu den Tiefenangaben, die mit einer „2“ vor dem Komma in der Karte stehen. Vor Marstal angelangt gilt es dann, die richtige Betonnung der drei Fahrwasser plus Hafenzufahrt statt der vorgelagerten Steinmole zu erwischen – nur unter Vorsegel bei dem vielen Wind und ohne Option, unter Motor zu korrigieren gibt es hier auch nur einen Versuch, richtig abzubiegen. Wir hatten überlegt, noch einen Zwischenstopp einzulegen, den Tag extra hätten wir dafür. Aber morgen soll das Wetter komplett kippen, statt kräftigem Nordwest plötzlich Südwest. Wir möchten hier nicht plötzlich eingeweht werden und denken, dass wir weiter südlich auf Langeland besser aufgehoben sind, um von dort bei SW zurück nach Deutschland zu kommen. Also weiter. Backbord schimmern mit klarer Farbkante abgegrenzt die Sandbänke dicht am Fahrwasser, die Kulisse von Marstal zieht beim Kurs Süd steuerbord vorbei, mit gewöhnungsbedürftigem Umriss: Jahrzehnte gezeichnet von den in den Himmel ragenden Fingern der Kräne und dem kastigen Schwimmdock der Marstal Værft, deren landschaftsprägende Stahlmonster aber 2017 nach Svendborg verlegt wurden. Schön war anders – aber irgendwie fehlt einem diese Landmarke jetzt doch.
Die vielen freien Boxen liegen leider alle quer zum Wind, der Winddruck nur im Rigg reicht aus, unser festgemachte Boot zu krängen. Noch hoffen wir, einen der später einladenden Segler neben uns locken können für etwas Deckung. Stattdessen gibt es zwar gut zu tun, von ebenso zerrupften Seglern Leinen anzunehmen. Aber ihre fetten Motoren, mit denen sie mehr oder weniger erfolgreich versuchen, ihre Anleger kontrolliert verlaufen zu lassen, wühlen das halbe Hafenbecken rund um uns auf und es ist dann vielleicht doch besser, dass wir alle etwas Abstand halten.
Nebenan werden die gemessenen Windgeschwindigkeiten diskutiert, und unser Zelt fürs Cockpit bleibt fest weggepackt. Und da wir ja bei dem Gepfeife kaum den Gaskocher in Gang bekämen, müssen wir leider, leider, ausnahmsweise im Hafenkiosk Riesenportionen Langelænder-Pommes und ein paar dicke Burger verdrücken. Nur ein Pølser reicht heut nicht. Aber auf einem Stuhl zu sitzen, ohne dass einen der Wind wegdrückt – das ist auf einmal ungewohnt. Wir gucken weiter Wetter, Wetter, Wetter: Morgen, am vorletzten Tag, kräftiger Südwest. Übermorgen dann deutlich weniger – yieppieh, zuletzt noch ein ruhigerer Segeltag? Wir laufen nochmal zur Hafeneinfahrt, schauen uns den Seegang und ein paar dazwischen einlaufende Angler und Segler an, klettern auf den kleinen Aussichtsturm: Da möchten wir jedenfalls so bald – und vor allem in Gegenrichtung – nicht wieder durch.
Vorbeirauschende Luft sorgt nicht nur für unsere Fortbewegung auf dem Wasser, sondern auch für eine wunderbare Sound-Kulisse. Diese Eindrücke auf einer Audio-/Videoaufnahme einzufangen, ist schwierig – der Windzug sorgt im Mikrofon für Artefakte, die viele Aufnahmen unbrauchbar machen können. Das muss doch besser gehen? Erste Versuche mit einem Immersive-Sound-Headset – hier im Video, unten beschrieben.
Ohne Luft kein Klangtransport zu unseren Ohren. Nur dumm, dass Mikrofone nicht unterscheiden können zwischen gewünschtem Wohl- oder Dramaklang und einer Böe, die es in der Aufnahme einfach nur poltern und krachen lässt. Und wenn man sich einmal zwingt, die ständige Audiokomensation des Gehirns auszuschalten, hört auch ohne Mikrofon im Wind: Schon der reine Windkontakt mit den Ohrmuscheln sorgt für eine zusätzliche Geräuschkulisse. Bis dahin, dass es Radfahrern deswegen schwerfällt, herannahende Autos rechtzeitig zu hören. Als Segler macht man sich dies sogar unwillkürlich zunutze: Eine scheinbare Windrichtung spüre ich einfacher, wenn ich ein wenig mit dem Kopf pendele und an den Ohren sowohl die Temperatur des Windzugs spüre als auch das leichte Rauschen an der Ohrkante.
Kurzfassung: Tipps gegen Windstörungen in Segelvideos
Windeinflüsse müssen (auch vom internen) Mikrofon ferngehalten werden
besser ein provisorischer Schutz (Socke ums Smartphone!), als gar keiner
nachträglich lassen sich Störungen nur mäßig entfernen, Hochpassfilter nutzen
externe In-Ear-Mikrofone liefert drastisch besseren Sound, das Set ist vertretbarer Zusatzaufwand, muss aber auch vor Wind geschützt werden. Und sei es durch die zugezogene Kapuze!
Mikrofone und ihr Gegner „Wind“
Den kratzigen Audioeffekt kennt jeder, der einmal bei etwas Wind mit seinem Smartphone eine kurze Aufnahme gestartet hat: Es krächzt einfach nur furchtbar. Mikrofone sollen zwar die feinste Luftbewegung im Schall registrieren, der kräftige Luftzug aber, der das Signal poltern oder gar clippen/übersteuern lässt, ausgeblendet sein. Dabei handelt es sich ja um die jeweils gleichen „Luftpartikel“!
Umso schlimmer trifft es uns, die wir ja bevorzugt auf dem Wasser herumzischen. Und die den Wind generell eher positiv bewerten. An Bord sitzend und rundum eine Fülle positiver Eindrücke mit allen Sinnen aufnehmend bleibt dann auf dem Video oft nur ein wackeliger Horizont und ein lautes CHRRRRRRRRRRRR. Das nervt.
Richtig mikrofoniert gegen den Wind: NDR-Dreh bei “Klassisch am Wind”. So eine “tote Katze” gilt es praktikabel nachzubilden Mike Peuker
(Mikrofon-)Katzen kommen mir nicht an Bord – schon gar nicht tot
In der Recording-Technik gibt es bewährte Gegenmittel. Am bekanntesten ist die „Tote Katze“: Um das gefederte Mikrofon wird ein großer Korb gebaut, der mit einem durchlässigen Fell ummantelt ist, sodass die Wucht des Luftzugs abgebremst wird. Besonders schnell setzen die tieffrequenten Attacken ein; kein Wunder, wenn man sich Frequenz und Wucht dieser böigen Windbewegungen vor Augen führt. Ist im Aufnahmeset kein Raum für große Körbe, behilft man sich mit direkt am Mikrofon befestigten, durchlässigen Fellstücken oder Schaumstoffbällen.
Produkte und Anleitungen dafür gibt es in den Fachmedien in Hülle und Fülle. Aber: Wenn man nicht als Reportage-Team an Bord, sondern nur zu zweit in der Nässe auf dem Boot unterwegs ist – wie soll man sich dann noch um eine Mordskonstruktion mit Tonangel usw. kümmern? Hinterher sieht man dann noch aus wie die Hobbyangler, die dem armen Fisch bis an die Zähne bewaffnet auf die Pelle rücken, als würde sich da gerade eine Marine-Elitetaucher-Einheit anschleichen. Eine weitere Möglichkeit wären nicht gerichtete und besonders abgestimmte Mikrofone. DPA in Dänemark hatte dazu mal ein Video gedreht, in dem die Windempfindlichkeit von Reportagemikrofonen verglichen wurde. Entscheidend scheint nicht nur die Ausführung des Windschutzes im Mikrofonkorb, sondern auch die Kapselabstimmung selbst.
Aber auch die nützen mir bei einem Spaß-Törn nix, wenn ich an der Pinne sitze und spontan denke: Wow, das muss ich schnell filmen! Denn dann habe ich nur mein Smartphone zur Hand, oder vielleicht die Kompaktkamera oder DSLR.
Ausprobiert: Recordend rund um Ærø
In den letzten Jahren haben wir bei diversen Törns in der Dänischen Südsee einige provisorische Audioaufnahmen durchgetestet, denen eins gemein war: Unsere Aufmerksamkeit galt in der Linie dem Segeln, das Recording lief irgendwie nebenher. Im Zweifelsfall gucke ich lieber einmal mehr auf die Seekarte als auf die Kamera. Ich verpasse lieber eine schöne Aufnahme als die Hafeneinfahrt. Und immer berücksichtigend: Ja, wenn man ersthaft aufnimmt, weiß man sehr genau, was zu tun ist. Aber: Fieldrecorder, ein Stapel vernünftiger Mikrofone und und und – bleibt alles zu Hause, ich habe Urlaub! Dieses Sammelsurium für das Filmen beim Segeln kam zum Einsatz:
Schon mit einem einfachen Recorder (mit der Aussterung vertraut machen!) wird der Ton zwar deutlich besser. Muss aber danach zum Bild synchronisiert werden – und nicht vergessen, die Mikrofone vor Wind zu schützen! Detlef Hoepfner
Kleiner Digitalrecorder: Keine schlechte Idee, aber ich will nicht steuern, filmen und noch den Recorder bedienen! Etwas windgeschützt im Cockpit z.B. aber kann man schöne Basissounds einfangen, die man dann später unter “mißratene” Videoclips mischt. Will man sicher gehen: Mindestens eine Socke über die Mikrofone ziehen.Smartphone – na ja: Die meisten Videos nimmt man eh damit auf, also nutzt man auch dessen Mikrofon. Unser Smartphone steckt in einem wasserfesten, zum Modell genau passenden wasserdichten Case. Überraschung: Die Windgeräusche sind dadurch eher noch heftiger als ganz ohne Hülle. Aber zum Case gibt es keine Alternative, schon weil ich das Smartphone dadurch per Sicherungsband mal irgendwo sichern kann, damit es nicht herumfliegt.
DSLR – Schrottsound: Die eingebauten Mikrofone liefern immerhin ein Stereobild, sind bezüglich Windanfälligkeit aber das pure Grauen. Man könnte Fellschnipsel draufkleben, in einer Saison habe ich immer schnell ein Halstuch um die Optik (und damit vor die Mikrofone) gewickelt. In der aktuellen Saison bin ich diesbezüglich leider etwas vergesslich geworden. Resultat: Soundschrott! Ja, es gibt einfache Aufsteckmikrofone. Aber die Kamera (derzeit D750) rollt gelegentlich beim Segelmanöver zwischen Tauen und unseren Füßen auf dem Cockpitboden herum (denn tiefer kann sie dann ja kaum noch fallen) – da stecke ich doch keinen zerbrechlichen Klimbim oben an die Kamera dran.
Übrigens: Gimbal … Ja, theoretisch gute Idee. In der Praxis: Alles viel zu fummelig, empfindlich. Vielleicht eine Option, wenn man fest immer ein Smartphone “übrig” hat, es eingespannt lässt und irgendwo trocken weglegt für bestimmte Momente. Aber auf einem kleinen Boot ist eh schon alles zu viel, was man extra mitnimmt. Zumindest, wenn man – wie wir – für so eine Tour allen Segelkrempel von verschiedenen Booten zusammensammelt und auf ein geliehenes Boot umsortiert.
Also trainiert der einarmige Kapitän besser weiter seinen Kameraarm und die Ausgleichsbewegungen in den Knien.
In-Ear-Mikrofone – eine Lösung?
Es gibt schon länger eine kleine Szene von Nerds, die als Sonderanfertigungen oder Kleinserien kompakte Mikrofone in der Form von In-Ear-Mikrofonen tragen und witzige Videos drehen, in denen sich ein sehr plastischer, immersiver Surround-Sound der Umgebungklänge erleben lässt. Soundman in Berlin ist einer dieser Pioniere. Sennheiser hat diese Idee 2017/2018 ebenfalls aufgegriffen und in ein Serienprodukt überführt. Superpraktisch: Es kann ohne externes Interface direkt an einem einigermaßen aktuellen iPhone betrieben werden, und es dient auch gleichzeitig als Hörer. Sport- oder Actionszenen stehen dabei aber derzeit wohl nicht an erster Stelle. Unter dem „Ambeo“-Label forciert Sennheiser darüber hinaus aber auch eine ganze Reihe professioneller Produkte rund um die Produktion immersiver Sounderlebnisse, die Kollegen von Sound&Recording stellen sie hier vor.
Meine eigenen Mehrkanalton-Installationen zu Hause habe ich zwar komplett abgebaut und weggepackt – aber könnte diese Hörer/Mikrofon-Kombination für Smartphones eine Lösung sein? Für meinen Immersive-Sound-Grundlagenartikel hatte ich sowieso ein Fotomuster von Sennheisers Ambeo-Hoffnungsträger im Büro, also einmal ab damit nach draußen. Die diversen Schalter und Knöpfe haben mich direkt überfordert, also doch besser mal fünf Minuten damit beschäftigen: Es gibt einige Funktionen, die auch das Wahrnehmen von Umgebungsgeräuschen verbessern, wenn man mit den Stöpseln im Ohr musikhörend herumläuft – was ich nie mache, schon weil ich einfach solche Dinger im Ohr nicht leiden kann. Plus dass ich wenig Bedarf haben, die meist schönen Klänge um mich herum durch Alternativbeschallung zu übertönen.
Sennheiser Ambeo Smart Headset mit Bedieneinheit, zwei Ohrbügeln incl. Hörern und Mikrofonen sowie Smartphone-Stecker Detlef HoepfnerDie drei ersten Ergebnisse mit dem Sennheiser Ambeo vor dem Törn:
Das Sennheiser Ambeo liefert eine sehr schöne Raumabbildung. Da kann man jetzt lange nerdig über die Qualität der Vorne- oder Hinten-Ortung diskutieren – aber hey, das ist ein Consumer-Produkt. Und über die internen Wandler kann man aktiv mithören, man ist während der Aufnahme nicht isoliert. Gut!
Das Sennheiser Ambeo ist erst einmal nicht weniger windanfällig. Meine Hoffnung, dass Form, Abstimmung und Position der Mikrofone in den Ohren vielleicht besondere Vorteile bezüglich der Windanfälligkeit böten, hat sich leider nicht bestätigt. Dennoch sind später beim Segeln sehr coole Aufnahmen entstanden.
Die Handhabung ist eben wie sie so bei dieser Produktgattung ist (und mich auf die Palme bringt): Erst mal heißt es immer, die Kabel zu enttüddeln und den richtigen Stöpsel ins richtige Ohr zu bekommen. Auf Dauer würde ich mir jedenfalls rot/grüne Markierungen für Back- und Steuerbord-Ohr drankleben. Die Generation, die zusätzlich zur Nabelschnur mit zwei weiteren Strippen zur Welt gekommen ist, agiert da sicher geduldiger.
Segelpraxis mit dem Ambeo-Mikrofon
Gelegenheit zum Praxistest hatte ich sieben Tage lang auf dem Wasser und auf diversen dänischen Inseln – theoretisch. Tatsächlich mit dem Ambeo aufgenommen habe ich … vielleicht eine halbe Stunde in Summe, leider nur. Denn selbst bei einer ganzen Woche auf dem Folkeboot (einem über 70 Jahre alten Schmuckstück von www.klassisch-am-wind.de) ist man so viel mit wunderbaren Aufgaben wie Segelpraxis, Törnplanung, Wetterbeobachtung, Kartenarbeit, Kartoffelschälen oder Löcher-in-die-Luft-gucken beschäftigt, dass der ganze Elektronikkram in den Hintergrund rückt. Und sicheres Ankommen via attraktiver Routen steht bei den Touren ganz im Vordergrund. Alle Aufnahmen, die ich nun in einem Video zusammengeschnitten habe, entstanden daher zu nur zwei Gelegenheiten.
Die größte praktische Einschränkung: Man hat schon eine Segeljacke an – jedenfalls bei unseren fast durchgängig sehr stürmischen Tagen. Darüber eine mehr oder weniger martialische Rettungsweste. Da ist dann vorne manchmal noch ein Lifebelt eingehakt. Das Smartphone (mit zusätzlich laufender Seekarten-App) steckt wasserdicht verpackt in der Hosentasche. Jetzt noch zwei filigrane Kabel sortieren, Mikrofonstöpsel in die Ohren, das iPhone-Case öffnen und Mikrofon und Smartphone verbinden? Bei ruppigem Wetter eine Herausforderung.
Je nach Wetter ist man eher beschäftigt, die nächste Tonne nicht zu verpassen oder von Bord zu fliegen, als jetzt noch Recording-Equipment zu installieren Armin Pech
Segler-Kunstkopf unter der Kapuze
Und dann noch der Wind. Gegen die Windempfindlichkeit testete ich zuvor einige banale Tricks, wie ein über die Ohren hochgezogenes Halstuch (kein überzeugendes Ergebnis). Unterwegs griff ich dann mehr oder weniger aus Ratlosigkeit dazu, einfach die Kapuze der Regenjacke über die Mikrofone in den Ohren zu ziehen. Dem Audioprofi dreht sich da natürlich der Magen um: Nicht wegen der Schaukelei, sondern ein „Kunstkopfmikrofon am lebenden Subjekt“ mit drübergezogener Kapuze macht jetzt nicht so viel Sinn, oder? Die ganzen Reflexionen rund um die Ohrmuschel werden ja total gestört, erhalten bleiben immerhin die Laufzeitunterschiede zwischen den Ohren. Und für die Hochtonaufnahme ist das auch nicht erste Wahl. Dabei finde ich einen Audioeffekt besonders stark: Im Folkeboot sitzt man sehr tief direkt in der Nähe der Wasseroberfläche. Die vom geklinkerten Rumpf gebrochenen Wellen rauschen direkt neben einem vorbei. Milliarden von winzigen Bläschen zerplatzen und erzeugen einen ganz eigenen Sound. Alles da in der Realität: Bässe, Mitten, feine Höhen.
Ob das aufnahmetechnisch optimal ist, weiß ich noch nicht, aber super bewährt hat sich auch das aktive Mithören während der Aufnahme bei den Sennheisers: An Bord bei etwas Welle herumkletternd bekomme ich eigentlich direkt ein ungutes Gefühl, wenn ich mir die Ohren zustöpsele. In dem Moment merkt man erst, wieviel Orientierungssinn auch über das Gehör läuft. Aktiviert hört man eher so, als wären die Stöpsel nicht im Ohr – sozusagen das Gegenteil des (ebenfalls möglichen) Noise Canceling.
Schöne Aufnahmepositionen: man kann ja nicht weit weg auf dem Boot
Aufgenommen habe ich mehrere Positionen: Tief über dem Wasser in Lee nach vorne sehen, dann nach hinten übers Heck blickend (und dadurch mehr von der Kapuze geschützt, da der Wind ja bei den meisten Kursen eher vorlich einfällt). Noch geschützter tiefer im Cockpit sitzend, wobei ein zweiter Sound immer stärker dominiert: Wenn der außen nicht glatte, sondern durch die Klinkerbauweise „stufige“ Holzrumpf in die Wellen taucht, produziert er recht fette, tieffrequente Klänge, die ich zuletzt noch im Bootsinneren aufnahm. Dort drinnen ohne Kapuze, wobei hier wenig Hochfrequenzanteile zu vernehmen sind, bis auf das diverse Geklapper von einigem Krempel (wie sicher und trocken man vorher auch alles verstaut haben mag).
Die Ergebnisse sind, nachdem ich noch einen jeweils angepassten Hochpass gegen die verbliebenen Wind-Rumpler angewendet habe, angesichts der Umstände verblüffend gut! Mein persönliche Favorit im Video: Der Blick auf den Kompass im Cockpit, der wenig Wind einfing, daher noch viel Tieftoninhalt behielt und eine Mischung aus donnerndem Holzrumpf, rauschenden Wellen und den diversen Bootsgeräuschen bietet. Auch ein seitlicher Blick in Lee zum Bug bietet mir Hörgenuss: An Backbord rauschen die Wellen von vorne seitlich nach hinten vorbei, an Steuerbord dominiert der Boots-Sound, und zwischendurch klappern Details wie der Schäkel, der am Großbaum irgendwo über/hinter einem für die herunterhängende Dirk angeschlagen ist. Schwierig zu unterscheiden ist manchmal, woher einige der „Crackles“ in den Aufnahmen stammen: Es kann sich um kleine Klappereien am Boot handeln, Wasserspritzer, das Schaben der Regenjacke am Mikrofon – oder kommen sich da Mikrofon und Haare in die Quere? Also direkt mal zum Friseur, Ohren freischneiden.
Audio-Nachbearbeitung der Segelfilme: funktioniert De-Wind?
Verlockend ist die Perspektive, die ganzen Fehler und Audiostörungen eines Videoclips in der Nachbearbeitung mit ein, zwei Tricks schnell zu korrigieren. Das ist im Fall der Windgeräusche eine Illusion.
So lange es sich um sehr tieffrequente Störungen handelt, kann man diese – wie bei den Ambeo-Aufnahmen unter der Kapuze praktiziert – mit einem Hochpass dämpfen. Die Windrumpler verschwinden weitgehend, damit aber auch der “Rumms”, wenn die Welle den Bug trifft. Da kann man noch ein wenig pfuschen (wie im Intro meines Videos), indem man eine saubere Aufnahme im LF druntermischt. Zur Verdeutlichung ein Beispiel, aufgenommen m Hafen: Das wiederholte Muster aus senkrechten orangen Linien sind die schlagenden Fallen rundum, auf dem rechten Ohr (unten) besonders am Anfang Windstöße, und durchgängig “Winddruck” im LF-/Tieftonbereich.
Sehr kräftige LF-Störung auf beiden Ohren, aufgenommen bei wenig Wind am Ufer Detlef HoepfnerHochpassfilter 200 Hz – das nimmt neben dem tiefen Rumpeln schon Grundton weg Detlef HoepfnerErgebnis mit HPF – das Schlagen der Fallen im Hafen ist weiter zu hören (orange Striche in Fenstermitte), der ganze tiefe Windanteil ist gedämpft Detlef HoepfnerBesonders problematisch ist aber, wenn die Windstörungen im Frequenzspektrum sehr breit ausfallen. Und das ist meistens der Fall. Noch schlimmer: Es handelt sich nicht um einzelne, kleine Audioevents, sondern die Störung dauert mehrere Sekunden an. Meine Videoaufnahme in Luv stehen und zum Bug blickend zeigt, dass dann die Hilfe via Hochpassfilter schnell zu Frust führt: Die Aufnahme wird dann ziemlich “dünn”, weil man das Filter bis in den Mitteltonbereich hochschieben muss.
Der kräftige Windstoß anfangs auf dem rechten Ohr reicht im Spektrum bis über 1 kHz hinauf – per Hochpassfilterung würde hier schon viel von der Aufnahme verloren gehen Detlef HoepfnerAber können hier nicht moderne Features wie das De-Wind-Plugin von iZotope RX6 rettend eingreifen? Nach meiner Erfahrung: Schwierig. Die Tools sind dazu entwickelt, aus einer nicht idealen Aufnahme ein konkretes Nutzsignal – wie einen Dialog – sauber herauszuisolieren. Wir haben aber breitbandiges Meeresrauschen, lange brechende Wellen, Windheulen im Rigg – wie soll da ein Algorithmus unterscheiden, welches Rauschen gewollt und welches böse Windstörungen in der Mikrofonkapsel sind? Wie auch immer ich die Parameter gedreht habe: entweder es blieb die Windstörung, oder es gab viel Artefakte, oder beides.
Windstörungs/Wellen-Mix von Bord – das zu trennen, würde ewig dauern Detlef HoepfnerWas dagegen möglich ist, ist das partielle Entfernen kurzer Störungen Schnipsel für Schnipsel, eventuell getrennt für L und R. Auch die Rettung via Spektral-Repair kann da erfolgreich sein. Aber wenn man sich oben einmal dieses Spektrum von Bord ansieht, aufgenommen mit einem durchschnittlichen Smartphone: Völlig übertrieben, hier jetzt nächtelang die einzelnen Windstörungen im Mikrofon (grün, hundertfach sich wiederholend) vom Wellenrauschen (blau) trennen zu wollen. Vermutlich bekäme man eher das gewünschte Nutzsignal – Wellen- und Wasserrauschen – weggerechnet …
Windschutzideen
Langer Rede kurzer Sinn: Mit den In-Ear-Mikrofonen bekommt man tolle Sounds hin, aber was auch immer man benutzt: es geht kein Weg an einem Windschutz vorbei. Und sei es eine schnell übers Mikrofon oder Smartphone gezogene Socke.
Nach einiger Grübelei entwickelte ich eine weitere Idee für die smarten In-Ear-Mikrofone: Man müsste doch eine Art Kopfhörer bauen, nur als Windschutz … das Material dafür ist auf dem Weg zu mir für eine simple und eine etwas aufwändigere Idee mit mehr (gut!) oder etwas weniger Abstand zum Mikrofon.
Um dann festzustellen, dass Rycote sowas bereits für die Soundman-Mikrofone baut und über die gängigen Musiker-Onlineshops anbietet. [Emoticon: flache Hand vor die Stirn schlagend …] Kann dann ja wohl nicht so abwegig sein; mehr dazu hier als Nachtrag nach erfolgter Bastel- und Erprobungsrunde!
Disclaimer: Boot gechartert bei Mike Peuker, zusätzliche Aufnahmen und Tests bei www.segeln.ruhr, kreative Diskussionen mit den Jungs von www.soundandrecording.de und www.kameramann.de in den Nebenbüros, Sennheiser Ambeo für ein anderes Thema geliehen bei Sennheiser.
Und an alle SEO-Freaks, die jetzt mit Blick auf das Material hier jammern “Das macht doch so alles keinen Sinn!”: Segeln macht auch gar keinen Sinn!