Jahresbeginn bedeutet nicht nur ganz viele Vorarbeiten für die eigenen Magazine Production Partner und Professional System und Events unter dem Claim Live Entertainment and Technology: es lockt auch die boot in Düsseldorf. Mit der Boating Unit unseres gemeinsamen Medienhauses Ebner Media Group sind wir dort ebenfalls selbstverständlich vertreten – aber ich genieße das Vorrecht, diesen Marktplatz ganz privat und ohne Themendruck besuchen zu dürfen.
Meine Mitsegler Armin und Dirk sind diesmal leider raus, d. h. ich muss ihnen ein wenig Bericht erstatten … also doch etwas Themendruck. Regina hat sich derweil bereiterklärt, ihren Ehemann unterstützend zu begleiten, da ja der emotionale Support von Armin fehlt, wenn ich seufzend vor schönen Booten dahinschmachte.
Muss sagen, das ist eine interessante Erfahrung.
Unser eigener Auftritt wird von ihr gleich kritisch kommentiert. Na das kann ja was werden. Umrahmt von den cool gestalteten Backdrops treffe ich die fröhlichen Kollegen und freue mich riesig, dass wir uns hier wiedersehen.
Dann möchte ich gleich zu Pantaenius rüber – ein Kollege von uns ist als Content Marketing Manager dort hin gewechselt.
Während ich Regina noch im Laufschritt schildere, wie sehr ich das gleichzeitig bedauere – und auch verstehe –, ist sie schon wieder ein einem anderen Thema drin:
Ob ich schon gesehen hätte, wie toll der Stand gestaltet sei? Stimmt! Aber Jan kommt wohl erst leider morgen an.
Immer begeisternd der Auftritt von Steiner. Ich weiß nicht recht, warum. Die Gläser sind halt einfach Hammer. Die nervigen Schutzkappen werden neuerdings übrigens einzeln eingeklickt und hängen nicht dauernd vor der Optik. Lässt sich aber nicht umrüsten.
Hänge noch in Gedanken dabei, was Jan und mich überraschenderweise mit einem alten Segelzentrum am Ratzeburger See verbindet, hat Regina ihre Lieblings-Gangway entdeckt: Aard, das wünscht sie sich für die Banjaard!
Ich dagegen bekomme (nochmals) den Auftrag, endlich den Hauklotz im Garten durch korrekte Gartenstufen zu ersetzen.
Dürfen sie klappbar sein?
Quer durch die Halle leuchtet es orange. Auf dem Weg dort hin echte Museumstechnik. Noch nicht die Refit Area mit ihren kunstvoll mit Rohren und Kesseln vollgestopften Dampfbooten. Sondern irgend so ein Baller-Boot, die einen auf dem Wasser unendlich nerven (nicht viel weniger an Land). Der Blick unter die Haube so eines Explosionsmotors, der vor allem irre Energiemengen in Hitze und Lärm umwandelt, ist 2023 einfach nur noch verstörend.
Direkt gegenüber der zeitgemäße Gegenpol von Torqeedo.
Aber nicht nur die Antriebe sind cool, das ganze offene und inspirierende Messestandkonzept begeistert uns:
Regina und ich stehen vor mehreren Themenwänden zu Technologie und Produkterwartungen. Wir diskutieren, überlegen, wägen ab und entscheiden. Setzen hier einen Marker, drehen dort einen Propeller. Ein richtig schönes, interaktives Messehighlight. Ganz ohne irgendwelche AV 😉
Wir vergessen nur Wand 3, das haben wir irgendwie verpeilt. Bestimmt, weil da doch noch ein Bildschirm hing statt „was echt zum anpacken“.
Keine Lust mehr auf Ruß und Staub
Technisch sind wir dann fast schon durch. Mir fällt neben den segeltypischen Solar-Panels maritime Ladetechnik auf. Regina fühlt sich zu einer neuen Küchenarbeitsplatte inspiriert. Werkzeug, Lacke und Tauwerk überall. Aber ehrlich gesagt: Von Schleifarbeiten bei 7 Grad in der Bootshalle habe ich echt die Nase voll.
Courage, Freiheit und Überlebenswille
Damit ist man schnell in der Abteilung Damen- und Herrenbekleidung angelangt. Hier und da tuschelt es an den Ständen, ob auch hier nicht mal mehr Aussteller zugegen waren? Mir scheint zumindest, dass die Anbieter hochwertiger (oder zumindest teurer) Waren gut sichtbar sind. Verschiebt sich die Masse an Kramläden noch mehr ins Internet? Selbst “Klassiker” wie NV Charts, deren Navigations-App wir gerne verwenden, sind diesmal nicht aufzufinden.
Neuentdeckungen sind so vielleicht auch leichter auszumachen. Freedom of the wind – The beauty of the sea – Courage of Ukraine: Während dies auch ein Wochenende ist, an dem weiter diskutiert wurde, ob man nun bestimmte Panzer ja oder vielleicht oder vielleicht ja aber nur als ob der Ukraine überlässt, stehen deren Segelmacher in Halle 15 und versuchen sich an einem Hauch Normalität und Umsatz. Die Oberbekleidung “Rewind” von ernst bis augenzwinkernd ist teil aus recyceltem Material gefertigt, mir gefallen ja die Windfähnchen an den Ärmeln top!
Storys statt Muff
Von Kai und Silvan haben wir uns schon verabschiedet, für sie beginnt morgen nach dem Publikums-geprägten Sonntag der eigentliche Termin-Marathon. Wir machen noch einen Schlag quer rüber in die Refit Area. Als Messe-Dauerläufer wirkt sie zwar leicht, als müsste hier auch unverkaufte Fläche belegt werden. Aber sie ist wirklich super schön gemacht. Auch Klassenvereinigungen gehören natürlich zur boot. Aber Themenflächen, auf denen nicht zum 100. das gleiche Boot steht, sondern beispielsweise Umweltfragen attraktiv erlebbar werden, gehören für mich zu den eigentlichen Highlights. Die quirlige Bevölkerung durch malende und bastelnde Kinder bestätigt, dass die boot nach wie vor auch ein attraktives Ziel für den Familienausflug ist.
Ganz komme ich auch hier nicht aus meiner Haut: Die typische Situation „alter Seebär hält das Mikro vor seinen Bauch und referiert und laut machen darf man eh nicht“, verliert dank moderner Linienlautsprecher ihren Schrecken. Ich bin schon weit im Gang weitergelaufen, da höre ich ihn noch leise – und verstehe jedes Wort.
Trotz Orientierungslosigkeit zum Ostsee-Ziel
Langsam geht uns die Puste aus. Regina chillt in einem Vortrag ab. Die Ziele rund New York einer engagierten Seglerin erkennt sie begeistert aus diversen Kinofilmen. Ich suche vergeblich das große Segelbecken, ein Opti-Lieferant ist nicht im Ausstellerverzeichnis zu identifizieren. Und überhaupt – wo sind hier die baltischen Regionen vertreten?
Regina gibt sich der Illusion hin, bei Ausstellern oder an der Infotheke Auskunft zu erhalten. Nach Versuch 3 mit bemühtem, elegant-blau gekleidetem Messepersonal, das ansonsten ahnungslos auch nur den Zahlenkolonnen verwaltenden Computer fragt, sind wir bei meinem Vorschlag, einfach in der nächsten Halle selbst zu suchen und die nutzlosen Pläne alle wegzuwerfen. Den Opti-Händler hat Dirk zwischenzeitlich von zu Hause aus ausfindig gemacht und mir per WhatsApp zugespielt.
Da entdecken wir von weitem an einer Wand den Küstenverlauf Litauen, Lettland, Estland. Nix wie hin. Kaum haben wir den Finger auf unser Urlaubsziel 2023 gesetzt, knapp oberhalb von Pāvilosta, werden wir gleich angesprochen: „Guten Tag, ich bin dort der Hafenmeister – wie kann ich Euch helfen?“
Nun haben wir eine Verabredung – nicht nur die Region um das ehemalige Paulshafen, sondern auch Pāvilosta selbst soll eine Reise wert sein!
Nach zwei Jahren mit einer ausgefallenen Folkeboot-Tour und einem Törn von Testzentrum zu Zahnarztpraxis nun in 2022 endlich wieder eine ganze Woche Leben unter Segeln. Das Schleiwasser hatten wir dabei sogar hauptsächlich unterm Kiel statt in dem Boot – ein Privileg, dass andere sich erst hart erarbeiten müssen, wie wir unterwegs lernten
Trööööööt …! Bin selbst etwas erschrocken, wie laut es über die Schlei nach einem kräftigen Lungenzug in Richtung Campingplatz schallt. Aber irgendwann muss man dieses Messing-Signalhorn doch auch mal praktisch nutzen! Haaaaaa-loooooo-klaaaauuuuus?! Wir wissen nicht, ob unser Freund und Nachbar sein Folkeboot „Panik“ pünktlich hier an die Schlei bekommen hat. Am Steg, den wir auf unserem mehrstufigen Weg von Maasholm Richtung Schleswig passieren, sehen wir es nicht im Fernglas. Auch der Campingplatz scheint unbelebt. Wir haben den Platz schon halb passiert, da kommt seine Frau ans Ufer gelaufen. Jetzt haben wir spontan gar nicht gecheckt, wie flach es da vorne ist. Aber mit ein paar Rufen und Armbewegungen ist auch über Entfernung klar: Die „Panik“ wird heute in Missunde gekrant, zu Wasser gelassen und der Mast gestellt. Da kommen wir jetzt eh vorbei. Aber passt unser unvorhersehbares Timing zu den knappen Kran-Zeitslots?
Typische Schlei-Perspektive, davor ist es flach – Kartenkonzentration …
Was ein Zufall! Dabei war vor ein paar Tagen noch gar nicht klar, ob wir überhaupt zu unserer jährlichen Tour würden starten können. Eine Sorgen bereitende WhatsApp „Können wir bitte telefonieren?“ ging schon vor zwei Jahren einmal zwischen uns hin und her. Damals hatten wir in gegenseitiger Abstimmung beschlossen: Wir können diesmal gar nicht los. 2022 nun eine ähnliche Situation. Aber wieder ist für uns klar: Wenn einer von uns in der Klemme ist, tragen wir nötige Entscheidungen gemeinsam, gar keine Frage. Nach längerer Krisensitzung per Videoschalte beschließen wir: Das Auto wird nicht wieder ausgepackt, wir schaffen uns stattdessen unterwegs ausreichend Ausstiegs-Optionen. Und einen Plan B braucht man beim Segeln ja sowieso immer, mindestens. Vor allem, wenn die Lärche für den Bootsrumpf der diesmal gecharterten „Mumi“ schon 1968 auf die Eichenspanten gelegt wurde.
Neues Team bei “Klassisch am Wind”
Gespannt sind wir diesmal nicht nur auf diese gut sieben Meter Folkeboot, sondern auch auf die Vercharterer Jeannine und Sven Steinbach. Ab dieser Saison führen sie die Pflege und Vermietung von Jacaranda, Maj, Admiral Jacob und eben Mumi weiter. Kontakt und Übergabe laufen super easy und sympathisch. Schnell haben wir das Gefühl: hier ist das Projekt „Klassisch am Wind“ wieder in gute Hände weitergegeben. Mit Jacaranda und Maj haben wir schon etliche Touren durch die „Dänische Südsee“ geloggt, auf Admiral Jacob immerhin einmal übernachtet und sind nun gespannt, wie „Mumi“ und wir uns miteinander anfreunden.
Herausforderung Nr. 1 ist wie immer (nachdem Armin sich endlich im Supermarkt auf die richtige Sorte Kartoffeln geeinigt hat): Wie bekommen wir mehrere Handkarren voller Klamotten und Lebensmittel, zuvor von Armin schon nach unserer Standard-Cloud-Einkaufsliste eingekauft, in dieses Boot? Auto leer, aber Vordeck und Cockpit komplett voll … Die „Maj“ hatte noch Schwalbennester über den beiden Kojen. Hier stößt man sich zwar nicht den Kopf daran, aber es fehlt auch der Stauraum für Zwiebeln, Brot, Nudeln, Kulturbeutel, Kamera, Navi-iPads, Ladegeräte … und und und. Also unter Deck erst mal Platz geschafft, Klapptisch oder Rettungsinsel haben wir eh nicht vor zu nutzen, also alles in die Ecken damit. Dann die ganzen Bodenbretter lockern und inspizieren, wo man was in der immer etwas nassen Bilge unterbringen könnte. Gut verpackte Lebensmittel nach unten, den Käse lieber nach oben. Hält sich hier etwas kühler, wegfuttern sollte man ihn dennoch schnell. Sogar eine kleine Kühlbox würde man hier vielleicht unterbekommen. Richtig am Vorluk platziert, kommt man an manche Kisten später sogar bequem vom Vordeck aus. Wenn man nicht vorher vergessen hat, im engen Bug den Schnappverschluss zu öffnen …
Die erste kurze Nacht und den Einräumtag liegen wir noch in Maasholm. Um Werft und durch die vorgelagerten Yachten heult der Wind, die Flaggen zerren mächtig an ihren Leinen. Nicht der Sound, den man nach anstrengenden Arbeitswochen, Anreise und unklarer Wochenperspektive hören will. Wir checken die Wettermodelle ECMWF und ICON. Schauen von der vorgelagerten Hafenspitze zu, wie andere Boote kleine Testrunden vor Maasholm drehen und wie sich die von Kappeln kommenden Boote schlagen. In Schleimünde wären wir bei dem Wind easy. Aber da fahren am Wochenende alle hin, das sparen wir uns. Und die nächsten Ziele via Ostsee liegen danach zu entfernt, zumal bei unserer Planungs-Unsicherheit. Abends spät hält sich der Wind an die Vorhersagen, wird etwas ruhiger. Ich habe auch schon nach nur einem Tag genug vom Schnack der „Hafen-Dauercamper“ und wir müssen auch unserer Psyche zuliebe los. Kurz vor Jahresmitte ist es nun — zumal hier im Norden — eh ewig lange hell. Nächst erreichbar liegt Kappeln, da hätten wir auch bei Wetterverschlechterung etwas zu tun. Der nun zwar angenehmere Wind steht auf der Strecke jedoch genau gegenan.
Kappeln und Arnis – nicht nur ein Kompromiss
Jetzt sind wir nicht für Angst vorm Kreuzen bekannt und so bereits den kompletten Als-Sund hoch. Aber wir entscheiden uns für eine Kombi: Die Segel werden gegen 19.00 Uhr angeschlagen und los gehts. Prompt fällt uns nach dem Ablegen auf, dass wir in den Schnüren doch noch was überkreuz haben. Also ein guter Test. Das ist die Herausforderung Charter-Segeln: Mit dem eigenen Boot ist man ewig vertraut, was einem nicht gefällt, baut man um. Aber selbst diese vier fast gleichen Folkeboote haben doch hier und da ihre kleinen Unterschiede, und so ist man als Charterer besonders gefordert, sich schnell zu adaptieren.
Armin Pech Kurzer Halbwind-Probeschlag abends um halb achtArmin PechDetlef Hoepfner Erstes Anlegen klappt schon mal topDetlef Hoepfner Liegeplatz etwas ruhiger in Richtung Schlei — und mit mehr Abendsonne
Nach ein paar Wenden geht der Kurs nach Nordwest, die Segel beide wieder runter und wir sind total begeistert von diesem 4‑PS-Außenborder: Der Viertakter läuft ruhig und leise, springt immer verzögerungsfrei an, stinkt weniger und braucht kaum Sprit. Mehr kann man von der Problemstelle Nr. 1 eines Segelbootes nicht verlangen. Einzig der Kraftstoffschlauch klemmt gerne mal an der Motorhalterung, zum Manövrieren mag man den Außenborder ja gerne auch mal komplett um 90°quer stellen. Mit einem langsamen Seitenimpuls dreht man den Langkieler so gut. Am besten gefällt uns fast die lustige Beschilderung „Hase“ und „Schildkröte“ am Gasgriff.
Die letzte Brückenöffnung in Kappeln ist abends kurz vor zehn, das schaffen wir locker. Beim ASC finden wir einen schönen Platz mit dem Bug zur Schlei und Heck in die Abendsonne. Dabei etwas weg vom Landleben und der den Museumshafen überragenden Milchfabrik, deren Vorbesitzer bis 2019 dem Promenadenweg seinen Namen gab.
Hier gönnen wir uns einen Tag dringend nötiger Ruhe. Wir dürfen gelassener abwarten, wie sich daheim unsere Lagen entwickeln und wären schnell zurück. Die Stadt lädt zum Bummeln ein, das Hafen-Restaurant ist mega (bester Veggie-Burger vonne Welt), die Museumsschiffe locken gleich nebenan und wir liegen sicher und ruhig. Einzig auf solche schlichten Wandersegler wie uns ist man hier nicht unbedingt optimal eingestellt. Und wir lernen: Für eine Mitgliedschaft (zu ungenannten Kosten) bräuchten wir hier zwei Bürgen — das bekommen wir aber schnell hin, zählen wir uns beide an Bord kurz durch 🙂
Detlef Hoepfner Gewitterwolken türmen sich aufArmin Pech Das Wetter ist weiter nicht unser FreundDetlef Hoepfner Der Regen ist etwas schneller als unsere 4 PSDetlef Hoepfner Arnis, hat übrigens den nettesten HafenmeisterZwischen Gewittern und Regen über nach Arnis
Richtig raus aus der Schlei werden wir diese Woche nicht kommen, das wird uns beiden langsam klar. Unser Ziel Avernakø aber von unsere To-do-Liste können wir vergessen. Armin: „Durch Plan B stand fest, es gibt nur einen Weg: Schlei rauf und anschließend wieder abwärts, soweit wir wollen. Also alles entspannt.“ Sesshaft wollen wir hier in diesem Hafen nun jedoch auch nicht werden. Dagen spricht am nächsten Tag in geradezu lehrbuchmäßiges auftürmen von Gewitterwolken über der Stadt. Flankiert werden sie von dunklen Fronten am Horizont. Wir checken das Wolkenradar, schauen in den Himmel, prüfen Den Wetterbericht und ergreifen eine Gelegenheit, die uns günstig scheint. Unter Motor wenigstens schnell rüber nach Arnis, in Bewegung zu sein, und sei es nur so kurz, tut uns gut. Aber die Idee, der Front auszuweichen, haut nicht ganz hin: auf dem Weg holt sie uns langsam ein und duscht einmal das Salz Wasser von uns und dem Boot. Angekommen in Arnis begrüßt uns dafür Sonnenschein. dazu noch der beste Hafenmeister weit und breit, der seinem Namen gerecht wird. Da fehlen nur noch Annette und Hildor, die uns hier im letzten Jahr von Land aus supportet haben.
Detlef HoepfnerDetlef HoepfnerArmin PechDetlef HoepfnerDetlef Hoepfner “Es muss nicht immer Bratwurst sein” — während seine Familie grillt, versucht Armin, sich meinen Erdbeer-Tick schönzureden und pfeffert diese raffiniert. Wir sind beide mäßig beeindruckt.Detlef HoepfnerDer Mond ist in diesen Juni-Nächten 2022 der Erde sehr nah
Ein Rundgang um die Halbinsel durch die Gärten und Werftgelände oder ein Flammkuchen in der Schleiperle sind allemal einen Nachmittag wert. direkt vor unseren Augen wird sogar ein komplettes Kümo gerade frisch geslippt.
Erdbeeren bunkern in Lindaunis
Jörg Lubs Unser Holzboot vor viel altem Stahl
Next Stop Lindaunis — übrigens ausgesprochen „Lindau-Nis“ wie mich meine norddeutsche Familie überzeugt. Letztes Jahr war hier für uns Endstation. Die skurille Brücke ist allein einen Besuch wert, aber – wenn wieder mal verklemmt – für hohe Masten nicht passierbar. Wir sind mit den Infos der die beeindruckende Baustelle verantwortenden Bahn optimal versorgt (das gute und informative Bau-Infoportal findet sich hier). Wir müssen uns bei der Ansteuerung der Marina direkt vor den gigantischen Baustellen-Pontons nur noch für einen Liegeplatz entscheiden: eher Ostseite mit Blick zurück in die Schlei oder gegenüber Richtung Brücke? Armin plädiert kurzfristig für die zweite Lösung und wir machen dort fest. Kurz danach gesteht er, warum: ihn lockte ein besonders kurzer Weg zu den etwas entfernt liegenden Sanitäranlagen. Unser Video vom zugegebenermaßen idyllischen Lauf bis zum Ausgang wurde dann zum Lacher in unserem Verein: Lange Schlangenlinien lief man von hier zum in Wirklichkeit maximal weit entfernten Tor. Nur ganze zwei Boote in der gesamten Marina hatten einen noch weiteren Weg zum Klo. Aber gutes Timing ist beim Segeln ja essentiell.
Bedrohlich nur mein gefährlich zur Neige gehende Vorrat an frischen Erdbeeren. Also einmal Ziel Obsthof und zu Fuß über die alte Brücke. Das ist schon ein Abenteuer für sich. Zwischen Schienen und Gerüsten klettert man — oft mit Blick auf das Wasser unter einem — über Bleche und und Bretter mit lose rumliegenden Nägeln. wirklich eine die Fantasie anregende Konstruktion. Abends lässt der Baulärm nach, der uns überraschend wenig stört. Vielleicht liegt es an der faszinierenden Kombination von alter und entstehender neuer Brücke, für die sich riesige Bohrköpfe in den Boden drehen. Die seltsamen Seezeichen zwischen den Maschinen geben zusätzliche Rätsel auf. Man hat sie zuletzt in der Segelschein-Prüfung gesehen.
Wellengluckern an dem gestuften Holzrumpf
Im schwindenden Licht des Abends lässt sich noch ein Seeadler von einer Möwe attackieren und schwingt sich majestätisch davon. Jetzt spürt man nur noch eine leichte, kalte Brise, die sich in Wellen durch das Schilf schwingt, das uns vom Ufer trennt. Dazu mischt sich das brutzeln und Knistern auf unserem Gaskocher. Deswegen sind wir unterwegs. Nachts ein Geklimper, wenn die letzen Schleiwellchen unseren geklinkerten Rumpf erreichen. Jeder Kontakt eine leicht rhythmische Melodie mit zufälligen Tonhöhen — das alles in nächster Nähe dreidimensional um den eigenen Schlafsack herum. Schöner kann man nicht liegen.
Jörg Lubs Idyllisch-kurviger Schleiverlauf vor Missunde, Armin an der PinneDetlef Hoepfner Vorm Öffnen rätselt man kurz, wo genau hier die Durchfahrt gelingt
Nicht ganz dicht – Sorgen auf der „Panik“
Rostige Stahlträger gleiten am nächsten Tag beim Passieren der hochgewuchteten Lindaunis-Brücke über unseren hölzernen Mast. Die Passage ist tatsächlich so schmal, wie sie von weitem zwischen den vielen neuen Spundwänden für künftige Fundamente schon erschien. Der grobe Kurs ist durch den Fjordverlauf ja vorgegeben. Aber so richtig lockt uns noch kein Ziel. Die Enge bei Missunde ist immerhin eine lustige Kurverei, die werden wir uns heute gönnen. Und wir wissen ja nun, wo vielleicht Klaus und seine Panik aufzufinden sind. Die Kurverei aber ist nicht nur Spaß, sondern auch von Wind mit ca. 0 bis 0,1 Bft geprägt. Aus wechselnden Richtungen. Trotz Gewichtstrimm und allen unseren Binnenseglertricks geht es nur in Super-SloMo weiter. Da wissen wir noch nicht, dass dies der Wettergott für unser Timing für ein Treffen mit der „Panik“ steuert. Wir haben sogar etwas Mühe, mit der netten Crew des Folkebootes Salty die Schlei-Seiten zu wechseln, um uns dichter an die Marina zu halten. (Dank an Jörg und Jannik für Eure Fotos!) Als sich unser Bug endlich vor den Kran schiebt, taucht langsam das Heck der Panik auf. Heraus schiesst ein hektischer Wasserstrahl.
Detlef Hoepfner Klaus hat gerade gekrant, als wir passieren – und muss extrem viel pumpen
Also nun wieder tief Luft holen und … tröt! Armin lacht sich halb kaputt über meinen verunglückten Signalstoß. Aber Klaus fällt uns ja sonst vor Schreck aus dem Boot mit dem Pumpschwengel in der Hand, wenn wir ihn so erschrecken. Und wir sehen gleich: das ist da drüben doch gerade ein zu nasses Vergnügem. Freudig-angestrengt gestikuliert und ruft Klaus zu uns rüber: „Na ihr habt es gut! Euer Boot ist dicht!“ Das Wasser steht ihm zwar nicht zum Hals, aber er bekommt im Boot doch ziemlich nasse Füße. Das hat man selbst bei einem Folkeboot auf Dauer nicht so gern. Was dann später hören: Sein ehrenamtliches Flüchtlingsengagement hat alle Bootsarbeiten daheim verzögert. Der Holzrumpf stand auch viel zu lange trocken. Nun kämpft er mit einem kräftigen Wassereinbruch, über den auch noch die Pumpe kollabiert. Nach unserem kurzen Schnack und Weiterfahrt legt auch er mit Vollgas ab, bei unserem Aussenborder hätte dies wohl der Gashebelstellung „Hase mit angelegten Ohren im Tiefflug“ entsprochen. Was ist letztlich die beste Lenzpumpe? „Ein erschrockener Seemann mit einem großen Eimer.“ Auf eine kleine Sandbank vor seinem Liegeplatz gesetzt, ließ sich dann in Ruhe am verankerten Boot weiterarbeiten.
Wir haben uns zwischenzeitlich für das Ziel Fleckeby entschieden, denn Schleswig lockt uns nicht so sehr. Vorher drehen wir eine kleine Runde vor dem Schloss Louisenlund, wir scheinen dort aber nicht erwartet zu werden. Unser Ziel im Fernglas ist der Yachthafen Fleckeby, denn der östlich direkt daneben liegende WSF scheint uns etwas seltsam auf der Seekarte: die Stege sind von unzugänglichen Pontons umgeben, wir werden nicht so richtig schlau daraus.
Die Schlei mit all der Natur drumherum: Felder, Wälder, Wiesen, Knicks, Fischadler, Rehe auf Treppen – und dann all die ganzen Kuckucks 😀 …Zusammen mit dem Folkeboot durch die Natur zu reisen, es einfach so genießen zu können – super schöne Zeit!
Armin Pech
Für unsere Rollen an Bord entwickeln sich über die Jahre gewisse Vorlieben. Die versuchen wir daher immer wieder ein wenig aufzubrechen, damit wir beide in allen Aufgaben geübt bleiben. Aber jetzt hantiere ich mit Pinne und Motor zwischen den Beinen und bin dankbar, dass Armin einen Blick auf die Karte wirft: „Das Fahrwasser da vorne hast du gesehen, oder?“ Ähm ja … natürlich …
In der Schlei können ne Menge “Dinge“ im Weg sein
Nun korrekt eingeschwenkt entdeckt er auch gleich noch einen gut ansteuerbaren Platz hinter den Pontons, die wir ursprünglich meiden wollten. Kurz entschlossen landen wir so doch im WSF — eine der besten Entscheidungen der Woche. Schon beim Anlegen steht jemand geduldig am Steg, bis wir uns entschieden (und zwei Tonnen Langkieler sich passend platziert) haben. Unsere Heckleinen (hallo Sven 😉 ) erweisen sich wieder so eben zu kurz, es sei denn, ich wollte die ganze Nacht mit ihren Enden in den Händen auf dem Heck stehen bleiben. Also alles retour, gemeinsam wird eine passendere Box gefunden und dort hin verholt. Um uns wuseln dabei die üblichen Graubärte. Aber auch viele Kinder und Jugendliche flitzen über die Stege, und das nicht nur fein ausstaffiert für den Yachtie-Ausflug. Was für ein angenehmer Unterschied zu manch einförmiger Hafenstruktur. Wir fühlen uns super wohl. Ein paar Einheimische drehen ihre Segelrunden in den sensationellen Sonnenuntergang. Farbig leuchtet er über der sich hier breit in Richtung Sonne ausbreitenden Schlei. Danach sind wir offenbar allein im Hafen und genießen die Stille. Gegen die Kälte hilft unser „Bernsteinzimmer“, wie Armin mir immer wieder den Stoff gewordenen geschmacklichen Tiefpunkt aller bekannter Segelmacherkunst schmackhaft zu machen versucht. Da friere ich doch lieber, als in der Nähe so eines das Boot verunstaltenden Zeltes gesehen zu werden! Aber auch meinen Vorschlag, dann doch wenigstens die Auf- und Abbauerei zu sparen, indem wir konsequent mit gesetztem Zelt segeln, stösst im Team auf Ablehnung.
Detlef Hoepfner Wo sonst sitzt man so dicht am Wasser (gut bei geklemmten Fingern)Detlef Hoepfner Profi-SegelauftucherDetlef Hoepfner Jedes Teil muss erst irgendwo gesucht und dann wieder sicher und sauber verstaut werdenDetlef Hoepfner Frühstück im Bernsteinzimmer (was für eine hässliche Farbe)Detlef Hoepfner Fleckeby-Sonnenuntergang
Klaus hat uns schon mit seinem magischen Feldstecher erahnt, als wir auf dem Rückweg wieder die Insel Kieholm ansteuern. Wir legen kurz bei ihm an, erfahren die neuesten Entwicklungen bei seiner Boots- und Pumpenreparatur an seinem Folkeboot und machen uns auf den Weg, die nächste Brückenöffnung in Lindaunis zu erwischen. Wir erreichen sie sogar verfrüht und nutzen die Zeit für einige Segelschläge hin und her. Wie offenbar sowieso eigentlich — ohne das nun zu sehr zu verklären — vor allem die Folkeboote auf der Schlei zu segeln scheinen. Andere nutzen sie eher als schnell zu überwindende Transitstrecke in Richtung Ostsee, auf der es vor allem die zwei Klappbrücken optimal zu timen gilt.
Detlef Hoepfner Insel KieholmDetlef Hoepfner Klaus erwartet unsDetlef Hoepfner die noch zu viel Wasser ziehende “Panik” auf einer Sandbank zwischengeparktDetlef Hoepfner Klaus noch etwas besorgt, woher eine Ersatzpumpe nehmen — aber am nächsten Tag gelöst
Segel-Plan B – aber richtig
Pött-pött-Pött — der Motor des wertvollen Oldtimer-Flugzeugs geht mehrfach an und aus, bevor es in einem Feld eine etwas suboptimale Bruchlandung hinlegt. Das Video, in dem ein erfahrener Profipilot seine Fehler analysiert, hat mich sehr beschäftigt. Nun, als Armins Arme und ein Heckpfahl unseren Bug vor Kontakt mit dem vor uns liegenden Boot bewahren, kommt mir dessen Kernaussage wieder in den Sinn: ein einmal eingeleiteter Plan oder Manöver soll auch vollendet werden. Möglichst wenig hin und her. Wir wollten hier eigentlich paar Boxen weiter anlegen im Zwischenstopp Lindaunis. Schnell umentschieden — oh, hier ist ebenfalls frei und die Aussicht schöner — habe ich die Kurve dann jedoch nicht mehr ganz geschafft. Sicher nicht vergleichbar mit einem Notfallplan der Fliegerei, wo ständiges Umentscheiden („ach, das schaffe ich schon … oder doch nicht … ach klappt schon … ohhh …) das Gehirn überfordere. Ein abgesprochenes Manöver klappt aber halt nur dann, wenn man es auch praktiziert. Also erst mal weitergleiten, anhalten, gucken, dann in Ruhe zurück. Unsere Schäden jedoch halten sich seit Jahren — bis auf einen seltsamerweise plötzlich gekürzten Flaggenstock — sehr in Grenzen. Zu Zweit zu reisen, hilft da natürlich ungemein. „Alles nicht so einfach, wenn man alleine segelt“, bedankt sich ein kurz danach eintreffender weiterer Folkebootsegler neben uns beim Annehmen seiner Leinen: seine zersplitterte Bugspitze zeugt von einem frischen Kontakt mit dänischem Beton bei zu viel Wind.
Armin Pech Ansturm auf die BrückenöffnungDetlef Hoepfner Warten vor der Brücke LindaunisArmin Pech Hinter uns wirds gleich engDetlef Hoepfner Auch bei schnellen, wendigen Seglern mag die Brücken-Crew Kappeln den Motor hören
Wir Glücklichen
Eine richtig gute Entscheidung war dagegen, unsere Startideen den Umständen entsprechend bald an den Haken zu hängen. Nach drei Jahren wollten wir 2022 ja endlich wieder Dänemark erreichen. Nicht auszudenken der Stress und die Stimmung, wenn wir laufend umgeplant und überlegt hätten, ob wir in den letzten Tagen doch noch auf Biegen und Brechen irgendwie nach DK gelangen könnten. Für Segel-Spaß, eine gute Zeit zusammen auf dem Wasser oder inspirierende Begegnungen ist dann auch egal, ob man fünf, 50 oder 100 Seemeilen gesegelt ist. Und den Beutel mit dänischen Kronen werden wir auch so noch in Eis und Hot-Dogs getauscht bekommen!
Detlef Hoepfner Armin PechDetlef Hoepfner Detlef HoepfnerArmin Pech Abendplatz — was will man mehrArmin (irgendwas mit Holz) und Detlef (irgendwas mit Medien) segeln seit vielen Jahren im SVWK zusammen und dürfen einmal im Jahr ihre Familien und Jobs gegen ein Folkeboot tauschen
„Bitte höflichst, an Bord kommen zu dürfen!“ Schwupps sitzt er nach geübten Schritten längs des mittschiffs schmalen Holzdecks, wo sich unterm Fuß auch noch Schoten und Landstromkabel rollen, bei uns im noch mäßig sortierten Cockpit. Streckt den Hals und schaut sich begeistert rundum um im Folkeboot , das wir eben hier in der versteckten Mjelsvig festgemachten haben. Nun schaut er uns an: „Ward ihr das, die da den ganzen Als Sund hochgekreuzt sind? Ich hab Euch nachmittags überholt.“ „Ja, hat super Spaß gemacht!“
Er freut sich, hat er sich doch gedacht. Aber … „ich hatte zwei Frauen an Bord, denen dauert das zu lange“, sucht er nach einer Erklärung für seinen eigenen, geraden Motorkurs. Der intensive Blick auf Raps beidseits des Sundes – ist ihnen alles entgangen, denken wird. Knalliges Gelb, leuchtendes Grün, direkt vorm hölzernen Bug. Nur im sanften Zickzack-Kurs – die Augen auf der Wasserfärbung, GPS und Tiefenlinien, die Hand schon fast am Senklot – kommt man doch so nah an den liebevoll restaurierten Anwesen im Schilf vorbei. Oder dem Nachbau eines Nydambåden, der Vorstufe der Wikingerboote: Neben windschief gekippten Stegresten liegt es dort in Sottrupskov, der Enge im Alssund, die den Dänen im Preußisch-Dänischen Krieg 1864 zum Verhängnis wurde, als hier große Truppenteile überraschend übersetzten. Mit großen Folgen: in Lauenburg, Holstein und Schleswig, schon ewig gemischt bewohnt von Dänen, Deutschen und Friesen, weht seitdem nicht länger Dänemarks Dannebrog als Landesflagge.
Unser Track sieht aus, als wollten wir die beiden Ufer des Sundes mit einer Zickzack-Naht wieder verbinden, aber am nördlichen Ende geht es nach Querung des Augustenborg Fjords rechts ab tief in die Dyvig, und nochmal reingeschlängelt in die hinterste Ecke der Mjelsvig. Die Ansteuerung ist sehenswert, wenn auch nicht besonders schwierig: Wenn man sich denn an die Bojen hält, und nicht wie der Show-your-money-Segler, der mich überholend mit seinem Schwell fast vom Heck und die badenden Kühe ans Ufer wirft, kraft seines Status’ eine Abkürzung genehmigt. (Ich denke, er hat sich mittlerweile runtergearbeitet vom Schlick.)
Kaum jemand segelt hier – und wenn, vor dem Wind
Alsensund-Kreuzen
Von Sønderborg in die Mjelsvig
Sottrupskov: Nachbau eines Nydambåden, einer Zwischenstufe (ca.250–550 n. Chr. von genähtem Plankenboot und Wikingerschiff
„Und das ist also Euer Boot?,“ staunt unser Gast, und schaut den Mast hinauf, wo er nachmittags die frühe Segelnummer entdeckt hatte, die nah an seinem eigenen Klassiker einzuordnen ist. „Nein“ – wir erklären nach mittlerweile etlichen Jahren und Touren mit „Jacaranda“ routiniert, dass wir dieses 1946 gebaute, damit älteste noch segelnde dänische Folkeboot wie immer bei Mike Peuker gechartert haben.
„Ach so.“ Pause. „Na, ich kann mich ja trotzdem weiter mit Euch unterhalten!“ Und mittendrin sind wir in einer weiteren Unterhaltung über diesen urigen Bootstyp. Der Ausbaustand wird begeistert untersucht, Erfahrungen mit seinem eigenen Folke zum Besten gegeben, der Reiz des einfachen Reisens mit so einem reduzierten Boot ohne allen Schnickschnack diskutiert.
Armin Pech
Ein spooky Start
Wir waren vor drei Tagen in Maasholm gestartet. Die Strecke zur Mjelsvig schafft man je nach Wind auch in einem Tag, und gerade frage ich mich, ob ich jetzt mal ehrlich nicht lieber mit dem nebenan liegenden Schiff unseres Besuchers weiterfahren würde: Platz, Komfort, Heizung, kräftiger Motor. Denn statt schon an Tag 1 unseres Wochentörns hier hochzuflitzen, ist bereits nach der allerersten Seemeile klar: Auf den Tourstart folgt direkt ein Zwischenstopp: Nebel zieht über die Schlei, man sieht die Hand vor Augen kaum. Wenn wir die nächste Fahrwassertonne gefunden haben, hängt da manchmal schon ein anderer Segler mit einem Stück Leine dran, um nicht vor einen größeren Bug zu geraten: Null Sicht ist jetzt irgendwie uncool. Wir sind nicht lebensmüde, müssen uns auch nichts mehr beweisen, ein Radar werden wir kurzfristig nicht nachrüsten – also direkt wieder abgebogen nach Schleimünde rein. Hier teilt sich das Seglerfeld: Die einen machen es uns gleich, der idyllische Naturhafen füllt sich zügig, in alle engen Lücken wird ein Boot nach dem anderen reingequetscht. Andere tasten sich doch weiter durch den Nebel auf die Ostsee raus. Aber selbst von der Giftbude aus ist der Leuchtturm, der dort ein paar Schritte weiter im Nebel hängt, nicht zu sehen. Von See hört man es gespenstisch tuten, wie aus dem Nichts tauchen hier und da die Riggs der Traditionssegler vor Schleimünde auf. Das sind schon beeindruckende Special Effects, aber völlig illusorisch, dass uns jemand mit unserer – sicher originalgetreuen, aber nur kläglich hupenden – Mundtröte auf dem Wasser wahrnehmen würde. Wir bleiben also über Nacht. Auch übers Frühstück und den Vormittag bleibt nebelig. Mit Windvorhersagen ist man unterwegs eh dauernd busy, aber so ein zäher Nebel als Störenfried ist uns neu. Also nutzen wir die Zeit, unsere etwas kurzen Heckleinen zu checken. Oder uns mal mit dem Taupunkt zu befassen. Wir finden sogar eine App, aus der wir ihn auslesen und für eine Abschätzung des Nebelverlaufs nutzen können; wieder etwas Wissen aufgefrischt. Mittags endlich steigt die Lufttemperaturen über diese Schwelle, es klart auf. Raus aus der Schlei und bei jetzt bestem Segelwetter auf den Weg nach Sønderborg, immerhin. Drei Jahre schon haben wir bisher wetterbedingt einen Bogen drum gemacht. Meine norddeutsche Familie whatsappt mir unterwegs Zeitungsschipsel: Notizen zu den Seglern, die am Vortag von der DGZRS wegen mangelnder Sicht von Untiefen geschleppt werden mussten. Dann doch lieber auf der Lotseninsel rumdösen und in den Nebel starren.
Das ist mal Service: Mike sucht uns auf der Ostsee und bringt Festmacher
Mike bringt uns eine Leine vorbei
Entlang der Küste ist nun viel Betrieb, aber nicht jeder scheint die Ausweichregeln zu beherrschen: Ein entgegenkommendes Plasteboot macht auf Kollisionskurs komische Manöver. Wir können uns nicht recht freihalten, nun dreht es auch noch einen Kreis um uns: Überraschung, Bootseigentümer Mike hat uns aufgespürt! Wir nähern uns auf Rufweite an, schon gut Wind und einige Welle, man muss sich jetzt hier nicht die Riggs verhaken. Mit einem kräftigen Wurf landen zusätzliche Heckleinen bei uns an Bord. Wenn das mal kein Kundenservice ist! Unseren dafür überzähligen zweiten Handkompass schicken wir aber lieber nicht in Gegenrichtung zurück. Wir diskutieren noch kurz gemeinsam, wo wohl der Rest seiner Folkeboot-Flotte sei – da kommen sie schon ebenfalls vorbeigezischt und Mike sagt auch dort noch schnell hallo.
Endlich Kurs Nord
Ab jetzt bestes Segelwetter, um nördlich weiterzukommen. Im Yachthafen Sønderborg waren Armin und ich zusammen noch nie, wir orientieren uns über die verschachtelten Molen und haben ein etwas mulmiges Gefühl angesichts eines regelrechten Mastenwaldes, der vor uns liegt. Sønderborg bleibt aber unser einzig voller Hafen jetzt Mitte Mai, zudem unser teuerster Stopp. Vielleicht hätten wir mit mehr Geduld doch noch die eine Handbreit schmalere Box gefunden – berechnet wird hier ja nach Liegeplatzbreite. Aber es pfeift zu sehr im Hafen, als dass man unnötig viele Runden drehen möchte. Auch wenn Armin ganz beeindruckt ist, wie wir trotz des Windes das Boot in einer der Gassen wenden. Dass dieser Move gar nicht geplant war, gestehe ich erst später – aber so ist das beim Segeln: Auf Plan B folgt häufig noch Plan C.
Kalkgrund
Steuerperspektive: Wo ist die Lücke in der Mole?
Schöner Platz in Sønderborg
Stadthafen mit einem so hohen Kai, dass wir kaum aus dem Boot kämen
Abends laufen wir über die erst aufwändig neu gepflasterte und dann wieder durch Überflutung zerstörte und wieder reparierte Promenade in die Stadt. Vorbei am Sønderborg Vikingeklub („Winterbadeverein mit Sauna“) und dem Schloss Sønderborg, um dem „Butt im Griff“ von Günter Grass am Altstadtkai mit dessen freundlich gestrichenen Hausfassaden einen Besuch abzustatten. Der in Bronze gegossene Fisch schaut in Richtung Nord zur „Kong Christian den X’s Bro“. Diese nach König Chrstian dem X. benannte Brücke wird sich am nächsten Tag – immer um „38“ – für uns öffnen und den Weg in den Als-Sund freigeben, nachdem man noch am Ufer beeindruckt Universität und Bibliothek passiert hat.
Schweinswal am Augustenfjord
Danke, wir sind gleich weg
Seekühe? Masten an Land?
Einfahrt in die Dyvig
An der Nordspitze hängengeblieben
Auf halber Strecke hängen wir nun also nach dem nächsten Tag und wunderbarem Alssund-Zickzack in der Mjelsvig fest: es stürmt und pfeift. Im Hafen hat bereits ein Schweinswal spektakulär direkt an unserem Steg neugierig die kleine „Vig“ (Bucht) erkundete. Was soll nun noch kommen, wir haben langsam alles gesehen. Man bringt uns die Namen der Schwäne bei, beim Haareschneiden im Seglerhaus rekaputalieren die Senioren ihre Vergangenheit und man ahnt, dass Sitzgruppe und Küchenzeile die Geschichten nicht zum ersten Mal vernehmen. Man berichtet uns, dass die den Hafen betreibende Familie noch eine Schweinezucht bewirtschaftet, auch Pferde hält. Reiten lernen wollen wir kurzfristig aber nicht und verlegen stattdessen endlich das Boot an einen anderen Liegeplatz, wo uns der gedrehte Starkwind nicht länger die Wellen aufs Heck (und damit nachts in die Wirbelsäule) trommelt. Wir laufen los entlang des Ufers und über die Hügel durch Felder und kniehohes Gras, bis Schuhe und Hosen vor Nässe triefen. Lümmeln uns am Ufer der Dyvig auf weich geschwungene Holzbänke. Der Wind aus grauem Himmel dreht die Ankerlieger langsam und synchron in der Bucht und soll uns etwas die Nässe aus den Hosenbeinen trocknen. Der Blick reicht auf den verrauchten Kiosk gegenüber, vor dem die Dauerlieger ihre Bierbüchsen lenzen. Wir trödeln rüber und genehmigen uns noch einen blau-schwarzen Plattenbrenner-Kaffee. Nach ein paar hügeligen Schlägen kreuz und quer, in von einsamen Anwesen gestoppten Sackgassen, durch eine ausgebüxte Schafherde und entlang ansteigender Koppeln finden wir doch noch die bekannte, auch vom Wasser aus kaum sichtbare Durchfahrt in diese Buchten. Wie eng man sich zwischen den berühmtem historischen Stangen der „Steg Gaf“ in die Mjelsvig und Dyvig hineinschleicht, misst man eigentlich erst hier vom Ufer aus richtig. Fast könnte man diese Engstelle, auf deren Grund mittelalterliche Pfahlreste ruhen sollen, auch in ein paar Schritten durchwaten. In der Saison ist hier Hochbetrieb, heute baden nicht mal Kühe. Schließlich suchen wir noch den Biohof, der auf einem der typischen Aushangzettel vielversprechend an einer hölzernen, verwitterten Schuppenwand angeschlagen war. Wir finden die Straße, laufen diese auf und ab, aber der erhoffte Hof entpuppt sich als typisch dänischer, vereinsamter Verkaufsstand am Wegesrand: Aus einer Kühlbox kann man Eier greifen, wir entscheiden uns aber für ein paar Becher Honig als Mitbringsel. Die gewünschte Summe klimpern wir als Münzen mit und ohne Loch in die angeschraubte Spardose — denn mit dem ebenfalls angebotenen dänischen Smartphone-Payment kennen wir uns noch nicht aus.
Pfeift uns das aufs Heck – wir müssen für die nächste Nacht das Boot umlegen
Mjelsvig (Mjels-Bucht)
Kekse aus Bochum und Frankreich
Mjelsvig
Mjelsvig
Mjelsvig
Schweinswal kurvt um die Boote im Hafen
Immer noch hier – Dyvig und Mjelsvig
Der im Hafen groß angekündigte Hofladen
Halbzeit-Marine-Knaller
Erst nach zwei Tagen kommen wir weiter, kurven oben um Als herum. Der Wind steht günstig, aber so kräftig und leicht drehend, dass wir wegen der uns schräg schiebenden Welle trotz Bullenstander den tiefen Vorwind-Kurs scheuen. Wir schlagen stattdessen einen Haken weiter auf die Ostsee und steuern leicht höher. So laufen wir stabiler und sind zufrieden, als aus dem Nichts eine Explosion die Stille zerreißt: Es rummst und bebt, aber nicht an Bord, sondern schräg vor uns: Eine riesige, trotz ihrer Entfernung beeindruckende Wasserfontäne erhebt sich. Es dauert eine Weile, bis sich der Pilz aus Wasser und Dampf auf seiner ganzen Breite wieder abgeregnet hat. Vor Schreck vergessen wir, ein Bild zu machen, was ist das um Himmels Willen? Schnell noch mal die Karte gecheckt: Das dänische Marine-Sperrgebiet liegt in sicherer Entfernung, aber doch in Verlängerung genau vor uns. Was auch immer das für ein Böller war – wenn der neben einem hochgeht, kann man die nächsten Winterlagerarbeiten wohl getrost absagen.
Tonnen-Slalom zurück
Ausfädeln aus der Dyvig
Nordwestspitze der umrundeten Insel Als
Mordsdetonation im Schießgebiet
Frühstück unterwegs
Eigentlich zu viel Wind und Welle für uns
Nach dem Schleudergang
Etwas viel Wasser im Boot – bis unter die Bodenbretter
Boot mit der Handpumpe lenzen
Kaffeepause
Einmal Kojen durchtrocknen
Last Stop Mommark
Wir cruisen zügig weiter, erwägen immer wieder als weiteres Zwischenziel Avernakø. Die Karten dazu haben wir längst mehrfach studiert und wollen die markante Doppelform nun auch noch einmal mit den Füßen im Inselkies statt nur dem Finger auf der Karte erkunden. Gehen aber doch auf Nummer sicher – wie gut kämen wir von dort beim erwarteten Wetter zur Flensburger Förde raus? – und nehmen Kurs nach Mommark vor uns. Nach Passieren seiner markanten, leicht windschiefen Leuchttürme erschreckt uns zum ersten Mal in unserem Leben ein so leerer Hafen, dass an Bord schlagartig eine panische Agoraphobie um sich greift: So viele leere Liegeplätze, man weiß ja gar nicht, wo man hinsteuern soll! Steg um Steg ist frei, an denen man sogar längsseits liegen kann. Der gefühlte Raum an Bord verdoppelt sich geradezu durch die Stellfläche neben dem Boot, und wir breiten uns gleich mal mit frisch gekochtem Kaffee, Tassen und viel zu viel Schokolade aus. Kleiner fotografischer Wermutstropfen: Das einzige später noch einlaufende, hässliche Motor-Angelboot macht – genau neben uns fest. Grrrr. Eine schwere Prüfung, nicht heimlich dessen Leinen zu lösen und es zurück aufs Meer zu schieben … Umso voller ist es im Restaurant des singenden Hafenmeisters. Wir haben noch Vorräte für bestimmt eine weitere Woche an Bord, waren aber nicht richtig kochwütig dieses Jahr und spendieren uns je einen der teuersten Burger unserer Segelkarriere. Dennoch sehr lecker, begleitet von einer musikalischen Playback-Showeinlage des Hafenchefs (die jedoch wiederum gegenüber seinem abendlichen Waldhornspiel, vorgetragen auf einem Gartentisch stehend als Einschlaflied für alle Segler, in Sachen Originalität etwas zurücksteht).
Rockin’ home
Als wenn wir nicht schon genug Wind gehabt hätten: Für unseren letzten Schlag zurück bis zur Schlei sind im Tagesverlauf nochmal ein paar Beaufort zuviel angesagt, aus West und im Tagesverlauf weiter zunehmend. Wir stellen den Wecker nicht zu spät und streben nach Süden. Mit Erreichen der Flensburger Förde, die wie queren müssen, verlieren wir etwas Landabdeckung, aus der Förde heraus baut sich gut Welle auf. Wir fallen etwas ab in Richtung Ostsee, was sich ein wenig „trockener“ segelt, wollen dem Seegang aber nicht zu viel Anlauf gönnen und wenden zwischendurch wieder Schläge in Richtung Küste – wo es aber wieder flacher wird. Dass die elektrische Lenzpumpe (ja, ist eigentlich eh Luxus …) unterwegs das Zeitliche gesegnet hat, kommt auch zur Unzeit. Die alte Dame Jacaranda zieht eh etwas Wasser, ihr Holzrumpf ist jetzt am Saisonbeginn noch nicht allzu lang gewässert und könnte etwas dichter sein. Bei dem holprigen Ritt von der Kante runter ins Cockpit und unter den Bodenbrettern die Handpumpe schwingen – da kann man sich, abgesehen von den eh eingepreisten blauen Flecken, gerade schönere Tätigkeiten vorstellen. Später im Hafen müssen wir beim Aufräumen der Schränke selbst die Pfanne trocknen, da in ihr das Seewasser schwappt.
Mike meldet sich auf Höhe der Förde telefonisch, wir sollen mal hin machen, es würden Böen von 8 gemessen und Besserung sei nicht in Sicht, im Gegenteil. Na ja, das touristische Rahmenprogramm mit großer Hafenrundfahrt und Blaskapelle ist hier eh schon abgesagt. Das über 70 Jahre alte Lärchenholz unter unseren Füßen muss sich gegen eine kräftige, graue Welle anstemmen, die uns im regelmäßigen Gleichtakt duscht und mit der Zeit auch die Sonnenbrillen, die das Salz etwas von den Augen halten sollen, mit einer Kruste trüben. Wir sind schon zackig unterwegs, aber jede neue Wellenfront stellt sich unserem kurzen Anlauf quer entgegen, es fühlt sich an, als wenn man wieder stehen bleibt. Der gut gedichtete und doppelt gesicherte Speedpuck am Fuß des nur noch wenig golden schimmernden Holzmastes bekommt sein verschwimmendes Display kaum höher als sechs Knoten.
Flensburger Bucht – mit zu viel Wind für uns
Alles etwas nass geworden
Wir brauchen zwei Boote, um alles zu trocknen
Mommark – Schlei
Auftuchen like a Boss
Einen kleinen Ausflugsschlenker gönnen wir uns trotzdem, denn da gibts ja noch das wunderbare Thema „Schlei-Einfahrt“. Aus diesem Trichter erwarten wir, dass und der Wind schon ab dem ersten Meter Schleieinfahrt direkt auf den Bug pfeifen wird. Zum Kreuzen ist in diesem Seegatt wenig Raum, und wir werden motoren müssen. Aber auch erst genau ab dort, denn bei der zu erwartenden Welle vor der Schlei ist der Außenborder nicht einsetzbar, er hinge im schlimmsten Fall im Wellentakt abwechselnd mit der Schraube in der Luft oder dem Motorblock unter Wasser. Also suchen wir uns auf dem iPad – das bei der Nässe, Wind und Wellen grad tatsächlich handlicher ist als die mittlerweile ebenfalls triefend abgesoffenen Papierkarten – einen Startpunkt. Von ihm denken wir – Plan A – mit hohem Amwindkurs direkt in die Schlei reinbolzen zu können. Dort direkt unterm Leuchtturm in der Einfahrt Segel runter, Motor an und Kurs West in die Schlei weiter rein. Plan B („irgendwas ist ja immer“): Reinheizen, hoffen, dass nicht das hässlichste Touristenschiff (und zwar des bekannten Universums) grad im Wege steht und dann mit dem Schwung unter Segeln gegenüber in den Hafen Schleimünde rein und erstmal an irgend einem Pfahl festmachen.
Der gewählte Wende- und Startpunkt liegt Richtung des Monsterhafens Olpenitz, und so sehen wir dessen Außenkante auch mal näher. Dann jetzt los in Richtung Leuchtturm — aber Mist: um ein paar Grad verschätzt, wir laufen einen Hauch zu tief, so verpassen wir die Einfahrt 100 Meter. Also Wende zurück, korrigieren, das gibt ja peinliche Kringel auf dem GPS-Track. Weitere Wende zurück wäre nun langsam dran, aber jetzt hakt nach dem ganzen nassen Gebocke auch noch wieder irgendwas am Motor, den Armin klarmacht und so der Pinne im Weg steht … ähm, sooo dicht wollten wir dann doch nicht zum alten Marinehafen, in dem man immerhin allen Platz der Welt für jedes erdenkliche Fragattenmanöver hätte. Nun passt alles, Kurs ist perfekt und mit Schwung in die Schleimündung. Heute bleiben wir wenigstens vom oft recht kabbeligen Wind-gegen-Strom-Wellenchaos verschont, das dem interessierten Besucher an Land gern die Unterwasseranstriche und Kiele der sich hineinkämpfenden Boote zeigt. Der Motor ist schon unten, geht auch an, die Segel kommen runter, zudem kaum Betrieb auf dem Wasser bei dem Wetter. Die letzte Seemeile bis Maasholm heißt es nur noch, gegen das eklige Wetter Kurs zu halten und sich nicht neben das graue Fahrwasser vertreiben zu lassen. Der Zweitakter kämpft tapfer vor sich hin, man möchte ihm für jeden seiner knatterigen Hübe danken. Und zum ich-weiß-nicht-wievielten Mal denke ich: Wie cool, so als Team zu zweit eingespielt zu ein. Das ganze Theater immer allein – nee, darauf hätte ich keine Lust.
Gut festgemacht nach über sechs Stunden Ritt und knapp 30 Seemeilen belegen wir im Ziel zum ersten Mal mehrere Liegeplätze: Nicht nur unsere Segelklamotten, auch die dicht an der Bordwand liegenden Polster sind durchtränkt und wir verteilen und verzurren alles auf den Decks der Folke-Nachbarboote. Während das Wasser aus den Kissen rinnt und wir hoffen, dass der Wind vor unserer letzten Nacht im Boot beim Trocknen hilft, wuchten wir das Gepäck raus und streben ausgehungert in Richtung Grieche.
Detlef Hoepfner Folkeboot-Treffen-Vortreffen: Kaffee mit Stil von Kati und Jörg an Bord der Mumie von Klassisch am Wind
Folke-Freunde
Kaum zurück, haben wir direkt wieder Besuch an Bord: Wir lernen Kathi und Jörg kennen, mit denen wir gegenseitig Wetter- und Routentipps austauschen. Am nächsten Morgen, bevor es für uns mit dem Auto zurück- und für sie mit einem Folkeboot nach Dänemark losgeht, genießen wir bei ihnen an Bord einen (und dann gleich noch einen) sehr stilechten Kaffee: von der Crew wird mit der Handkurbel die Mühle in Schwung gebracht, während gleichzeitig die nächsten Anekdoten über den geklinkerten Planken der „Maj“ Fahrt aufnehmen. Endgültig wach vom Kaffeeduft können wir noch eine letzte Erkenntnis dieser Tour beisteuern:
Eingeweht in der Mjelsvig, auf halbem Wege unserer Runde um Als, hatten wir eine windgeschützte Sitzecke gefunden, die uns nicht nur vor den sechs, sieben über den Hafen ziehenden Bft schützt, sondern auch ein paar wärmende Sonnenstrahlen bietet. Am Steg legte jetzt nur ein einziges Schiff an. Ein stählerner Segelkutter, nach ein paar Anläufen und kräftigem Zupacken am zu uns ausladenden Bugspriet kommen später drei fröhliche Opas an Land. Gleich vom ersten hören wir, dass auch sie den Als-Sund hochgekommen sind. Gespannt sind wir, welcher Wind dort herrschte? Er schaut uns an. Überlegt. Nun wollen ihm doch irgendwelche Zahlen einfallen: „… Windstärke drei bis vier?“ rät er völlig ahnungslos. Wir entlassen ihn schnell aus unserer Befragung, denn da kommt auch schon der Käptn. Graue Haare, grober Pulli, warme Mütze, Ring im Ohr. „Wind…?“, wundert er sich. „Na ja, selbst hier im Hafen zerren die Boote an den Festmachern!“ Nun dämmert ihm was: „Mensch, deshalb musste ich den Hebel so auf den Tisch legen!“ Er ist erleichtert: „Ich dachte schon, mit dem Motor wäre was!“ Gesegelt sei im Als-Sund bei dem Wetter zwar auch jemand.
„Aber …“, zieht er Bilanz, „der hatte dafür unterwegs nicht drei oder vier Grog wie wir!“
Wetter grau, Arbeit viel, Outdoor-Leben wenig – im Januar kommt die Messe boot wie gerufen. Von Trade Shows habe ich eigentlich mehr als genug in meinem Leben gesehen, aber diese ist fast wie ein Tag Urlaub. Jedenfalls, wenn man den Luxus genießt, sich einfach nur als Besucher durch die Hallen treiben lassen zu können.
Detlef Hoepfner (Sehr guter) Wettervortrag von Meeno Schrader beim Magazin “acht” 🙂
Nach dem ersten Schock der Reizüberflutung schnell Rückbesinnung auf die kleine, am Vorabend zusammengestellte To-Do-Liste: Bei der Wetterwelt endlich die Seaman-App erklären lassen. Das Team war super nett, die App ist sicher gut, mit der Darstellung aber komme ich nach wie vor nicht so klar (z.B. im Gegensatz zu Sejlsikkert, das dichter an solchen Amateuren wie mir ist). Super dann der Wettervortrag des Teams zur aktuellen Klimaentwicklung und den Folgen für Segler. Zur allgemeinen Erheiterung am Stand einer Zeitschrift, die sich kurz nach Messestart noch als “acht” zu erkennen gab. Weiter dann zum Versicherungsmakler: Kleiner Schwatz über Marketing, die möglichen Versicherungen – und ich nehme wohl einfach die gleiche Skipperversicherung, wie in den Vorjahren.
Lesedauer< 1Minute“Age Of Sail” ist eine maritimes Video-Kleinod von John Kahrs, dem man in vielen Details abspürt, dass der Erzähler selbst viel Zeit auf dem Wasser verbracht haben. Das aber vor allem als Virtual-Reality-Version in Google Spotlight Stories angelegt ist: Je nach Smartphone-Position verändert sich nicht nur die optische Perspektive auf See, sondern auch der Sound. In statischer Position finde ich den Sound so na ja und mäßig immersiv, Herausforderung war aber natürlich, die Ortung der gewählten Perspektive dynamisch artefaktfrei nachzuführen. Beim Animation World Network gibt es ein paar Hintergründe zu der Produktion, die aufwändiger war, als man im ersten Moment denkt: Eine Herausforderung war neben der Frage, wie man hier ein Storyboard anlegt, lustigerweise die Sorge, beim Betrachter Seekrankheit zu vermeiden – hält man besser die virtuelle Kamera stabil, das Boot oder den Horizont?
Die VR-Version gibt es hier (iOS) zu sehen https://itunes.apple.com/de/app/google-spotlight-stories/id974739483?mt=8 oder androidisiert hier http://onelink.to/adde8q
Die “normale” Theater-Version liegt hier auf YouTube:
Nicht nur der Produzent des Films übrigens meint: Einmal in VR angelegt, ließen sich zwar die Kamerafahrten und Perspektiven in der Produktion perfekt positionieren, und die eigene Position mitten im Geschehen ist faszinierend – aber auch die “normale”, Non-VR-Version sei ganz schön gut …
Dem kann man zustimmen und hinzufügen: Eine gute Story lässt sich auch mit ein paar Zeichnungen auf Papier nicht viel weniger überzeugend erzählen.
Lesedauer8MinutenNur noch wenige Meter bis zum Steg. Bis zu einem der Stege. Armin und ich sind uns selten uneins, hier aber unentschlossen – welche der in sehr luftigem Abstand ins Hafenbecken gesetzten Pfahlreihen passt am besten zu unserem kurzen Folkeboot, wo ist das vom regennassen Algenschmier seifenglatte Holzplateau nicht ganz so hoch? Von Mommark kommend hatten wir uns bei ständig zunehmendem Wind und einigen Schauern das Stück bis Lyø hochgearbeitet, uns am Wind herantastend an Fynens Südwestspitze steuerbord gehalten und die lange, flache Nord-Landzunge Lyøs umrundet. Karte und GPS im Blick – neben dem ins Meer greifenden Naturschutzfinger wird es flach – nehmen wir das Groß runter und rauschen nur unter Fock auf die Hafeneinfahrt zu, die noch gut zu erkennen ist. Danach würde es laut Hafenhandbuch aber bei Seitenwind zackig um die Ecken gehen. Also noch den Außenborder aus der Halterung gewuchtet, Benzintank auf, und der Zweitakter schiebt uns die letzten Meter durch die rostigen Spundwände der Einfahrt, dreht den langen Kiel trotz Wind auch um die Kurven. Die Leinen liegen klar, denn welcher Ort es jetzt auch wird: der Wind drückt uns dann seitlich, eine zügig festgemachte Leine an einem Punkt in Luv macht Sinn.
Armin Pech
Erfolgreiche Fehlersuche: durch den fehlenden Sprit im Filter kamen wir auf den Riss
Erst in Form eines ausgiebigen Frühsports mit diversen Gas- und Choke-Einstellungen. So aufgewärmt, gehen wir systematisch vor: Motorabdeckung auf, Spritfilter checken. Stellen fest: dort ist offenbar kein Tropfen Benzin mehr drin. Tank checken – voll. Tankdeckel – Lüfter ist auf. Tank steht gerade, Ansaugstutzen ist unter dem Sprit-Level. Alles tip-top. Gummiball zum Pumpen. Der kommt uns übrigens seit gestern etwas komisch vor. Sonst nix zu sehen, auch nicht an der Leitung. Warum kommt dieser elende Sprit nicht am Motor an? Armin dreht den Schlauch noch einmal aus der Ruhelage hin und her – da klappt ihm ein Leitungsriss direkt am Pumpball entgegen: Ab hier herrschte also nur noch frischer Meerluft-Flow in Richtung Heck zum Motor, wenn man durch Schwenk des Motors leichten Zug oder Drehung in den Schlauch brachte. Uns fällt ein Riesenstein vom Herzen, und merken erst jetzt, wie sehr uns diese tourentscheidende Frage doch im Magen lag. Das Werkzeug ist schnell ausgepackt, der Schlauch gekürzt, Schelle drauf, zwei‑, dreimal pumpen – Motor läuft.
Lyø – alles etwas verlassen hier
Lyø – alles etwas verlassen hier
Lyø-Inselwanderung
Lyø-Inselwanderung
Südwestspitze Fynen – sind froh, hier gestern eingefahren zu sein
Lyø-Inselwanderung: Baumbestand entlang der Wege
Wir schnappen unsere Jacken, checken zum hundertsten Mal die Festmacher und erkunden die Insel. Nur eine Handvoll zerzauster Segler und zwei, drei Einheimische sind zu sehen. So malerisch diese ganzen Inseln auch sind: oft verbreiten sie ja doch eine etwas verstörende Verlassenheit. Hochwertigst restaurierte und verfallene Häuser wechseln sich ab, aber die Edelferienhäuser (oder Wertanlagen) kommen mir besonders spooky vor, so verlassen in der Vorsaison. Am Wegesrand ein offener Verschlag mit Spardose – hier decken wir uns mit ein paar Gläsern selbstgekochter Marmelade ein und erweitern unseren Bordproviant um eine weitere Geschmacksrichtung „Kirsche“. Bloß aufpassen, dass im Geldschlitz nicht die falschen Münzen landen und wir beim nächsten Hafenautomaten unter der Dusche im Trockenen stehn.
Wir trimmen hier und da, aber alle Tricks ändern nichts daran, dass man bei einem knappen Knoten Fahrt pro Stunde keine ganze Seemeile gutmacht. Wir gehen ungern so früh an den Treibstoff, andererseits: „Windenergie“ würde sich uns die nächsten Tage noch zur Genüge bieten. Der Norden ist im Juni auch um zehn noch hell, das kommt uns nun zugute. Aber dann sollte man doch im Hafen sein, schon um Mommarks Hafenmeisters legendäre Jagdhorn-Einlage nicht zu verpassen. Hinten brummt der Zweitakter, am Bug spritzt es wieder, wenn auch Motorboot-gleichförmig statt Segel- oder Wellen-moduliert. Sehr spät legen wir nach den ersten 20 Seemeilen in Mommark an, proppevoll am Samstagabend, außer uns bewegen sich am Hafen nur noch ein paar Anglerboote – und die entgegenkommend. Dankbar sind wir der vorausschauenden Crew der in der Hafenenge liegenden Peltrine, einem über 100 Jahre alten See-Ewer: Zwar haben wir oft genug vergleichbare Vorsegel an ähnlichen Schiffen gesetzt und geborgen, aber ob wird beim engen Manövrieren aus unserer tiefen Folkeboot-Perspektive heraus an den weit ausladenden Klüverbaum weit über uns gedacht hätte, ohne den dran baumelnden orangen Kugelfender …
Detlef Hoepfner
Armin macht ein Nickerchen – und doch mal dichte Klamotten anziehen
Lyø halten wir gut in Erinnerung, nicht nur vom benzinschlauchbedingten Anlegen in Etappen und hilfreichen (statt nur gaffenden) Seglern, sondern einem wunderbaren Naturschutzgebiet, langen, knorrigen Alleen und dem mystischen „Glockenstein“. Viel Gelegenheit, den Tag wunderbar auf der Insel zu vertrödeln, umgeben vom schäumenden Lillebælt.
Zeitgleich kommen große Traditionssegler von Faborg um die steilen Klippen gebogen, uns entgegen oder holen von achtern sich aus dem Horizont erhebend auf. Was für eine phantastische Kulisse! Wir halten ihre Kurse im Blick, setzen uns etwas dichter dazwischen. Ein einfach überwältigendes Panorama aus kräftigem Wind und langen Wellen, streifendem Salz- und Regenwasser, als groß gepinselte Patinaflächen dazwischen cremefarbenes Segeltuch. Zögen jetzt noch Kanonendonner und Pulverdampf übers Wasser, es würde einen fast nicht wundern. Nach rund einer Stunde hat der Spuk ein Ende, wir sind wieder allein und es stellen sich die Alltagsfragen: Das häßliche Kümo vor uns – in Fahrt, vor Anker, oder weiß es das gerade selber nicht?
Ansteuerung Æroskøbing
Leichtes Chaos an Bord nach sehr viel Welle
Es dauert nicht sehr lange (Kartenausschnitt, und Blick auf die Delius-Klasing-App) bis nach 18 sm Ærøskøbings aufgereihte Badehäuserzeile erreicht und ein guter Platz gefunden sind: Eine ganz leere Hafenecke, gegen den Wind geduckt hinter einer massiven Steinmole, das dänisch-bunte Muster hölzerner „Badehuse“ direkt vor Augen. Im Boot offenbar sich nach dem Anlegen das typische Chaos: Vorm Hafen grob aufgetuchte Segel. Leinen überall. Jacken, nasse Hosen, Rettungswesten. Karten, Kamera, Tablet, Fernglas, Funk. Unter Deck noch Baumstütze, Fender, Zelt … Dass man abends überhaupt noch ein Lücke für den Schlafsack findet!
Armin möchte aufräumen. Ich will zur Werft. Armin zeigt auf das maritime Chaos rund um uns.
Ich auf die leeren Liegeboxen rechts und links: Hier ist niemand, der uns verpfeifen könnte – wir sind doch unter uns! Und der Werft-Shop führt manchmal Weihnachtsschmuck. Damit kann man bei der häuslichen Genehmigungsstelle für ehemännliche Erkundungsfahrten zwecks turnusmäßiger Vermessung der Dänischen Südsee sehr erfolgreich Punkte sammeln.
Armin möchte aufräumen. Wenigstens etwas.
Wir einigen uns, müssen dann zu Fuß schnell einmal durch den ganzen Hafen, sind Viertel vor Fünf an „Det Gamle Værft“. Die soeben geschlossen hat! Durchs Fenster sichtbarer Krimskrams in den Werftregalen schaut aus, als hätte er daheim etwas bewirken können. Nun werden wir uns für 2019 was einfallen lassen müssen. Aber Segelklamotten, die schon aufgehängt gut trocknen, haben ja auch ihr Gutes.
Wir schleichen um die Bootsbaustellen und schlagen uns in die Nebengassen. Eine schöner als die andere, gehalten in farbenfrohen, aber nicht übersättigten Farben, flaniert von den hier typischen Stockrosen. Von der Nørregade schaut man durch die offenen Fenster in dänisch designte Wohnräume. Und blickt durch deren hintere Fenster gleich weiter durch auf die Ostsee. Die Jahreszahlen auf den Giebeln verraten, dass man schon in den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts wusste, wie es sich schön wohnen lässt, ganz ohne Fototapete oder Riesenglotze an der Wand.
Die Segelwoche neigt sich, es ist nochmal sehr viel Wind aus Nord angesagt. Die Richtung passt perfekt, wir haben gut geplant. Nur zwei Tage drauf ist endlich nachlassender Wind angesagt, wenn wir wieder einen sehr lange Schlag zurück nach Deutschland vor uns haben. Aber jetzt schon ganz zurück … doch lieber Zwischenstopp in Bagenkop. Raus aus Ærøskøbing pfeift es wieder ordentlich. Das Groß ist angeschlagen, aber nicht gesetzt. Wir hoffen, allein mit sehr reduzierter Segelfäche – unter Fock – bei kräftigem Nordwest auf Halbwindkurs mit Kurs auf Drejø so viel Höhe halten zu können, um von dort in die Mørkedyb-Rinne hinunterzurutschen. Die Welle nimmt ordentlich zu, die paar Segler um uns rum schauen von deutlich größeren Booten auf uns runter. Sie könnten notfalls auch unter Motor einen Kurs „erzwingen“. Wir dagegen müssen uns völlig an die Situation adaptieren.
Detlef Hoepfner
Fahrwasser-Wirrwarr vor Marstal – und das Trockendock ist weg
Also Ausschau gehalten, ob man den nächsten betonnten Haken Richtung Marstal nicht etwas mildern und abkürzen kann, ohne das Boot auf eine Sandbank zu setzen. Am Ende der Rinne bietet sich dazu nach SW ein Schlag über „Meyers Grund“ an, angesichts des Seegangs mit deutlichem Abstand zu den Tiefenangaben, die mit einer „2“ vor dem Komma in der Karte stehen. Vor Marstal angelangt gilt es dann, die richtige Betonnung der drei Fahrwasser plus Hafenzufahrt statt der vorgelagerten Steinmole zu erwischen – nur unter Vorsegel bei dem vielen Wind und ohne Option, unter Motor zu korrigieren gibt es hier auch nur einen Versuch, richtig abzubiegen. Wir hatten überlegt, noch einen Zwischenstopp einzulegen, den Tag extra hätten wir dafür. Aber morgen soll das Wetter komplett kippen, statt kräftigem Nordwest plötzlich Südwest. Wir möchten hier nicht plötzlich eingeweht werden und denken, dass wir weiter südlich auf Langeland besser aufgehoben sind, um von dort bei SW zurück nach Deutschland zu kommen. Also weiter. Backbord schimmern mit klarer Farbkante abgegrenzt die Sandbänke dicht am Fahrwasser, die Kulisse von Marstal zieht beim Kurs Süd steuerbord vorbei, mit gewöhnungsbedürftigem Umriss: Jahrzehnte gezeichnet von den in den Himmel ragenden Fingern der Kräne und dem kastigen Schwimmdock der Marstal Værft, deren landschaftsprägende Stahlmonster aber 2017 nach Svendborg verlegt wurden. Schön war anders – aber irgendwie fehlt einem diese Landmarke jetzt doch.
Die vielen freien Boxen liegen leider alle quer zum Wind, der Winddruck nur im Rigg reicht aus, unser festgemachte Boot zu krängen. Noch hoffen wir, einen der später einladenden Segler neben uns locken können für etwas Deckung. Stattdessen gibt es zwar gut zu tun, von ebenso zerrupften Seglern Leinen anzunehmen. Aber ihre fetten Motoren, mit denen sie mehr oder weniger erfolgreich versuchen, ihre Anleger kontrolliert verlaufen zu lassen, wühlen das halbe Hafenbecken rund um uns auf und es ist dann vielleicht doch besser, dass wir alle etwas Abstand halten.
Nebenan werden die gemessenen Windgeschwindigkeiten diskutiert, und unser Zelt fürs Cockpit bleibt fest weggepackt. Und da wir ja bei dem Gepfeife kaum den Gaskocher in Gang bekämen, müssen wir leider, leider, ausnahmsweise im Hafenkiosk Riesenportionen Langelænder-Pommes und ein paar dicke Burger verdrücken. Nur ein Pølser reicht heut nicht. Aber auf einem Stuhl zu sitzen, ohne dass einen der Wind wegdrückt – das ist auf einmal ungewohnt. Wir gucken weiter Wetter, Wetter, Wetter: Morgen, am vorletzten Tag, kräftiger Südwest. Übermorgen dann deutlich weniger – yieppieh, zuletzt noch ein ruhigerer Segeltag? Wir laufen nochmal zur Hafeneinfahrt, schauen uns den Seegang und ein paar dazwischen einlaufende Angler und Segler an, klettern auf den kleinen Aussichtsturm: Da möchten wir jedenfalls so bald – und vor allem in Gegenrichtung – nicht wieder durch.
Lesedauer9MinutenSpielt sich das wahre Erleben vor oder hinter der Kamera ab – ich bin mir da nicht immer sicher: Was nicht den Weg durch meine Kameralinse fand, empfinde ich als gar nicht richtig erlebt – oder verankerte sich das Abenteuer tiefer, wenn ich mal die Knipse weglegen würde?
In unserer Jugendabteilung des SVWK (www.segeln.ruhr) wird daher jedenfalls viel fotografiert, und spätestens zum Jahresende stürzen sich auch alle Kinder begeistert auf die gemeinsam erarbeiteten Fotoergebnisse. Eins der Fotos hat es in die 2018-Endauscheidung des Verbandes SVNRW geschafft, und damit in die Segler Zeitung und auf die Messe boot.
Story zum Wettbewerb in der Segler Zeitung Detlef Hoepfner Präsentation der Nominierungen auf der boot 2018 Detlef Hoepfner
Die Kinder sind stolz wie Bolle! Und auf Facebook & Co gab es dazu eine Menge Traffic.
Daher hier mein „Segelfoto making of“! Übrigens gibt es zu dem Thema nun bei Amazon auch ein e‑book von Stephan Boden „Mit der Kamera an Bord – Einfache Tipps für gute Fotos“.
Abenteuersegeln in der Dämmerung: wo man selbst noch gut sieht, ist für die Kamera längst Schicht – Nikon D750, 30 mm, 1/125 s, f 4,5 und ISO 12.800 Detlef Hoepfner
1. How to: So ein Bild braucht 1/25 Sekunde. Plus ein paar Jahre.
„Ist Fotografie Kunst?“ fragte man sich in deren Anfangszeit. Wenn wir uns darauf einigen, dass Kunst nicht nur von „Können“ (s. u.), sondern auch von „Künden“ abgeleitet werden kann, bedeutet dies: Um etwas erzählen zu können, muss man es erst erlebt haben. Ein Bild wie unser Beitrag zum SVNRW Fotowettbewerb (und sicher viele der anderen Motive ebenso) wird daher nur möglich, wenn man selbst ins Thema eintaucht. Wenn man mitsegelt, mitstaunt, mitfriert. Dass man sich wie alle anderen die Finger klemmt, nasse Füße holt, gemeinsam die Hände am Teebecher wärmt – das wunderbare Erleben ganz besonderer Momente teilt. Dazu eine gemeinsame Beziehung baut und lebt, und nicht als knipsend-polternder Fremdkörper im Wege steht. Nach ein paar Jahren – schon hat man den Dreh raus. Daher gilt auch: Die Fotos (hier größtenteils aussortiert, weil unsere Kinderfotos nix im WWW zu suchen haben) dienen nicht dem Fotografen-Ego, sie sind lediglich ein „Nebenprodukt“ unseres Segelvergnügens, und verlängern dieses ein wenig in die Zeit, während der wir an Land verbannt sind.
Segeln dürfen wir auf dem Kemnader See nur bis Mitte November. Aber warum im November noch aufs Wasser? Im Winter dürfen wir nicht, im Sommer dagegen wächst uns der See zu. Bleiben die Zeitfester dazwischen. Seitdem wir endlich die Sicherheit auf dem Wasser vernünftig gewährleisten können, dehnen wir also die Segelzeit aus, so weit es geht. Natürlich bei vertretbaren Sichtverhältnissen spätnachmittags, die Fotos sehen viel dunkler aus, als die Umgebung für das menschliche Auge tatsächlich ist. Überreden muss man dazu niemanden: Schlechtes Wetter finden die Kinder, wenn kein Wind ist. Nach einem ersten Versuch vor ein paar Jahren, bei dem dann tatsächlich hinterher im Taschenlampenlicht der letzte Kram in die Schapps verpackt wurde, erlebten wir im Folgejahr eine Überraschung: Kaum begann die dämmrige Segelzeit, standen die Kinder unaufgefordert mit der Stirnlampe auf der Mütze und warm angezogen am Steg parat. An die Affenschaukel kam noch eine LED-Campingleuchte, und auch auf dem Optisteg (na gut, er ist eigentlich eh beleuchtet) wurde eine Lampe postiert – „damit wir zurück in den Hafen finden“. Wer einigermaßen gut am Sicherungsboot auf dem See anlegt, verdient sich ein paar Kekse, eine Tasse warmen Tees gibt es sowieso über die Bordwand gereicht. Was ganz neue Herausforderungen in den Optis schafft: „Moment, ich muss erst den Tee aus dem Boot lenzen, hier schwimmt gerade alles …“
Außenborder aufstoppen, dennoch Kurs halten, dann schnell wieder aus dem Weg Nikon D750, 120 mm, 1/125 s, F 4,5 und ISO 8000 Detlef Hoepfner
2. Welche Kamera gewinnt auf dem Wasser?
Beim Scrollen durch meine Bibliothek kann ich oft nicht mehr spontan sagen: Smartphone oder Spiegelreflex? Aber bestimmte Fotos lassen sich nur mit der einen oder anderen Kamera (einigermaßen gut) erzielen. Und die absolute Bildqualität macht ebenfalls einen Unterschied: Bedingt durch meine etwas unorthodoxe Lesestrategie des Magazins „Yacht“ (und bedingt durch deren für mich viel zu hohe Schlagzahl) kann es vorkommen, dass ich nacheinander eine Ausgabe von 2014 oder älter und dann eine aktuelle 2018er durchblättere und genieße. Der Unterschied in der Bildqualität, bedingt durch den technischen Kamerafortschritt, ist gewaltig!
Das Smartphone ist jedenfalls immer dabei, bei mir meist in einer wasserfesten Hülle. Dadurch ermöglicht es ganz oft Bilder, die sonst nicht möglich wären. Denn am wichtigsten ist Tipp Nr. 1 – mit ganzem Einsatz regelmäßig dabei sein.
Jahrelang war als Spiegelreflex eine robuste Nikon D300 mein Begleiter, zusätzlich gummiarmiert. Ersetzt wurde sie 2017 durch eine Nikon D750. Mit einem einzigen Objektiv (24–120mm), denn wer will auf dem Wasser auch noch Objektive wechseln? Die 24 mm sind machmal noch fast zu viel (nicht „weit“ genug), wenn Kinder und Boote auf Armlänge bei mir anlegen. Die 120mm helfen, wenn sie mit einer frischen Brise davonzischen. Diese Brennweitenwahl ist mit dem Smartphone nicht möglich, auch nicht die Qualität bei den wechselnden Lichtverhältnissen. Erst recht nicht, wenn die Sonne direkt auf die Schutzscheibe der Smartphone-Hülle brennt.
Eine vernünftige Armierung für die D750 habe ich noch nicht gefunden, stattdessen liegt ein knallgelbes Peli-Case im Boot: Ganz ohne Innenausstattung: Case-Schloss auf, fotografieren, Kamera wieder reinwerfen, Deckel mit dem Fuß zutreten. Bisher ist es gut gegangen, und den gelben Kasten hat man auch immer gut im Augenwinkel. Das Objektiv schützt zudem ein UV-Filter gegen Beschädigungen, der Deckel hingegen führt ein reiselustiges Eigenleben und wird mir von verschiedenen Orten immer wieder zurückgebracht: „Der ist doch sicher von dir …?“ Den Kameragurt habe ich an die D750 erst gar nicht dranmontiert, der verheddert sich eh nur überall an Bord oder verklemmt beim Schließen unterm Case-Deckel.
Das eigene Sicherungsboot dreht, der Segler ebenfalls – längere Belichtungszeiten funktionieren nicht Nikon D750, f 120 mm, 1/160 s, f 4,5 und ISO 12.800 Detlef Hoepfner
2. Mit der Kamera vertraut machen
Auch die D750 wandert hier oft durch Kinderhände. Hat man sich als Besitzer an den leicht erhöhten Adrenalinpegel gewöhnt, entstehen oft ganz unverhoffte Motive: Einige der schönsten Bilder stammen nicht von mir, sondern den Kindern aus ihrer eigenen Perspektive. Was aber eine Hürde ist: Sie sind vom Smartphone gewohnt, dass die Kamera alles alleine macht. Überhaupt durch den Sucher zu sehen (wodurch man auf dem Wasser optimale Kontrolle hat, statt auf dem Screen nur den Himmels zu spiegeln) ist für sie eine Herausforderung. Zumal eine Vollformat-DSLR ein völlig anderes (anspruchsvolleres) Schärfeverhalten hat: Leicht vorbei ist hier dann voll daneben. Hier hilft nur: Fotografieren, fotografieren, fotografieren, bis man die Bedienung wie im Schlaf beherrscht. Und am wichtigsten ist Tipp Nr. 1.
Ausrechend Licht vorausgesetzt, klappt auch ein Smartphone – iPhone 6s, 1/390 s, f 2,2 bei ISO 25 und ‑1 EV Detlef Hoepfner
3. Einstellungen: Segelfoto-Parameter
Am einfachsten wäre ja ein Nikon-Segelfoto-Gewinner-Preset. Reindrehen, fertig. Aber ich benutze nicht einmal die Standards, von den Spezialprogrammen ganz abgesehen. Denn soll ich jetzt ernsthaft auswendig lernen, welches Programm in welcher Situation was macht? Für mich gehören die in solchen Kameras aus der Firmware gelöscht, den Speicher kann man sicher anders besser nutzen. Wenn ich schnell ein cooles Instagram-Foto möchte, nehme ich eh das Smartphone und bin in drei Klicks fertig.
Die D750 läuft bei mir nur noch im manuellen Modus, Ausnahme ISO: Ich wähle Blende/Zeit, ISO passt sich dann an. Anpassung dann ggf. durch die Belichtungskorrektur. Dadurch bin ich sicher, dass die Zeiten zum Motiv passen, und die Blende den gewünschten Bildeffekt gibt. Tendenziell geht es immer in Richtung kürzerer Zeiten, ich bin da oft zu „langsam“ und unterschätze noch immer, wie sehr man sich selbst und das Motiv bewegt, Stabilisation im Objektiv hin oder her. Wenn es arg hektisch ist, macht auch eine mehr als 5,6 geschlossene Blende Sinn, um etwas mehr Headroom in der Schärfe zu haben. Das, nebenbei, macht für mich ein wenig die Vorteile eines Vollformatsensors zunichte, der bedingt durch die Geometrie von Sensor/Objektiv zu einer deutlich verringerten Schärfezone führt. Wenn man etwas Ruhe hat, öffnet dieses Schärfeverhalten zwar tolle Möglichkeiten der optischen Isolation von Motiven, aber probier das mal bei Lage auf der Jolle, womöglich noch mit einer Hand an der Pinne … Kurze Zeiten plus geschlossene Blenden führen dann leider oft zu höheren ISOs, als mir lieb ist.
Lieber extremer ISO als gar kein Bild – Nikon D750, 1/60 s, 30 mm, f 4,0 bei ISO 20.000 und – 1/3 EV Detlef Hoepfner
4. Fokus auf dem Wasser
In mindestens den ersten 15 Jahren meines Fotografierens musste ich ohne Autofokus auskommen, was jetzt auch nicht immer so ganz ideal war. In den letzten 25 Jahren versuche ich nun, den Autofokus zu bändigen, mit ebenfalls gemischten Ergebnissen. Continuous ist meist eine gute Wahl, aber die Herausforderung lautet: Wie bekomme ich das Messfeld schnell und perfekt aufs Motiv. Da man ja beschäftigt ist, wäre ein automatisches Tracking hilfreich, aber eigentlich sind die Situationen dafür immer zu chaotisch. Am Besten fahre ich mit einem einzelnen Messfeld. Entweder per Daumen immer schnell hin und her geschoben, oder einmal „gelockt” und dann hoffend, dass es automatisch mitgezogen wird. Größter Nachteil an der D750 (wie auch der D300 und ganz vielen anderen Kameras): Die Messfelder lassen sich einfach nicht weit genug aus der Bildmitte seitlich verschieben. Das führt oft zu total unglücklichen Bildausschnitten (im Extremfall Anfängerfehler: Kopf genau in der Bildmitte, Beine und Füße abgeschnitten). Gelegentlich funktioniert auch eine vollautomatische Messfeldauswahl (besonders, wenn die Kamera in ungeübte Hände geht), aber zu oft springt der Fokus dann auf Objekte, die man zwecks Bildgestaltung im Frame haben, aber nicht scharf sehen will. Und wenn es nur ein Bändsel ist, das plötzlich in den Bildausschnitt flattert.
Man muss jetzt nicht zum totalen Pixel-Pedanten werden, aber: Ein perfekter Fokus lässt ein Foto richtig rocken.
Das ging wohl daneben mit dem Messfeld mit AF‑C und 3D-Tracking … aber mit 5,96 m passte der Fokus dennoch so ungefähr Detlef Hoepfner
5. Motivgestaltung beim Segeln
Bin ich ein paar Tage mit einem kleineren Boot unterwegs, dann geht mir irgendwann – spätestens beim Durchsehen der Fotos – die eingeschränkte Sicht nach vorne auf den Keks. Auch wenn wir uns jetzt alle auf die Idee stürzen, sich für erweiterte Bildperspektiven ein wenig per Drohne von Bord zu entfernen: Dauernd glotzt man nach vorne nur auf den Niedergang! Plus die typischen Fußbilder. Schaut man dagegen in Richtung Horizont, besteht das Bild aus Wasser, Wasser – und weit hinten ist irgendwas. Da hilft ein wenig Geselligkeit (siehe wieder Tipp 1!), mit mehreren Booten bekommt man etwas mehr Tiefe ins Bild, und vor allem der einfache, alte Vordergrund/Hintergrund-Trick: Ein markantes Bootsdetail im Vordergrund, daneben das eigentlich Motiv weiter weg auf dem Wasser – schon bekommt man eine viel plastischere Räumlichkeit. Besonders gut mit einer Spiegelreflex, aber dran denken: Sichtbar auf der Datei ist der Eindruck, wenn man testweise die Abblendtaste drückt, der Sucher zeigt ja immer den Eindruck „Blende ganz offen“. Steht die Blende auf 16 oder mehr, tendiert das Bild wieder in Richtung “Smartphone-Look“.
Bei Schräglage und Seegang muss man Objekte im Sucher überhaupt erst mal sortiert bekommen, ohne dass einem die Winsch bei der nächsten Welle ins Objektiv (oder die Zähne) haut) – Nikon D750, 1/320 s, 120 mm, f 4,0 bei ISO 100 Detlef Hoepfner
Sortieren, bearbeiten, wegwerfen!
„Deine Bilder waren wieder die besten“ – dem kann ich oft nur entgegnen: „Ehrlich gesagt habe ich einfach nur die vielen schlechten Dateien alle weggeworfen und euch lediglich die zehn schönsten Motive gezeigt.“ Dazu muss man aber eine Sortier-Strategie einführen – und dann am besten lebenslang durchhalten. Und sich einer Software bedienen, die ein Sichten und Sortieren unterstützt. Wer einzeln Bilder speichert, in Ordner legt, bearbeitet, die Versionen plus Variante _neu sowie _neu_neu_neu wieder woanders ablegt, hat in kürzester Zeit Chaos.
Fast jedes Bild profitiert von ein wenig Post-Processing: Den Horizont ein wenig richten, den Bildausschnitt optimieren – in drei Handgriffen macht fast jedes Bild einen Sprung nach vorne und kommt mehr auf den Punkt. Farbtemperatur und Helligkeit sind besonders gut zu korrigieren, wenn man in einem Raw-Format fotografiert, das machen mittlerweile sogar viele Smartphone-Apps. Ein JPG kann nicht vernünftig korrigiert werden, Punkt, isso! Ein perfekt fotografiertes JPG ergibt zwar ein perfektes Bild – aber das setzt voraus, dass man alle Parameter vorm Auslösen perfekt gesetzt hat. Ich kann das nicht. Alternativlos ist realistisch betrachtet auch eine nondestruktive Bearbeitung, wie bei Lightroom oder iPhoto & Co: Die Kameradatei wird importiert und abgespeichert, aber nicht verändert, sondern nur mit den Bearbeitungsparametern überlagert. Im Ausschnitt vertan? Kein Problem, ist jederzeit rückgängig zu machen. Wenn man dagegen jedes Bild einzeln in Photoshop öffnet, ändert speichert, das nächste Bild …
Entweder ist man dann Fine-Arts-Künstler und verkauft die Motive ab 1000 Euro aufwärts, oder man hat mehr Spaß an Photoshop als am Fotografieren und den Bildern.
Aber eigentlich wollen wir ja – segeln!
Material von der wöchentlichen Segelrunde – da ist zügiges Sortieren angesagt Detlef Hoepfner
Durch seine lange Geschichte — das Folkeboot feierte 2017 sein 75jähriges — bildete sich eine Menge an Know-how und Fangemeinden rund um dieses klassische Segelboot. Was aber, wenn man als Spaßsegler von anderen Bootstypen für eine (Charter-)Tour auf das Folke umsteigt? Hier habe ich die wichtigsten Tipps zusammengetragen, die in einer leicht angepassten Version auch von www.klassisch-am-wind.de übernommen wurden.
Nach den ersten zwei wunderbare Folkeboot-Touren zählten wir sicher nicht zu den ausgebufften Spezialisten dieser Boote aus Holz oder GFK mit Tradition in Kerteminde. Zumal wir erst danach entdeckten, dass hier in NRW, fast bei uns nebenan, eine der größten Folkeboot-Flotten heimisch ist. Aber mit zusammen rund 30 Jahren Erfahrung am „Segeln nur zum Spaß“ bei uns zwei Folkeboot-Einsteigern ergab das 2017 eine besondere Kombination: Wie fühlt man sich als „erfahrener Segel-Folkeanfänger“ auf einem gecharterten Folkeboot, mit dem man sich ein wenig auf der Ostsee herumtreiben will?
Bevor wir uns also zu sehr daran gewöhnten und Folkeboot-Routine entwickeln, hier rückblickend und zwischendurch aktualisiert unsere subjektiven Tipps „Folkeboot für Anfänger“! Gesammelt auf Folkebooten, gechartert bei www.klassisch-am-wind.de
Mit einem Segelboot einfach von A nach B bzw. einer bestimmten Insel fahren zu können – na das wäre ja zu einfach. Besonders trifft dies für kleine Boote wie das Folkeboot zu. Es ist zwar wirklich seetüchtig. Unsere allerersten Runden haben wir als Training direkt bei viel Wind und Welle gedreht. Was gut war: Platschnass wussten wir jetzt, was geht. Aber wie bei einem größeren Schiff die Maschine anschmeißen und gegen das Wetter anbolzen, das funktioniert einfach nicht. Man muss sich arrangieren, das Wetter checken, die Karte studieren. Direkt einen Plan B bereitlegen, Alternativen durchdenken, viel Reserve einrechnen. 2017 als auch im Vorjahr drohte uns über die Tage Wetterverschlechterung, die es einzukalkulieren galt. Man fährt da nicht einfach nach Hause. Und die Bedingungen scheinen ja tendenziell eher instabiler zu werden.
Die erreichbaren Strecken sind deutlich kürzer, als man das von anderen Ostsee-Touren geplant ist. Beides Mal haben wir unsere Strecken daher verkürzt – und sind damit zufrieden gefahren. Dem Stress wollen wir uns nicht aussetzen, womöglich auf Biegen und Brechen bei Bedingungen, die (uns) echt keinen Spaß mehr machen, zurückfahren zu müssen, weil die Segel-Charter-Zeit endet und der Job ruft. 2021 und 2022 erforderten die Umstände “aus Gründen” sogar, dass wir uns nur mit kurzen Törns in der Schlei umsehen. Für andere Segler ist das ja nur eine Transitautobahn zur Ostsee. Hatten wir daher weniger Genuß als auf der Ostsee? Nein.
Dass man mit dem Folkeboot also „dichter dran“ ist an Natur und Wetter, bedeutet auch, sich mehr auf die Elemente einzulassen und davon führen zu lassen. Dazu muss man nicht esoterisch veranlagt sein – alles andere tut einfach nur mehr weh, wenn’s schief geht. Und schief gehen kann schon eine Menge auf dem Wasser.
Folkeboot: Behäbig. Berauschend. Schnell.
Nicht nur in Köln ist „Jeder Jeck anders“, auch jedes Boot hat seinen Charakter. Wenn man gerade von einer Jolle kommt, staunt man schon im Hafen über die Stabilität des Folkebootes: Man läuft vom Bug seitlich zum Want – und man klatscht nicht gleich ins Wasser! Der lange und schwere Kiel braucht schon einige Anregung, bis sich das Boot zur Seite neigt. Da ist die Gefahr größer, dass der Fuß über ein Landstromkabel auf dem Seitendeck wegrollt oder die Fußspitze unter einem Festmacher hängt und man so den Abgang ins Hafenbecken macht. Aber das heißt nicht, dass man mit dem Folkeboot nur hinterher fährt! Unsere allerersten eigenen Folkeboot-Minuten führten uns damals durchs enge Schlei-Fahrwasser in Richtung Lotseninsel auf die Ostsee, umgeben von vielen gleichgesinnten Segeln (nicht zu vergessen dem grottenhässlichen Touristendampfer im Gegenverkehr). Womit mir nicht gerechnet hatten: Dass wir direkt zu einigen Überholmanövern – wo ist hier die Bremse? – mit Schweißperlen auf der Stirn „gezwungen“ wurden. So langsam, wie einige andere Boote hinauströdelten, ließ sich das Folke gar nicht segeln.
Detlef Hoepfner Puh, ganz schön flach hier – aber man hat es ja direkt vor Augen 😉
So viel Sicherheit, wie das Folkeboot einem Umsteiger aus Jollenperspektive bietet, mit so viel Jollen-ähnlichem Segelspaß überrascht es den Dickschiffsegler: Man sitzt sicher und geschützt, aber ganz, ganz dicht am Wasser und kann sich daran geradezu berauschen.
Folkeboot-Manöver und Außenbordmotor
Mit der gewissen Langkieler-Behäbigkeit sollte man sich dann auch im Hafenmanöver arrangieren. Das Boot mal eben mit back gehaltener Fock oder einem Tritt gegen einen Pfahl drehen – vergiss es. Zwei Tonnen plus vor allem der Laaaaangkiel stellen sich da stur. Andererseits: Bei kräftigem Seitenwind wird die Boxengasse nicht ganz so schnell zu schmal, weil der Kiel jetzt schön stabilisiert (und der niedrige Aufbau sich duckt). Aber hier spielt ein Außenborder seine (immerhin) Stärke aus: Gedreht bis maximal komplett quer gestellt lässt er sich als „Heck-Querstrahlruder“ nutzen. Das Geheimnis lautet hier: Motor komplett 90° drehen. Nur einkuppeln (vorwärts), ganz wenig (Stand-)Gas, und: Geduld, Geduld, Geduld. Dann bekommt man das Boot zentimetergenau gedreht. Wenn möglich, bucht doch eine kleine Trainingsrunde bei einem Skippertraining (macht ja eh immer Sinn).
Außenborder-typisch auch das Verhalten bei Rückwärtsfahrt: Ein kurzer Rückwärtslauf hat kaum Wirkung. Wer vom Dickschiff gewohnt ist, mit einem kurzen Schub rückwärts aufzustoppen, bekäme danach einen Eindruck von der Schlagkraft der Bugspitze in das gegnerische Material. Da stoppt gar nichts. Viel Gas hilft auch jetzt wieder nix. Es kommt einem nur die Schraube jaulend aus dem Wasser nach oben entgegen, um sich mal in der frischen Hafenluft umzusehen). Und bei Rückwärtsfahrt gilt ebenso: Wenn das Boot einmal in Bewegung gekommen ist, lässt es sich so schnell nicht wieder davon abbringen. Also auch hier: Manöver besser in Zeitlupe, das Hafenkino darf in Slowmotion präsentiert werden. Seitenstöße besser mit gedrehtem Motor und Vorwärtsschub statt rückwärts eingekuppelt. Ziele wenn möglich gegen den Wind ansteuern – korrigierender Vorwärtsschub, wenn man verhungert, geht. Abbremsen kaum. Die zwei Tonnen bremst Ihr auch nicht mit den Händen.
Detlef Hoepfner Der Außenborder – mal mit linker, mal rechter Hand bedient – ist in Kombi mit Pinnen, Leinen und Bezinschlauch bei Manövern gewöhnungsbedürftig
Außenbordmotor: verflixt und zugenäht
Überhaupt: der Motor! Sieht ja schon mal total sch… aus da hinten am klassisch-eleganten Heck! Nicht nur, dass man beim Manövrieren Gashebel plus Ruderpinne parallel bedienen muss – man hat die dann gerne über Kreuz. Dazu die Festmacher, und den Benzinschlauch sollte man auch nicht mit dem Knie abklemmen oder gar beim Lenken abreißen. Man kommt auch kaum an die Schaltung dran und hockt auf Heck und Aufholschlitten des Motors wie der Affe auf dem Schleifstein. Geschätzt 50% unserer blauen Flecken stammen von diesem „gemütlichen“ Platz mit wunderbarer Aussicht.
Dass man sich dort auf dem Heck bei Welle kaum halten kann, ist dagegen nicht so schlimm: Bei Welle hilft der Außenborder eh nix, so lang kann sein Schaft gar nicht sein, dass die Schraube im Wasser bleibt.
Diese Frage – Außenborder nutzen oder nicht? – ist für uns daher eine der manchmal schwierigsten Entscheidungen. „Sicherheitshalber grundsätzlich mit Motor“ funktioniert nicht! Beispiele:
Bei Windstärken über 5 voll auf die zwölf hätte die Strecke von Schleimünde nach Maasholm unter Segeln (dennoch sicherheitshalber bereits angeschlagen) kreuzend kaum funktioniert. Also mit Motor gegenan.
Andererseits sind wir beim Versuch, unter Motor von der Ostsee bei Wind gegen Welle in Schleimünde in die Schlei hineinzukommen, mit dem Motor gescheitert. Zurück auf die Ostsee, wieder unserer Segel besonnen und dann erfolgreicher Anlauf unter Segeln. Die Schleimünde-Touristen bestaunen derweil Euren Unterwasseranstrich in dem Wellen-/Strömungschaos. Augen zu und durch.
Aus Norden kommend sind wir mit über 7 Knoten raumschots durch die Einfahrt in den Hafen Marstal gebrettert (verstößt bestimmt gegen die Hafenordnung). Aber wie will man da vorher die Segel weg bekommen, den Motor drückt man bei dem Speed ja nicht ins Wasser, und samt Halterung abreißen will man ihn ja auch nicht sehen.
Idealerweise plant man also so, dass die Strecke theoretisch ohne Motor funktioniert. Vorausschauend planen.
Detlef Hoepfner Mit Wind und Welle – gegen den Strom nach rechts käme man hier nicht anmotort
Folkeboot-Ausrüstung und Unterschiede zum „Dickschiff“
Wenn der Vercharterer bei der Einweisung schon wieder einen Satz mit „Typischerweise ist auf einem Folkeboot hier …“beginnt, weiß man: Jetzt kommt schon wieder eine Erklärung, warum irgendetwas … komisch ist. Gegenüber manchen Booten mit Camping- oder Nahkampf-Totalausstattung erscheint so ein Standard-Folkeboot spartanisch. Es leuchtet einem keine Instrumentenwand entgegen, ohne Logge, Tiefenmesser, Plotter, Windanzeige … Aber woher der Wind kommt, das hört und sieht man doch auch so, oder? Und die Wassertiefe vor dem Boot kann man eh nicht messen. Ein paar Basisdaten lieferte uns ein Garmin-GPS, das wir aber noch immer nicht richtig kapiert und selbst ergänzt haben: Ein SpeedPuck aus Ebay am Mast signalisierte deutlich unsere Geschwindigkeit, da guckt man auch ohne Regatta-Ambitionen dauernd drauf. Er trackt super detailliert und saugt nicht das Smartphone leer. Aber manchmal haben wir ihn mit – und hängen ihn gar nicht raus. Die vermehrte Smartphone-Nutzung zeigt sich auch hier (auch wenn das nicht halb so fix den Wenden folgt).
Detlef Hoepfner Bequemer Blick kurz auf die Karte in der Mørkedyb-Rinne, sind danach zu NV Charts gewechselt
Ganz nützlich wäre ein Tiefenmesser dann vermutlich manchmal schon. Im Museumshafen Kappeln zu weit ausgeholt steckt man schnell im Schlick. So festgesaugt kommt man dem Hörensagen nach auch nur wieder raus, wenn man eine Leine zu einer Winsch auf einem der Traditionssegler rüberlegt.
Strom braucht man ansonsten für Smartphone und/oder Tablet, da haben wir einige Powerbanks plus USB-Lader dabei. Nach fünf Stunden Segelei hat so ein Tablet doch gut was weggezogen. 2022 hatten wir erstmals einen festen USB-Port dafür (12-Volt-Buchse via Bordbatterie, dort einen Adapter auf USB rein.) Das entspannt echt unterwegs. Der Anschluss war nur Nähe Großschot unter die Bodenbretter gelegt, sprich man trat immer aufs Kabel oder verhedderte Leinen darin. Da gibt es bessere Orte im Cockpit. Der Hitzeschutz gegen Elektronik-Abschaltung ist im Sommer auch ein Thema.
Detlef Hoepfner Die “Mumi” hat 12 Volt an der Großschot, aber das Tablet bzw. Kabel stört da zu sehr. Es liegt besser (und kühler und dunkler) in der seitlichen Cockpit-Ablage
Papierkarten haben wir immer am Start, 2017 zwischendurch einen weiteren Satz der Kartenwerft, deren Schnitte sich prima auch aus Entfernung im Cockpit lesen ließen. Ansonsten NV Verlag.
Zusätzliche Navi-Apps bieten ein deutliches Informationsplus: Wir planten anfangs selten konkrete Wegpunkte in die Software. Aber in einem engen Fahrwasser mal eben das Smartphone aus der Jacke zu ziehen und sich zu vergewissern, wo man gerade ist und wo die nächste Tiefenlinie verläuft – das hat uns überzeugt. Nach einigen App-Wirren hat uns (Stand 2022) NV Charts am meisten überzeugt: Gute Karten, pausenlos App-Verbesserungen, Cloud-Nutzung über mehrere Geräte. Einige der Features haben wir beim Marktstart der App mit vorgeschlagen oder kritisch begleitet – das Team in Eckernförde ist super am Nutzer.
Die Positionslichter liegen in einer Kiste unter Deck und müssten aufgesteckt werden, Nachtfahrten sind für Charterer aber eh oft absprachebedürftig. Da wir zu Zeiten der hellsten Nächte unterwegs sind: wir haben sie noch nie ausprobiert.
Detlef Hoepfner Motoren machen nur Lärm, wir legen hier unter Segeln ab
Folkeboot-Segel
Das Großsegel ist nicht reffbar. Das Boot verträgt aber sehr viel Wind – sagt man, wir machen da meist lieber Pause. Wir hatten aber auch schon stürmische Phasen, da hätte ein Reff besser funktioniert, als die Groß zwangsweise zu weit öffnen zu müssen. Also wir jedenfalls haben da den Dreh nicht raus und wir ärgern uns, dass man in solchen Situationen nicht schlauerweise einfach die Segelfläche verkleinert kann.
„Typischerweise hat man auf einem Folkeboot“ auch keine rollbare Fock, die ja – gerade, wenn man wenig Motor nutzt – eine Menge Vorteile bietet, um die Segelfläche in Manövern schnell mal kleiner oder ganz weg zu bekommen. Richtig traditionell ist ein Vorsegel mit Druckknöpfen an den Stagreitern, und irgendwie ist das auch ein schönes Gefühl, das Segel so gemächlich anzuschlagen.
Detlef Hoepfner Je nach Variante ist hier nicht viel Platz zum stolperfreien Tritt – helft Gästen an Bord
Was „fehlt“ noch – ach ja: der übliche Gartenzaun ums Boot herum. Stört aber bei so einem Boot sowieso eher als dass eine Reling nützt. Nur der Schritt vom Steg auf den Bug ohne rechte Möglichkeit, sich festzuhalten, bedarf je nach aktueller Gelenkigkeit einiger Gewöhnung. Zumal die Bugspitzen meist ganz schön vollgebaut sind mit Klampe(n), Steckdose usw. und in manchen Häfen eine enorme Höhendistanz zum Steg entstehen kann.
Toilette auf dem Folkeboot
Von Bord muss man natürlich auch für andere Geschäfte, z. B. zum Duschen. Haben die Sanitäranlagen jedenfalls noch nicht weiter an Bord gesucht. Wir können uns auch nicht richtig merken, welche Münzen man jetzt für die Duschautomaten benötigt: Waren es hier 50 Cent, dort 10 dänische Kronen, dann wieder Kreditkarte für die Hafengebühr incl. Code … Und hat man mühsam Münzen gesammelt, steht man im nächsten Hafen vor einem Wechselautomat, der einem das alles gerne abnimmt.
Ein WC haben wir bisher nie vermisst, und man muss sich dann ja auch nicht drum kümmern. Einmal wurde es tatsächlich spruchreif, weil Häfen pandemiebedingt nur für Boote mit eigenen Sanitäranlagen öffnen durften. Da hätte man sich mit einer portablen Lösung helfen müssen, wir haben da aber null Erfahrung.
Verpflegung auf dem Folkeboot
Viel Strom gibt es an Bord nicht, selbst eine Kühlbox haben wir uns gespart und ein paar Sachen stattdessen in die Bilge gelegt. Die ist nur so „kalt“ wie die Ostsee, aber man kann sich lebensmittelseitig drauf einstellen. Käse bekommt man schon ein paar Tage durch, Wurstwaren würden wir uns nicht trauen.
Armin Pech Unser Kühlfach in der Bilge
Wir pflegen eine ausgefuchste Rezeptliste, die von unseren Frauen etwas abschätzig als „das ist maximal ein Einkaufszettel“ abgekanzelt wird.
Was im Berufsalltag aber sonst oft schwer umzusetzen ist, klappt hier prima: wir verdrücken Berge von frischem Obst und Gemüse. Und richtig „viel zu viel“ hatten wir bisher nicht dabei, es kann ja immer passieren, dass die lokale Pølserbude (zumal außerhalb der totalen Hochsaison) nach dem Anlegen schon geschlossen hat. Gut, wenn man dann eine Gaskartusche in den Kocher schieben und die Kartoffeln in die Pfanne werfen kann.
Folkeboot aus Holz: Atmosphäre, aber trocken halten
Das ist so eine tolle Stimmung an Bord, man kann es kaum beschreiben. Viel trägt dazu der Holzbau bei, er riecht und fühlt sich einfach wunderbar an. Nachteil: es wird auch einmal feuchter werden. Lange Strecken auf einem Bug können schon dazu führen, dass ein Teil der Bordwand – sonst eher hoch und trocken gelegen – etwas mehr Wasser zieht. Wir hatten dann auch schon Wasser in der Pfanne stehen. Zumal da der Schwimmer der elektrischen Bilgenpumpe (Dauerproblem) etwas zu lange unbemerkt hakte. Schlafsack und Klamotten stopfen wir unterwegs daher immer in dichte Packsäcke. Das hilft auch der Ordnung, weil nach ein paar Wenden alles herumfliegt, was nicht in Schränken oder Taschen weggepackt ist.
Auf eine klamme Koje (auf die wir noch eine selbstaufblasende Isomatte werfen) haben wir also keine Lust. Interessanterweise bildete sich innen aber nie Schwitzwasser an den Wänden, wie es bei den „Plastikbooten“ üblich ist. Wir haben aber nachts auch immer dieses potthässliche, aber überaus nützliche Kuchenbuden-Zelt aufgebaut, das viel Feuchtigkeit von Cockpit und Aufbau fern hält. Und abends grundsätzlich den kleinen Elektrolüfter auf kleinster Stufe das Boot einmal durchpusten lassen.
Das Raumangebot ist natürlich … eingeschränkt. Ohne alles penibel zu sortieren und zu packen dreht man durch und sucht sich tot. Und auch nach einer Woche stoßen wir uns noch immer den Kopf blutig. Aber mal ehrlich: In der Hundekoje eines üblichen Fahrtenschiffes schläft man unbequemer, als zu Zweit im Folkeboot. Unter dem Bug gibt es zwar auch noch eine Liegefläche, aber da lagert bei uns das Gepäck (und der nervige Tisch, mit dem wir nicht recht etwas anzufangen wissen).
9 Tipps für Folkeboot-Charter
– Probe-/Trainingsrunden segeln – Hafenmanöver in Super-Slowmotion anlegen – ausreichend Verpflegung/Zeitpuffer planen – Strecken ohne Motor planen – Abstand von Flachs halten – das ist keine Jolle – Kuchenbude/Persenning nutzen – lüften und Boot innen trocken halten – schon vor der Tour sich selbst fit halten – das Jahr über Wassersport-Routine sammeln – wie bei www.segeln.ruhr
Landgang
An uns sind also wirklich keine „Fernfahrer“ verloren gegangen: Immer haben wir uns umfangreiche Strecken ausgedacht – aber überhaupt nicht umsetzen können. Wir haben dennoch wunderbare Orte entdeckt! Vielleicht liegt es auch daran, dass wir in NRW eh von März bis November auf dem Wasser sein können. Aber wir genießen auch Hafenatmosphäre (luxuriöserweise müssen wir nicht in Schulferien reisen) und Landgänge. Wer Dänemark (wie ich früher) langweilig findet, sollte die kleinen Inseln erkunden – hier gibt es so viel zu entdecken außerhalb des Radius’ von Landstromanschluss und Sanitärgebäude. Und anders kommt ihr da nicht hin!
Detlef Hoepfner Die “Huthügel” Bagenkop sehen aus Bootsperspektive super aus — man kann aber auch schön drüberlaufen
2017 zählte zu unseren Segel-Highlights, am späten Nachmittag noch über Strynø zu wandern. Aus dem Gebüsch lugte plötzlich ein sonderbares „Boots-Klavier“ – da muss man doch direkt mal gucken. Die totale Überraschung: Es ist das berühmte Smakke-Center, über das wir schon öfters interessiert gelesen hatten. Und wie es der Zufall wollte, erbarmte sich ein Mitarbeiter unserer und bot uns eine private Sonderführung durch das Gelände und die Werkstatt, in der die berühmtenSmakkejollen gebaut werden, bevor er dann endlich in den eigenen verdienten Feierabend davonfuhr.
Folkeboot-Charter: Locals fragen
Den Mund aufzumachen und zu fragen lohnt sich immer. Stegnachbarn, die einem ihr gesammeltes Seglerwissen von ihrer schwimmenden Gartenlaube herunter ungefragt referieren, können zwar nerven. Über die gewisse Arroganz einiger Segler, die jedem Segel-Charterer erst mal dessen Unbedeutsamkeit zu verstehen geben müssen, sollte man auch hinwegsehen. Aber sich gegenseitig wahrzunehmen, mit anzufassen und auch bei Mistwetter nochmal rauszugehen, um eine Leine anzunehmen, hilft ungemein, dass auch einem selbst Gutes widerfährt.
OK, bei unseren Befragungen eines örtlichen Fischers hat das nicht ganz geklappt: Gerade in der Box festgemacht stellten wir fest, dass die Wassertiefe hier genau unserem Tiefgang entsprach. Und wir wollten ja noch was schwere essen. “Nein, bei der Windrichtung wird der Pegel nicht weiter sinken.” Die Wasserlinie am Stegpfahl belehrte uns am nächsten Morgen eines Besseren: es verschwanden über Nacht nochmal 10 cm, sodass wir nur noch so gerade eben in einer freigependelten Kiellinie im Schlamm frei blieben. Aber in den meisten Fällen ist es eben zumindest beruhigend, wenn man nach Check diverser Wetterberichte und Abwägen einiger Routen feststellt: der Stegnachbar kam zu ähnlichem Ergebnis.
Im Zweifelsfall hilft auch eine Nachricht an den Vercharterer: Wir diskutieren Plan A oder B, was denkst Du? Wie viele Besonderheiten ein Revier bieten kann, kennt man ja aus der eigenen Region, warum dann nicht die Erfahrung der Locals nutzen. Spätestens, wenn der Stegnachbar beim eigenen verbockten Manöver wie aus dem Nichts am Steg steht und einen abhält, weiß man das zu schätzen.
Das Wichtigste zum Schluss – Armins spontane Antwort auf die Frage „Was braucht man denn für so eine Tour?“: „Einen guten Freund!“ Man könnte hinzufügen: Und der sogar dann noch mit einem weiterfährt, obwohl man ihn gerade (erfolglos) versuchte, vom Vorschiff zu werfen, indem man bei mächtig Wind und Welle irgendwie so blöd war, eine „Patent-Wende“ hinzulegen, worauf das Boot den Großschotblock auf einmal so verd… weit weg unter einem wegkippt. Erfahrung hin, Beherrschung her: Wirklich Spaß macht sowas nur, wenn man eingespielt und kompatibel zueinander ist. Wenn einer nur Strecke machen, der andere aber Urlaub erleben möchte, der eine die Stille, der andere die Herausforderung sucht – dann führt das vielleicht nicht zwingend zu offen ausgetragenem, aber mindestens empfundenem Stress. Klar ist aber auch: bei zwei Personen an Bord fährt niemand nur so mit: Beide sind aktiv eingebunden und gleich beteiligt, müssen sich aber auch aufeinander verlassen können.
Nach einer Wanderung zufrieden zurück auf dem Boot, in der einen Hand ein Glas, mit der anderen Hand auf dem herrlich schmeichelnden Holz, kann es dann eigentlich kaum einen schöneren Platz geben.
Lesedauer< 1MinuteEigentlich wollten wir nur ausprobieren, wie es sich ein paar Tage auf einem 70 Jahre alten Folkeboot – dem letzten noch segelnden, dänischen Exemplar – reisen lässt. Aber wenn man schon Kamera und Smartphone dabei hat, kann man das Filmen nicht lassen …