Lesedauer 2 MinutenFamilienfreizeit in der Perspektivfabrik
Perspektiven – wer könnte die nicht gebrauchen? Etwas verloren gingen diese zwei Hauskreisen, die traditionell seit vielen Jahren einmal im Jahr ins gleiche Freizeitheim reisten. Das war zwar preisgünstig, deshalb aber offenbar auch sooo unrentabel, dass die es betreibende Kirchengemeinde verkaufen musste. Seitdem irren wir etwas durch die Landschaft und landeten dieses Jahr in der „Perspektivfabrik“ in Mötzow. Die ehemalige Ziegelei – ganze Stadtteile Berlins sind aus den hier gebrannten Materialien gebaut – wurde schon zu DDR-Zeiten vom „Jungmännerwerk“ genutzt, nach der Wende entsprechend vom CVJM. Aktuell ist sie als „Perspektivfabrik“ (www.perspektivfabrik.de) auch an die Henry-Maske-Stiftung mit vielen Jugend- und Ferienprogrammen angebunden. Bedingt durch ihre alte Geschichte liegt sie direkt an der wunderbaren Havel-Wasserlandschaft Brandenburgs, ein kleiner eigener Minihafen ist da fast selbstverständlich, ein schöner Sandstrand sowieso. Viele der 30 Teilnehmer machten erst einmal bereits auf der Hinfahrt am ehemaligen Grenzübergang Marienborn Zwischenstopp, um etwas Geschichtsluft in den alten Sicherungsanlagen zu schnuppern. Das war offenbar auch für die Jüngsten so beeindruckend, dass später auf dem riesigen Freizeitgelände an der Beetzsee-Kette von den Kids „Grenze“ gespielt wurde … Viele weitere anregende Eindrücke gab es dann später bei unseren Ausflügen in die nahe Stadt Brandenburg, nach Potsdam oder einfach per Fahrrad in die Dörfer ringsum mit ihren Storchennestern, schön restaurierten Höfen oder verfallenen Häusern. Bei einem so vom Wasser geprägten Landstrich darf ein Boot nicht fehlen, und so wurde von uns für die vier Tage auch ein fast 50 Jahre altes, klassisches Holzsegelboot herangeschafft (www.holzbootcharter.de), um die Teilnehmer jeden Tag zum Dom und in die Brandenburger Innenstadt zu schippern, oder um einfach vom Wasser aus den Milanen überm Schilf bei ihren Flügen zuzuschauen. Dabei wurde man öfters auch von oben nass – aber als Wuppertaler ist man ja noch ganz anderes Wetter gewohnt.
Inhaltlich standen die vier Tage unter dem Motto „Wendepunkte“. Dazu gab es einen Austausch untereinander, Beispiele aus der Bibel, ein „4‑Ecken-Gespräch“ und einen Abend, an dem über viele lebensbestimmende Fragen vor und nach „der Wende“ berichtet wurde: wie überlebt eine kleine christliche Gemeinde in einem atheistischen Staat, wie baut man zudem ein Gemeindehaus in einer Mangelwirtschaft, welchen beruflichen Konsequenzen ist man ausgesetzt – allein schon unvorstellbar war für uns der Gedanke an eine latente Bedrohung, dass der Staat Eltern und Kinder trennen könne, weil die Familie aus Behördensicht nicht ausreichend linientreu erschien. Interessant war dann auch zu verfolgen, wie schwierig der Wechsel in eine ganz neue Lebenssituation zu stemmen war – aber auch welch neue Chancen genutzt werden, beispielsweise indem die Gemeinde trotz nach wie vor schwieriger Strukturen in der Stadt eine Kindertageseinrichtung baute und sich für suchtgefährdete Kinder engagiert.
Zurückgefahren sind wir nach den Tagen mit vielen neuen Eindrücken und Gedanken – von ungewohnten Stadtbildern und intensiven Naturerfahrungen über gegenseitiges Kennenlernen bis zu Lebensgeschichten und Alltagsfragen, die sich manchmal mehr von unserer eigenen Geschichte unterscheiden als geahnt.
Nun heißt es, das nächste Jahr zu planen … und es wäre auch nicht verwunderlich, wenn das eine oder andere Ferienhaus in der „Perspektivfabrik“ irgendwann einmal wieder Besuch aus Wuppertal bekäme. Na und das Holzboot sowieso!